Verfahrensgang
LG München I (Entscheidung vom 13.05.2009) |
Tenor
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 13. Mai 2009 aufgehoben. Der Angeklagte wird freigesprochen.
Die angeordnete Einziehung entfällt.
II. Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens und die dadurch entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten.
III. Eine Entschädigung für die Durchsuchung und die im Anschluss daran vollzogene Sicherstellung der im Urteil des Landgerichts München I vom 13. Mai 2009 näher bezeichneten Gegenstände wird nicht gewährt.
Gründe
Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen Urkundenfälschung in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen in Tateinheit mit Amtsanmaßung zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen verurteilt und die Einziehung der durch die Tat hervorgebrachten bzw. zu ihrer Begehung gebrauchten Gegenstände angeordnet. Die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht verworfen. Auf die Berufung des Angeklagten hat es den Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte der Urkundenfälschung in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen schuldig ist, und hat hierfür eine Geldstrafe von 70 Tagessätzen verhängt.
Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er in erster Linie einen Freispruch erstrebt. Die Revision des Angeklagten hat Erfolg. Die Staatsanwaltschaft hat ihre Revision in der Revisionshauptverhandlung zurückgenommen.
I. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
Der Angeklagte ist Mitglied einer Bewegung, die die rechtliche Existenz der Bundesrepublik Deutschland aus historischen Gründen anzweifelt. In diesem Zusammenhang wurde der Angeklagte am 10. Februar 2007 zum Reichsstatthalter ernannt und am 30. März 2007 bevollmächtigt, auf Grund des Reichsstatthaltergesetzes vom 30. Januar 1935 und des Gesetzes über das Pass-, Ausländerpolizei- und Meldewesen sowie über das Ausweiswesen vom 11. Mai 1937 im Inland, die als "allgemein polizeilichen Inlandsausweis" eingeführte Kennkarte für das Staatsgebiet des Deutschen Reiches auszustellen, bis in den jeweiligen Amtsbezirken der Umstand eingetreten ist, dass diese handlungsfähig geworden sind und sie diese Amtshandlung eigenständig durchführen können. Der Angeklagte geht davon aus, dass das Deutsche Reich fortbesteht.
Am 8. Mai 2007 fertigte der Angeklagte für sich und eine weitere Person mit Hilfe des bei ihm später sichergestellten Computers jeweils eine Kennkarte des Deutschen Reiches an, die auf dem Deckblatt den Aufdruck "Deutsches Reich" und "Kennkarte", allerdings nicht in der damals üblichen Sütterlinschrift, trägt und mit dem Reichsadler mit Hakenkreuz im Eichenlaubkranz versehen ist. Format und Farbgebung sowie Struktur des Papiers ähneln dem grauen, deutschen Führerschein älterer Jahre. Seite zwei der Kennkarte enthält die zutreffenden Personaldaten der Kennkarteninhaber.
Eine Rubrik für die Wohnanschrift fehlt. Die Kennkarten sind auf der das Lichtbild des Kennkarteninhabers tragenden Seite drei mit drei Dienstsiegeln gestempelt, die den Reichsadler mit Hakenkreuz im Eichenlaubkranz und die Inschrift "Polizeipräsidium München" tragen. Zwei Stempel sind auf dem Lichtbild angebracht, neben dem die Abdrücke des linken und rechten Zeigefingers des Kennkarteninhabers eingefügt sind.
Darunter befindet sich die Unterschrift des Kennkarteninhabers. Unter dem Ausstellungsdatum, dem 8. Mai 2007, ist der dritte Stempel aufgebracht. Daneben ist als "auszustellende" Behörde das "Polizeipräsidium München" vermerkt. Als ausfertigender Beamter ist der Angeklagte genannt.
Am 4. März 2008 befuhr der Angeklagte einen Radweg in falscher Richtung. Dem ihn anhaltenden Polizeibeamten zeigte er, um sich auszuweisen, die hergestellte Kennkarte, um darüber zu täuschen, dass sein Personalausweis abgelaufen war und er sich nicht ausweisen kann, und um über seine Identität zu täuschen. Da der Polizeibeamte die Kennkarte nicht akzeptierte, legte der Angeklagte seinen abgelaufenen Bundespersonalausweis vor.
Der Angeklagte wusste, dass er kein Beamter des Polizeipräsidiums München ist, dass er nicht berechtigt zum Ausstellen von Kennkarten ist und dass die von ihm ausgestellten Kennkarten in der Bundesrepublik Deutschland nicht als gültig anerkannt werden.
II. Die Revision des Angeklagten ist begründet.
1. Die Feststellungen des Landgerichts tragen die Verurteilung wegen Urkundenfälschung (§ 267 Abs. 1 StGB) nicht, denn der Angeklagte hat zur Täuschung im Rechtsverkehr weder eine unechte Urkunde hergestellt noch eine unechte Urkunde gebraucht.
a) Urkunde im Sinne dieser Vorschrift ist die verkörperte menschliche Gedankenerklärung, die geeignet und bestimmt ist, im Rechtsverkehr Beweis zu erbringen, und ihren Aussteller erkennen lässt (Fischer, StGB 56. Aufl. § 267 Rdn. 2 m. w. N.).
Aussteller ist diejenige aus der Urkunde erkennbare Person, die im Rechtsverkehr die Garantie für die Richtigkeit ihres Inhalts übernehmen soll (vgl. BGHSt 24, 140, 141).
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