Leitsatz (amtlich)
Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr gemäß § 57 AktG bestimmen sich nach § 62 AktG. Der Verstoß gegen § 57 AktG führt nicht zur Nichtigkeit des Rückgewährgeschäfts gemäß § 134 BGB.
Eine Anwendung von § 112 AktG auf Fälle, bei denen das Geschäft nicht mit dem Vorstandsmitglied sondern mit einer Gesellschaft, an der das Vorstandsmitglied beteiligt ist, geschlossen wird, kommt nur in ganz engen Grenzen echter wirtschaftlicher Identität in Betracht.
Verfahrensgang
LG Augsburg (Entscheidung vom 05.05.2011; Aktenzeichen 9 O 1519/06) |
Nachgehend
Tenor
1.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 05.05.2011, Az. 9 O 1519/06, wird zurückgewiesen.
2.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Augsburg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4.
Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten darüber, ob die vom Kläger vertretene Schuldnerin noch Inhaberin der Geschäftsanteile an der Fa. A. Datenverarbeitungs GmbH, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Augsburg unter HRB ..., ist oder ob diese Geschäftsanteile wirksam auf die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin übertragen worden sind. Für den Fall einer wirksamen Übertragung der Geschäftsanteile beansprucht der Kläger die Rückübertragung an sich.
Die Schuldnerin, deren Insolvenzverwalter der Kläger ist, war Inhaberin aller Geschäftsanteile an der A. Datenverarbeitungs GmbH. Mit notariellem Kauf- und Abtretungsvertrag vom 27.09.1995 übertrug sie diese an die W. Holding GmbH, die Rechtsvorgängerin der Beklagten. Der Kaufpreis für die Anteile im Nennwert von einer Million DM betrug 1.257.000,-- DM. Zu seiner Ermittlung war ein Gutachten einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Auftrag gegeben worden, das den Unternehmenswert auf diesen Betrag beziffert hatte. Die W. Holding GmbH war Aktionärin der Schuldnerin.
Zum Zeitpunkt des Verkaufs und der Abtretung der Geschäftsanteile war Prof. Dr. Ignaz W. eines der Vorstandsmitglieder der Schuldnerin. Bei der Beurkundung des Kauf- und Abtretungsvertrags vom 27.09.1995 wurde die Schuldnerin allerdings nicht von ihm, sondern von zwei weiteren Vorstandsmitgliedern vertreten. Auf Seiten der Erwerberin handelte deren einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer Dr. Ralf W., Sohn von Prof. Dr. Ignaz W.
Am Stammkapital der Käuferin waren zum Zeitpunkt des Erwerbs Prof. Dr. Ignaz W. mit 24,99%, seine Ehefrau Sonja W. mit 9,07% und seine Kinder Nicole W., Dr. Ralf W. und Dr. Roy W. mit jeweils 17,06% beteiligt. Die beiden schweizerischen Aktiengesellschaften T. Verwaltungs AG und Management Holding AG hielten 7,84% bzw. 6,92% des Stammkapitals.
Während der Kläger vermutet, dass Aktionäre dieser beiden schweizerischen Aktiengesellschaften Mitglieder der Familie W. seien, gibt die Beklagte an, nicht zu wissen, wer die Aktien dieser beiden Gesellschaften hält.
Der Kläger hält den Kauf- und Abtretungsvertrag vom 27.09.1995 aus zwei Gründen für nichtig und zwar sowohl hinsichtlich der schuldrechtlichen Ebene (Kaufvertrag), als auch hinsichtlich des dinglichen Erfüllungsgeschäfts (Abtretung).
Der Kläger begründet dies zum einen damit, dass es sich bei dem Kauf- und Abtretungsvertrag vom 27.09.1995 in Wirklichkeit um eine verbotene Einlagenrückgewähr nach § 57 Abs. 1 AktG handele, und dass zum anderen die Verkäuferin nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen sei. Zwischen der Erwerberin und dem damaligen Vorstandsmitglied der Schuldnerin Prof. Dr. Ignaz W. bestehe eine wirtschaftliche Identität mit der Folge, dass die Verkäuferin in Wirklichkeit ein Geschäft mit einem ihrer Vorstandsmitglieder abgeschlossen habe, so dass sie richtigerweise nach § 112 AktG durch ihren Aufsichtsrat hätte vertreten werden müssen.
Zur Begründung des letztgenannten Arguments verweist der Kläger auf die vorstehend geschilderten Beteiligungsverhältnisse an der Erwerberin. Hinsichtlich der behaupteten verbotenenen Einlagenrückgewähr vertritt der Kläger die Ansicht, dass die an die Beklagte verkauften und abgetretenen Geschäftsanteile im September 1995 einen Wert von mehr als 7 Mio. DM bzw. ca. 3,7 Mio. EUR gehabt hätten. Es liege daher kein neutrales Drittgeschäft vor, sondern ein objektives Missverhältnis zum Nachteil der Schuldnerin, weshalb von einer verbotenen Einlagenrückgewähr auszugehen sei.
Das Landgericht hat zunächst ein Sachverständigengutachten zum Unternehmenswert eingeholt, das zum Stichtag 27.09.1995 auf einen Wert von 3.726.888,85 EUR kommt.
Gegen dieses Gutachten wendet die Beklagte ein, es berücksichtige nicht, dass das verkaufte Datenverarb...