Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Deckung aus Betriebsschließungsversicherung in der Corona-Pandemie bei Fehlen einer "namentlichen" Erwähnung von Corona
Leitsatz (amtlich)
1. Bestimmen die Bedingungen einer Betriebsschließungsversicherung "Meldepflichtige Krankheiten oder Krankheitserreger im Sinne dieser Zusatzbedingungen sind die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 IfSG namentlich genannten Krankheiten oder Krankheitserreger" enthält die nachfolgende Benennung eine abschließende Aufzählung der versicherten Krankheiten und Krankheitserreger, sodass eine wegen SARS-CoV-2 bzw. COVID-19 angeordnete Betriebsschließung nicht unter den Versicherungsschutz fällt, wenn Corona in der Aufzählung nicht enthalten ist. (Rn. 90 - 100)
2. Eine derartige Klausel ist für den Versicherungsnehmer weder überraschend noch unangemessen benachteiligend; sie hält auch einer Transparenzkontrolle stand. (Rn. 108 - 115)
Normenkette
BGB § 305c Abs. 1, § 307 Abs. 1, § 313 Abs. 1; IfSG §§ 6-7
Verfahrensgang
LG Kempten (Urteil vom 25.02.2021; Aktenzeichen 31 O 1152/20 Ver) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 25.02.2021, Az.: 31 O 1152/20 Ver, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1. genannte Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin betreibt nach dem Konzept des Franchise-Systems X in Kempten einen Gastronomiebetrieb. Dieser hatte gewöhnlich sieben Tage die Woche (Sonntag bis Mittwoch von 17.00-24.00 Uhr, Donnerstag von 11.30-24.00 Uhr und Freitag und Samstag von 11.30-1.00 Uhr) geöffnet.
Die Klägerin hat bei der Beklagten mit Versicherungsbeginn zum 21.12.2017 eine sog. "Profi-Schutz Sach-Versicherung" abgeschlossen. Diese umfasst eine "Sach-Inhalts-Versicherung" und eine "Flexible Ertragsausfallversicherung". Vertragsbestandteil sind auch die auf dem Stand September 2014 befindlichen "Zusatzbedingungen für die Versicherung von Betrieben gegen Schäden aufgrund behördlicher Anordnung nach dem Infektionsschutzgesetz (Betriebsschließung) - 2008 (ZBSV 08)".
Die ZBSV 08 enthalten u.a. folgende Regelungen:
"§ 2 Versicherte Gefahren
1. Versicherungsumfang
Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 2)
a) den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen schließt; [...]
[...]
2. Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger
Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Zusatzbedingungen sind die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger:
a) Krankheiten:
[...]
b) Krankheitserreger:
[...]"
Corona bzw. das Coronavirus SARS-CoV-2 werden in den unter § 2 Nr. 2 lit. a), b) ZBSV 08 enthaltenen Aufzählungen nicht erwähnt. Für den Versicherungsfall sieht § 3 Nr. 1 lit. a) ZBSV 08 einen Anspruch des Versicherten auf Ersatz des - im Einzelnen nach Teil B § 2 Nr. 2 der Bedingungen zur Verbundenen Firmen-Sachversicherung - 2008 (VFS 08) zu berechnenden - Ertragsausfallschadens für eine Haftzeit von bis zu 30 Tagen vor. Ergänzend wird Bezug genommen auf "Anlage K 2."
Die Bayerischen Staatsministerien für Gesundheit und Pflege sowie für Familie, Arbeit und Soziales ordneten mit Allgemeinverfügung vom 16.03.2020 (BayMBl. 2020 Nr. 143) für den Zeitraum vom 18.03. bis 30.03.2020 u.a. an:
"3. Untersagt werden Gastronomiebetriebe jeder Art. Ausgenommen hiervon sind in der Zeit von 6.00 Uhr bis 15.00 Uhr Betriebskantinen sowie Speiselokale und Betriebe, in denen überwiegend Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle abgegeben werden. Ausgenommen ist zudem die Abgabe von Speisen zum Mitnehmen bzw. die Auslieferung; [...]"
Aufgrund dessen schloss die Klägerin am 17.03.2020 ihren Betrieb. Mit Schreiben vom 20.03.2020 (Anlage K 4) meldete sie der Beklagten die Betriebsschließung.
Die Bayerische Verordnung über Infektionsschutzmaßnahmen anlässlich der Corona-Pandemie (Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung - BaylfSMV) vom 27.03.2020 (BayMBl 2020 Nr. 158) regelte für den Zeitraum vom 31.03. bis 19.04.2020 u.a.:
"§ 2 Betriebsuntersagungen
(1) [...]
(2) Untersagt sind Gastronomiebetriebe jeder Art. Dies gilt auch für Gaststätten und Gaststättenbereiche im Freien (z.B. Biergärten, Terrassen). Ausgenommen ist di...