Verfahrensgang
LG Ingolstadt (Entscheidung vom 02.04.2008; Aktenzeichen 4 O 1424/06) |
Tenor
I.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 02.04.2008 wird zurückgewiesen.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern die Beklagten nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagten aus Arzthaftung in Anspruch.
Der am 31.05.1951 geborene Kläger, der an einer Depression litt, begab sich am 15.12.2003 zur stationären Behandlung in das Zentrum für Psychiatrie und Psychotherapie der Beklagten zu 1) in ..., dessen Chefarzt der Beklagte zu 2) ist. Der Kläger befand sich zunächst auf der offenen Station 18, dann vom 21.01.2004 bis 02.02.2004 auf der sogenannten Depressionsstation 28, anschließend wieder auf der offenen Station 18. Am 02.04.2004 verließ der Kläger die Station und wurde anschließend in Ingolstadt von der Polizei orientierungslos umherirrend aufgegriffen. Daraufhin wurde er wieder auf die Station 28 verlegt.
Der Kläger nahm während seines Aufenthalts in der Klinik der Beklagten zu 1) auch an einer Arbeitstherapie teil, die am 16.04.2004 vom Beklagten zu 3) geleitet wurde. An diesem Tag entfernte sich der Kläger vor dem Ende der Arbeitstherapie, das auf 15 Uhr 45 angesetzt war, unbemerkt aus dieser. Die Räumlichkeiten, in denen die Arbeitstherapie stattfand, waren zu diesem Zeitpunkt nicht ver- oder geschlossen.
Um 17 Uhr 02 wurde der Kläger in der E.straße in ..., nachdem er sich vom Gehsteig aus unmittelbar vor einen LKW auf die Fahrbahn begeben hatte, frontal von diesem erfasst. Der Kläger wurde bei dem Zusammenstoß schwer verletzt. Er erlitt unter anderem ein Schädelhirntrauma zweiten Grades, multiple Knochenbrüche im Gesichts- und Schädelbereich sowie eine Rippen- serienfraktur. Wegen einer schwerwiegenden Dauerschädigung des Klägers wurde dessen Ehefrau als Betreuerin bestellt.
In den Behandlungsunterlagen ist unter dem 07.04.2004 unter anderem folgendes vermerkt: "Ergebnis der Testpsychologie: Hinweis auf Frontalhirnstörung. Gespräch mit Pat. und Ehefrau über Symptomatik und Notwendigkeit weiterer Abklärung mit Schlafentzugs- EEG unter Tavor-Reduktion bzw. Absetzen. Pat. ausgeprägt affektlabil, weil er über die Feiertage nach Hause wollte. Ist einverstanden, über die Feiertage auf Station zu bleiben. Ausgang nur mit Angehörigen und PP zu seiner Sicherheit, da derzeit Steuerungsfähigkeit schwer einschätzbar. Von Suizidalität glaubhaft distanziert."
Der Kläger hat im ersten Rechtszug vorgebracht, dass am 07.04.2004 zwischen ihm und der Klinik als Reaktion auf den Vorfall vom 02.04.2004 vereinbart worden sei, dass der Kläger bis auf weiteres in einer geschlossenen Station unter ständiger Aufsicht stehen solle und er sich weder im Klinikum noch außerhalb allein frei bewegen dürfe. Die Beklagten hätten ihre Aufsichts- und Obhutspflicht schwerwiegend verletzt. Sie hätten auch gegen die vorgenannte Vereinbarung vom 07.04.2004 verstoßen. Die Beklagten hätten durch geeignete Maßnahmen verhindern müssen, dass der Kläger aus der Arbeitstherapie entweichen könne.
Die Station 28, auf welcher der Kläger sich außerhalb der Arbeitstherapiezeit aufgehalten habe, sei eine geschlossene Station gewesen.
Bei dem Vorfall vom 16.04.2004 habe es sich um einen Suizidversuch des Klägers gehandelt.
Die Beklagten zu 1) und zu 2) hafteten auch wegen Organisationsverschuldens. Ihnen falle zudem eine verzögerte Diagnosestellung zur Last.
Der Kläger hat im ersten Rechtszug beantragt:
1.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab 10.11.2004 zu bezahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch in Höhe von 280 000,00 EUR.
2.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ab 01.07.2006 eine jeweils im Voraus zum 01.01, 01.04, 01.07. und 01.10. eines jeden Jahres fällige monatliche Rente in Höhe von 890,00 EUR bis zum 31.12.2016 zu bezahlen.
3.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 30 181,15 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.
4.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche weiteren Schäden, die aus dem Vorfall vom 16.04.2004 im Zentrum der Beklagten zu 1 für Psychiatrische Gesundheit entstanden sind oder noch entstehen werden, zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder noch übergehen werden.
Die Beklagten haben beantragt,
Die Beklagten haben die Auffassung vertreten, dass ihnen kein Behandlungsfehler oder sonstiges haftungsbegründendes Verschulden anzulasten sei.
Sie haben vorgebracht,...