Leitsatz (amtlich)

1. Miet- und Pachtverträge sind sittenwidrig und nichtig, wenn Leistung und Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen und weitere sittenwidrige Umstände hinzutreten, wie etwa eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten, Ausnutzung der Unerfahrenheit des Partners u.Ä. Bei Miet- und Pachtverhältnissen ist grundsätzlich die ortsübliche Marktmiete/der ortsübliche Pachtzins zum Vergleich heranzuziehen.

2. Bei gewerblichen Miet- und Pachtverhältnissen wird ab einer Überschreitung von knapp 100 % des ortsüblichen Miet- oder Pachtzinses aus den objektiven Umständen auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten geschlossen. Ein Prozentsatz von 88 % reicht hierfür nicht aus, wenn es sich hierbei um einen Höchstwert handelt, bei dessen Berechnung alle Umstände zu Lasten des Verpächters berücksichtigt sind.

 

Normenkette

BGB § 138

 

Verfahrensgang

LG München (Aktenzeichen 5 O 6378/97)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des LG München II, 5. Zivilkammer, vom 17.12.2001 in Ziff. I dahin gehend abgeändert, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt werden, an die Klägerin 67.113,13 Euro nebst jeweils 7,5 % Zinsen aus 2.575,38 Euro für die Zeit vom 5.6.1997 bis 18.7.1997, 1.552,79 Euro seit 19.7.1997, jeweils 2.575,38 Euro seit 4.7.1997, 5.8.1997, 4.9.1997, 6.10.1997, 6.11.1997, 4.12.1997, 6.1.1998, 5.2.1998 und 5.3.1998, jeweils 2.597,77 Euro seit 5.4.1998, 6.5.1998, 5.6.1998, 4.7.1998, 5.8.1998, 4.9.1998, 6.10.1998, 5.11.1998, 4.12.1998, 7.1.1999, 4.2.1999, 4.3.1999, 7.4.1999, 6.5.1999, 5.6.1999 und 5.7.1999, 6.094,05 Euro seit 25.7.1997, 264,64 Euro seit 8.11.1999 und 3.773,31 Euro seit 2.2.2001, sowie 7,67 Euro vorgerichtliche Mahnauslagen zu bezahlen.

II. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

III. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von den Beklagten die Zahlung restlicher Pachtzinsen und abgerechneter Nebenkosten aus einem beendeten Pachtverhältnis sowie die Bezahlung von Getränkelieferungen.

Die Klägerin mietete in dem zu errichtenden Gebäudekomplex „An der Riviera” in M. mit Vertrag vom 20.2.1995 die zu errichtenden Ladenlokale Nr. 106 und 107. Mit Vertrag vom 18./29.3.1996 verpachtete die Klägerin das Ladenlokal Nr. 106 zur erstmaligen Nutzung an den Beklagten zu 1). Die Beklagte zu 2) trat dem Vertrag als Mithaftende bei. Die Vertragslaufzeit war bis zum 31.10.2005 befristet. Zur vertraglich vorgesehenen Nutzung als Bistro stellte die Klägerin dem Beklagten u.a. ein Getränkeschankbuffet, eine Getränkekühlzelle, eine Lüftungsanlage sowie die zum Betrieb erforderlichen Tische, Stühle und Sonnenschirme zur Verfügung.

Die Klägerin zahlte an den Vermieter für die Ladeneinheit Nr. 106 eine monatliche Bruttomiete von 4.290,08 DM. Im Pachtvertrag zwischen der Klägerin und den Beklagten wurde ein monatlicher Pachtzins von 4.380 DM zzgl. MwSt und eine Nebenkostenvorauszahlung von monatlich 410,20 DM zzgl. MwSt vereinbart.

Der Beklagte zu 1) eröffnete das Lokal am 7.6.1996 als „Elfi's Bistro”. Anfang September 1996 wurde im benachbarten Ladenlokal Nr. 107 eine Pizzeria eröffnet.

Der Pachtzins wurde bis einschl. Mai 1997 beglichen. Für den Monat Juni 1997 zahlten die Beklagten nur einen Teilbetrag von 2.000 DM und stellten dann die Zahlungen insgesamt ein.

Mit Schreiben seines anwaltlichen Vertreters vom 10.6.1997 erklärte der Beklagte zu 1) die außerordentliche Kündigung des Pachtverhältnisses und die Anfechtung des Pachtvertrages. Er bot den Abschluss eines Aufhebungsvertrages und die Räumung zum 30.6.1997 an. Auf dieses Angebot ging die Klägerin nicht ein.

Mit Schreiben vom 1.9.1997 kündigte der Beklagte zu 1) nochmals das Pachtverhältnis fristlos und erklärte „wegen Sittenwidrigkeit und aus jedem weiteren erdenklichen Rechtsgrund” die Anfechtung. Entsprechend der in diesem Schreiben gemachten Ankündigung wurde noch am gleichen Tag der Geschäftsbetrieb eingestellt.

Mit Schreiben ihres anwaltlichen Vertreters vom 8.9.1997 boten die Beklagten nochmals den Abschluss eines Aufhebungsvertrages gegen Erstattung der Investitionen an. Auch diesmal kam eine Vereinbarung nicht zustande.

Mit Schreiben vom 25.3.1998 stellten die anwaltlichen Vertreter der Klägerin eine Beendigung des Pachtverhältnisses in Aussicht, falls ein Nachpächter gefunden und eine Einigung über die Ablöse erzielt werden könne.

Im Verlauf des Rechtsstreits kündigte die Klägerin den Pachtvertrag mit Schriftsatz ihrer anwaltlichen Vertreter vom 15.6.1998. Die Beklagten verweigerten zunächst die Räumung, übersandten der Klägerin aber schließlich am 21.1.1999 die Schlüssel des Pachtobjekts, die es ab August 1999 wieder verpachten konnte.

Ab Eröffn...

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