Leitsatz (amtlich)

Beantragt der Prozessbevollmächtigte des Berufungsbeklagten die Zurückweisung der Berufung, bevor diese begründet worden ist, so ist dem Berufungsbeklagten dennoch eine 1,6 Verfahrensgebühr nach der Nr. 3200 RVG-VV zu erstatten, wenn das Rechtsmittel nach dem verfrühten Zurückweisungsantrag noch begründet wird und das Rechtsmittelgericht die Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückweist oder sonst in der Sache entscheidet, ohne dass der Prozessbevollmächtigte des Berufungsbeklagten dem Berufungsgericht gegenüber eine weitere Tätigkeit entfaltet hat (teilweise Aufgabe von OLG München NJW-RR 2006, 503 = AGS 2005, 520 = FamRZ 2006, 221 = OLGR 2006, 78; im Anschluss an BGH NJW 2009, 2220 = MDR 2009, 771; BGH JurBüro 2010, 649 = MDR 2010, 1157; BGH AGS 2011, 44).

 

Normenkette

ZPO § 91 Abs. 1 S. 1; RVG-VV Nr. 3200

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 04.08.2011; Aktenzeichen 34 O 7270/10)

 

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Wert der Beschwerde beträgt 2.748,42 EUR.

 

Gründe

I. Die Klägerin hat gegen das Endurteil des LG München I vom 3.12.2010 mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 18.1.2011 Berufung eingelegt und darauf hingewiesen, dass die Berufungsbegründung und Antragstellung innerhalb der gesetzlichen Frist erfolgen werde. Die Beklagtenvertreter haben mit Schriftsatz vom 27.1.2011 deren Vertretung auch in zweiter Instanz angezeigt und den Antrag angekündigt, die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen. Die Klägervertreterin hat die Berufung mit Schriftsatz vom 15.2.2011 begründet. Der 13. Zivilsenat des OLG München hat mit Verfügung des Vorsitzenden vom 28.2.2011 die Klägerin darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat hierzu mit Schriftsatz vom 4.4.2011 Stellung genommen. Das OLG hat schließlich mit Beschluss vom 11.4.2011 die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und dieser die Kosten des Berufungsverfahrens, dessen Streitwert auf 115.986,60 EUR festgesetzt worden ist, auferlegt.

Mit dem angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschluss hat die Rechtspflegerin die von der Klagepartei an die Beklagte zu erstattenden Kosten des Berufungsverfahrens antragsgemäß auf 2.748,42 EUR festgesetzt und dabei eine 1,6 Verfahrensgebühr gemäß der Nr. 3200 VV-RVG berücksichtigt.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer sofortigen Beschwerde. Zur Begründung wird ausgeführt, nur die Klägervertreterin habe in der Berufungssache eine Willenserklärung abgegeben bzw. Schriftsätze eingereicht. Das OLG habe daraufhin einen Beschluss gefasst. Wieso die Beklagte hier Kosten i.H.v. 2.748,42 EUR beansprucht habe, sei unverständlich, nachdem deren Anwälte keine Stellungnahme abgegeben hätten. Es seien also keine Kosten der Beklagten angefallen.

II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO).

Sie bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Die Rechtspflegerin hat zutreffend für die Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten der Beklagten im Berufungsverfahren eine 1,6 Verfahrensgebühr nach der Nr. 3200 VV-RVG zzgl. Post- und Telekommunikationspauschale (Nr. 7002 VV-RVG) und 19 % Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV-RVG) festgesetzt.

1. Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten haben zwar einen Antrag auf Zurückweisung der Berufung der Klägerin angekündigt, bevor diese begründet worden war. Eine derart "voreilige" Stellung eines Antrags auf Zurückweisung der Berufung hat nach der Rechtsprechung des BGH und des Senats grundsätzlich zur Folge, dass nur die Erstattung einer ermäßigten 1,1 Verfahrensgebühr gemäß der Nr. 3201 Anm. Nr. 1 VV-RVG verlangt werden kann (BGH NJW 2003, 2992 = FamRZ 2003, 1461; OLG München JurBüro 1994, 93 und JurBüro 2004, 380; AGS 2005, 520 = NJW-RR 2006, 503 = FamRZ 2006, 221; ebenso BAG NJW 2003, 3796). Die Berufungsbeklagte kann sich nämlich mit Inhalt und Umfang des Angriffs auf das erstinstanzliche Urteil erst dann sachlich auseinandersetzen und durch einen entsprechenden Gegenantrag sowie dessen Begründung das Verfahren fördern, wenn bereits eine Berufungsbegründung vorliegt (BGH NJW 2007, 3723 = FamRZ 2007, 1735 = MDR 2007, 1397).

2. Wenn aber - wie im vorliegenden Fall - das Rechtsmittel nach dem verfrühten Zurückweisungsantrag durch den Rechtsmittelführer noch begründet und die Berufung anschließend durch das Berufungsgericht nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen wird, kommt es nach der Rechtsprechung des BGH für die Erstattungsfähigkeit der 1,6 Verfahrensgebühr nach der Nr. 3200 VV-RVG nicht darauf an, ob der Rechtsmittelgegner den verfrüht gestellten Antrag wiederholt oder noch eine Rechtsmittelerwiderung abgegeben hat. Für die Erstattungsfähigkeit der angefallenen Kosten ist die zeitliche Reihenfolge der jeweiligen Anträge nämlich nach Meinung des BGH ohne Belang (BGH NJW 2009, 2220 = MDR 2009, 771 = FamRZ 2009, 1047; BGH JurBüro 2010, 649 = MDR 2010, 1157 = AGS 2010, 513; BGH AGS 2011, 44; BGH Beschl. v. ...

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