Entscheidungsstichwort (Thema)
Reichweite der Konzentrationsmaxime bei weiterer Klage wegen eines anderen Patents
Leitsatz (amtlich)
1. Gemäß § 145 PatG kann, wer eine Verletzungsklage erhoben hat, gegen den Beklagten wegen derselben oder einer gleichartigen Handlung auf Grund eines anderen Patents nur dann eine weitere Klage erheben, wenn er ohne sein Verschulden nicht in der Lage war, auch dieses Patent in dem früheren Rechtsstreit geltend zu machen.
2. Auf den Fall, dass eine gleichartige Handlung aus demselben Patent angegriffen wird, ist § 145 PatG weder unmittelbar noch analog anwendbar.
3. Ein Kläger ist grundsätzlich nicht gehalten, sämtliche aus einem Schutzrecht folgenden Ansprüche in einem Prozess gegen einen Verletzer geltend zu machen. Er handelt daher nicht allein deshalb treuwidrig (§ 242 BGB), weil er gegen gleichartige Handlungen aus demselben Patent mit aufeinanderfolgenden Klagen vorgeht.
4. Für die Ermittlung der Reichweite der Rechtskraft vorangegangener Entscheidungen ist nach dem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff der erhobene Anspruch unter Würdigung der gestellten Anträge und des zu ihrer Begründung vorgetragenen Lebenssachverhalts maßgeblich. Für den Inhalt und die Reichweite des materiellen Klagebegehrens kommt es nicht allein der Wortlaut des Klageantrages an. Dieser ist vielmehr unter Berücksichtigung des zu seiner Begründung Vorgetragenen auszulegen (Anschluss an BGH GRUR 2012, 485 - Rohrreinigungsdüse II).
Normenkette
PatG § 145
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 17.10.2018; Aktenzeichen 21 O 18824/17) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 17.10.2018, Az. 21 O 18824/17, wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das Urteil des Landgerichts München I vom 17.10.2018, Az. 21 O 18824/17, wird ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt. Das vorliegende Urteil ist in Ziffer II. (Kostenentscheidung) vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.
IV. Die Revision zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.
sowie folgenden Beschluss
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.100.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen behaupteter mittelbarer Verletzung eines europäischen Patents für Flügel für ein Fenster oder eine Tür in Anspruch.
Die Klägerin ist (neben der Internationales F.-H. AG) (Mit-)-Inhaberin des europäischen Patents EP 1 373 672 B1, das am 02.04.2002 angemeldet und dessen Erteilung am 24.06.2009 veröffentlicht wurde (Anlage MB 7, nachfolgend: Klagepatent). Die dem Klagepatent zugrunde liegende Erfindung betrifft einen Flügel für ein Fenster oder eine Tür.
Die Beklagte zu 1) ist ein weltweit agierendes Unternehmen, das Fensterprofilrahmen unter anderem unter der Bezeichnung "E." fertigt und vertreibt, die in der weiteren Herstellungskette von deren Kunden zur Herstellung von Fenstern verwendet werden, indem sie u. a. mit Fensterscheiben verklebt werden. Die Beklagten zu 2) und 3) sind seit Oktober 2006 Geschäftsführer der Beklagten zu 1).
Über den Bestand des Klagepatents haben das Bundespatentgericht mit Urteil vom 01.08.2013 (Gz. 10 Ni 22/11 u. 26/11, Anlage MB 9) und in der Rechtsmittelinstanz der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 28.01.2016 (Gz. X ZR 130/13, Anlage MB 10) bereits entschieden. Eine weitere Nichtigkeitsklage hat das Bundespatentgericht mit Urteil vom 16.02.2017 abgewiesen (Gz. 7 Ni 10/15, Anlage MB 11).
Anspruch 1 des Klagepatents lautet nach Maßgabe des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 28.01.2016 (Gz. X ZR 130/13, Anlage MB 10) wie folgt:
"Flügel für ein Fenster oder eine Tür mit einem Profilrahmen (1), der einen eine Isolierverglasung (2) aufnehmenden Falz (3) mit einer die Isolierverglasung (2) stirnseitig umschließenden Umfangsfläche (6) und einer den Rand der Isolierverglasung (2) übergreifenden Falzfläche (12) bildet, mit einer Klebstoffschicht (7) nur an der den Stirnflächen der Isolierverglasung gegenüberliegenden Umfangsfläche, wobei die Klebstoffschicht die Isolierverglasung im Falz befestigt und einen Umfangsspalt (8) zwischen den Stirnflächen (5) der Isolierverglasung (2) und der diesen Stirnflächen (5) gegenüberliegenden Umfangsfläche (6) des Falzes (3) zumindest in Umfangsbereichen ausfüllt, dadurch gekennzeichnet, dass im Bereich einer der Falzfläche (12) zugekehrten Deckscheibe (11) der Isolierverglasung (2) mit Abstand vor der Falzfläche (12) ein in Umfangsrichtung verlaufender Begrenzungssteg (22) für die Klebstoffschicht (7) vorgesehen ist."
Die Ansprüche 7 bis 10 betreffend ein Verfahren zur Herstellung eines Flügels für ein Fenster oder eine Tür nach Anspruch 1 sind entfallen.
Im Rahmen der zwischen den Parteien bereits seit...