Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Schadensersatzanspruch des Nachbarn für Beschädigung eines Baumes auf dem Nachbargrundstück
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1, § 823 II, § 910 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 923
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 25.11.2015; Aktenzeichen 30 O 10650/15) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des LG München I vom 25.11.2015, Az. 30 O 10650/15, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Dieses Urteil und das Endurteil des LG München I sind vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.
4. Die Revision wird zugelassen.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 12.546,50 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I. Die Klägerin verlangt Schadensersatz und Feststellung der Eintrittspflicht für künftige Schäden wegen der behaupteten Beschädigung einer Wildkirsche im Zuge von Arbeiten auf dem Nachbargrundstück im Jahr 2013.
Die Klägerin war früher Eigentümerin des Hausgrundstücks R.-str. 38 in M. Sie hat das Eigentum Anfang 2012 auf ihre Töchter übertragen und sich den Nießbrauch an dem nicht von ihr selbst bewohnten Anwesen vorbehalten. Ihre Töchter haben das Grundstück inzwischen veräußert; aufgrund Auflassung vom 3.12.2014 wurde am 17.3.2015 der jetzige Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Der Beklagte zu 2) bewohnt das benachbarte Grundstück R.-straße 36. Im Jahr 2013 beauftragte er die Beklagte zu 1) mit der Durchführung von Gartenbauarbeiten, unter anderem der Neuerrichtung eines Gartenhauses. Bei der Aushebung für das Fundament kappte die Beklagte zu 1) Wurzeln der Wildkirsche. Nach einem Sturm am 12.4.2014 teilte die Feuerwehr der Hausverwaltung der Klägerin am 14.4.2014 mit, dass der Baum zu kippen drohe. Aufgrund des Auftrags der Klägerin vom 15.4.2014 wurde der Baum im Mai 2014 gefällt; die Klägerin hat für das Fällen 1.750,50 EUR bezahlt.
Die Klägerin behauptet, bei den Aushubarbeiten für das Gartenhaus des Beklagten zu 2) seien drei wesentliche Wurzeln der Wildkirsche gekappt worden. Das habe dazu geführt, dass der Baum nicht mehr standfest gewesen sei. Ohne diesen Eingriff würde der Baum noch stehen. Es habe sich um einen Grenzbaum gehandelt mit einem Wert von 18.000 EUR. Sie beziffert den Schaden auf 11.546,60 EUR, nämlich Beseitigungskosten von 1.725,50, Gutachterkosten von 357,00 EUR, Kosten der für sie tätigen Hausverwaltung von 464,10 EUR und den hälftigen Wert des Baumes in Höhe von 9.000 EUR.
Sie hat beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 11.546,60 EUR nebst Zinsen zu verurteilen, ferner festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner alle noch anfallenden Kosten zu tragen haben, und die Beklagte zu 1) zur Zahlung außergerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 958,19 EUR nebst Zinsen zu verurteilen.
Die Beklagten haben Klagabweisung beantragt. Sie haben vorgetragen, der Stamm des Baumes sei von der Grenze 30 cm entfernt gewesen. Zur Herstellung des Fundamentes des Gartenhauses sei es erforderlich gewesen, zwei oberflächliche Wurzeln mit einem Durchmesser von 15 cm bzw. 7 cm an der Grenze zu kappen. Das habe keinen Einfluss auf die Standfestigkeit gehabt. Im Oktober 2013 seien auf dem Grundstück des Beklagten zu 2) auch hohe Nadelbäume gefällt worden, die der Wildkirsche bis dahin Windschutz geboten hätten. Sie bestreiten außerdem die Höhe der geltend gemachten Forderung.
Im Übrigen wird auf den Tatbestand der Entscheidung des LG Bezug genommen.
Das LG hat mit Urteil vom 15.11.2015 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das LG ausgeführt, Ansprüche aus unerlaubter Handlung bestünden nicht, denn der Eingriff in die Wurzeln sei aufgrund der unstrittig erforderlichen Gründungsarbeiten für das Gartenhaus nicht normwidrig. Es komme nicht darauf an, ob es sich um einen Grenzbaum handele. Bei einem solchen könnten Wurzeln schon aufgrund des Eigentumsrechts des handelnden Nachbarn abgeschnitten werden. Im Übrigen stehe das Recht aus § 910 BGB erst recht dem Miteigentümer eines Grenzbaums zu. Aus einer möglichen Verletzung der Baumschutzverordnung der Landeshauptstadt München könne die Klägerin keine Rechte herleiten.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Die Klägerin rügt mit der Berufung, das LG sei zu Unrecht nicht darauf eingegangen, ob die Wildkirsche ein Grenzbaum gewesen sei. Auf einen solchen fänden entgegen der Auffassung des LG keine Normen Anwendung, die andere Bäume auf dem Grundstück beträfen. Ohne Abklärung mit dem anderen Eigentümer könne ein Eigentümer nicht einfach über den Grenzbaum bestimmen. Das LG habe auch nicht beachtet, dass das Recht aus § 910 BGB seine Grenze finde, wo eine Baumschutzverordnung den Bestand des betroffenen Baumes schütze. Der Nachbar könne in Bezug auf Eingriffe und Beeinträchtigungen des Baumes nicht bess...