Entscheidungsstichwort (Thema)
Wettbewerbswidrige Internetplattform (ärztlicher Kostenvoranschlag)
Leitsatz (amtlich)
Das Betreiben einer Internetplattform, bei der sog. Forumsärzte die Möglichkeit erhalten, ein Kostenangebot oder einen Kostenvoranschlag eines Kollegen nachträglich - durch welche Einsparungen auch immer - ohne Untersuchung des Patienten zu unterbieten, kann wettbewerbswidrig sein.
Normenkette
UWG §§ 3, 4 Nr. 11, § 8; BerufsO für Zahnärzte § 8 Abs. 2
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 15.11.2006; Aktenzeichen 1 HK O 7890/06) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des LG München I vom 15.11.2006 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung der Kläger durch Sicherheitsleistung i.H.v. 112.000 EUR abwenden, wenn nicht die Kläger vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Gründe
gemäß § 540 ZPO:
I. Die Parteien streiten um die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit einer von der Beklagten betriebenen Internetplattform.
Die Kläger sind Zahnärzte in München bzw. Ingolstadt. Die Beklagte betreibt unter der Internetanschrift "2te-zahnarztmeinung.de" einen virtuellen Marktplatz nach folgenden tatsächlichen Kriterien:
Ein registrierter Patient, der ein geringfügiges Entgelt entrichtet, stellt den Heil- und Kostenplan bzw. den Kostenvoranschlag, den sein Zahnarzt erstellt hat, auf dem Internetportal öffentlich zur Verfügung, ohne dass der Urheber dieses Kostenplans bzw. Kostenvoranschlags genannt wird. Andere Zahnärzte können diesen Heil- und Kostenplan, bzw. Kostenvoranschlag, bewerten und ihre eigene Kostenschätzung innerhalb einer bestimmten Laufzeit abgeben. Nach Ablauf der Laufzeit werden dem Patienten die fünf preiswertesten Kostenschätzungen ohne Angabe von Namen und Adressen der Zahnärzte mitgeteilt. Entscheidet sich der Patient für eine bestimmte Kostenschätzung, teilt die Beklagte dem Zahnarzt die Kontaktdaten des Patienten mit und dem Patienten die Kontaktdaten des Zahnarztes. Die teilnehmenden Zahnärzte müssen, wenn der Patient sich daraufhin in ihre Praxis begibt und ein Behandlungsvertrag zustande kommt, der Beklagten ein Entgelt i.H.v. 20 % ihres Honorars entrichten. Die Patienten geben nach der Behandlung eine Beurteilung des betreffenden Zahnarztes auf der Plattform ab, bei der auch zu bewerten ist, wie gut sich der Zahnarzt an seine Kostenschätzung gehalten hat.
Auf Grund dieses von der Beklagten betriebenen Internetauftritts kommt es in ca. 1/3 aller Fälle zu einem Abschluss zwischen Patient und einem der teilnehmenden Zahnärzte.
Die Kläger waren in erster Instanz der Auffassung, dass der Betrieb dieses Internetportals ein Anstiften der Beklagten zum Verstoß gegen berufsrechtliche Vorschriften der Zahnärzte darstelle. Dabei lägen insb. Verstöße gegen die §§ 8 und 21 der Berufsordnung für die Bayerischen Zahnärzte (im Folgenden: BO) vor. Bei diesen Vorschriften handele es sich um sog. Marktverhaltensregeln i.S.v. § 4 Nr. 11 UWG.
Die Kläger beantragten, die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu zwei Jahren, wobei eine gegen die Beklagte festzusetzende Ordnungshaft an dem Geschäftsführer zu vollziehen ist, zu unterlassen, eine Internetplattform bereitzuhalten oder für eine Internetplattform zu werben, die wie folgt gekennzeichnet ist:
a) Patienten stellen ihren Heil- und Kostenplan (HKP) oder einen Kostenvoranschlag in den virtuellen Marktplatz ein.
b) Zahnärzte geben auf dem virtuellen Marktplatz für zahnärztliche Leistungen Kostenschätzungen auf die von den Patienten eingestellten HKP oder Kostenvoranschläge ab.
c) Den Parteien werden nach Ablauf einer bestimmten Zeit die fünf preiswertesten Kostenschätzungen der jeweiligen Zahnärzte mitgeteilt.
d) Die Zahnärzte bezahlen für die Nutzung des virtuellen Marktplatzes ein Nutzungsentgelt.
Die Beklagte beantragte:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beklagte war der Auffassung, die von ihr angebotene Plattform sei nicht wettbewerbswidrig. Sie trug vor, dass Einsparungen im Wesentlichen im Bereich der zahntechnischen Leistungen erfolgten und nicht beim zahnärztlichen Honorar selbst. Verstöße gegen die Berufsordnung wurden von der Beklagten in Abrede gestellt.
Mit der Plattform sei lediglich eine Dienstleistung angeboten worden, mittels derer die Preise der Zahnärzte für Zahnersatz für die Patienten transparent würden. Der Internetmarktplatz der Beklagten stelle auch keine Auktionsplattform dar. Nur in ca. 40 % der Fälle werde die günstigste Kostenschätzung gewählt. Lediglich in 1/3 der Fälle komme es überhaupt zu einer Behandlung des Patienten.
Mit Endurteil vom 15.11.2006 verurteilte das LG München I die Beklagte antragsgemä...