Leitsatz (amtlich)
Nimmt eine mit einer Klage oder einem Rechtsmittel überzogene Partei anwaltliche Hilfe in Anspruch, sind die hierdurch ausgelösten Kosten auch dann erstattungsfähig, wenn der Kläger/Rechtsmittelführer seine Anträge zwischenzeitlich zurückgenommen hat; dies gilt nur dann nicht, wenn die anwaltliche Hilfe suchende Partei oder ihr Vertreter von der Rücknahme weiß oder schuldhaft nicht weiß (Anschluss an BAG, Beschluss vom 18.04.2012 - 3 AZB 22/1; gegen BGH, Beschl. v. 25.02.2016 - III ZB 66/15).
Normenkette
ZPO § 91 Abs. 1, § 91 S. 1, § 91 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
AG Pfaffenhofen a.d. Ilm (Beschluss vom 05.04.2016; Aktenzeichen 002 F 443/15 eA) |
Nachgehend
Tenor
I. Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Beschwerdewert beträgt EUR 201,71.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten für eine Rechtsverteidigung.
Mit Schriftsatz vom 16.07.2015 beantragte die Antragstellerin eine einstweilige Anordnung, wonach ihr das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das gemeinsame Kind übertragen wird; gleichzeitig begehrte sie hierfür Verfahrenskostenhilfe.
Das AG vermisste zunächst substantiierten Sachvortrag und sah auch die Voraussetzungen für eine Gewährung von Verfahrenskostenhilfe nicht gegeben, bestimmte am 09.09.2015 aber doch einen Termin zur Anhörung; gleichzeitig verfügte es die Zustellung der Antragsschrift an den Antragsgegner, der diese am 12.09.2015 erhielt.
Mit Schreiben vom 14.09.2015, per Telefax bei Gericht am selben Tag eingegangen, nahm die Antragstellerin ihren Antrag zurück. Der Amtsrichter verfügte am 15.09.2015 die Übermittlung dieses Schriftsatzes an den Antragsgegner, am 16.09.2015 die Abladung. Die Verfügungen wurden am 21.09.2015 ausgeführt.
Am 23.09.2015 ging beim AG ein Schriftsatz der vom Antragsgegner zwischenzeitlich beauftragten Verfahrensbevollmächtigten vom 22.09.2015 ein, mit dem dem Antrag entgegengetreten und dessen Zurückweisung beantragt wurde; der Schriftsatz enthält auch eine nähere Begründung. Entsprechend dem Antrag des Antragsgegners vom 25.11.2015 legte das AG mit Beschluss vom 16.12.2015 aufgrund der Rücknahme der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens auf. Mit Festsetzungsgesuch vom 20.01.2016 machte der Antragsgegner die Kosten seiner Verfahrensbevollmächtigten geltend, wobei er eine 1,3 Verfahrensgebühr nebst Pauschale und Mehrwertsteuer ansetzt.
Auf Einwendungen der Antragstellerin hiergegen wiesen die Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners darauf hin, der Rücknahmeschriftsatz vom 14.09.2015 sei ihnen erst am 29.09.2015 zugestellt worden. Nachdem man keinerlei Kenntnis von der Antragsrücknahme gehabt habe, sei damit eine 1,3 Verfahrensgebühr erstattungsfähig.
Die Rechtspflegerin entsprach dem mit dem angefochtenen Beschluss unter Verweis darauf, die Antragsgegnervertreter hätten von der Rücknahme erst am 29.09.2015 Kenntnis erlangt.
Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, die diese im Wesentlichen damit begründet, zum Zeitpunkt der Beauftragung der Antragsgegnervertreter habe sie ihren Antrag bereits zurückgenommen; die Mandatierung sei damit objektiv nicht mehr erforderlich gewesen, auf eine entsprechende Unkenntnis der Beklagtenseite komme es nicht an. Eine Tätigkeit seiner Rechtsanwälte schon vor der Rücknahme habe der Antragsgegner nie behauptet.
Die gem. §§ 85 FamFG, 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg; entgegen dem - eine Rechtsmitteleinlegung betreffenden - Beschluss des BGH vom 25.02.2016 - III ZB 66/15 kann die Unkenntnis von der Rücknahme auf Beklagtenseite nicht übergangen werden.
1. Nach der Kostengrundentscheidung im Beschluss des AG vom 16.12.2015 hat die Antragstellerin die Kosten des Rechtsstreits zu tragen; festzusetzen sind die im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO "notwendigen" Aufwendungen. Nach § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind dabei die Gebühren des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei grundsätzlich zu erstatten; diese Kosten sind damit einer Überprüfung auf Notwendigkeit entzogen und gelten unabhängig von den konkreten Umständen stets als zweckentsprechend verursacht (vgl. BGH, Beschl. v. 20.05.2014 - VI ZB 9/13 Tz 9; Musielak-Flockenhaus, ZPO, 13. Aufl., § 91 Rn. 11 ff.; Hansens, RVGreport 16, 186, 188 li. Sp. unter V.1.).
2. Nach dem zitierten Beschluss des BGH vom 25.02.2016 sollen dagegen nur solche Maßnahmen notwendig im genannten Sinne sein, die "im Zeitpunkt ihrer Vornahme objektiv erforderlich und geeignet zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung erscheinen", s. aaO, Tz 8 m.w.N..
a) Konkret sei auf die Vornahme der kostenverursachenden Handlung abzustellen. Entscheidend sei, ob die Maßnahme objektiv noch erforderlich war oder nicht, auf eine verschuldete oder unverschuldete - Unkenntnis des Rechtsmittelbeklagten von der Berufungsrücknahme komme e...