Leitsatz (amtlich)
1. Ist die gem. § 411 HGB grundsätzlich dem Versender obliegende Verpackungspflicht ausdrücklich insoweit abbedungen, als der Frachtführer die Pflicht zur Verplanung einer von ihm zu transportierenden Sondermaschine übernommen hat, so haftet er für am Transportgut wegen der nicht vollständigen Verplanung durch Nässeeinwirkung entstandene Korrosionsschäden nach § 425 Abs. 1 HGB.
2. Auf einen Haftungsausschluss nach § 427 Abs. 1 Nr. 4 HGB kann sich der Frachtführer nur berufen, wenn die Schäden allein auf einer Vorschädigung des Transportguts beruhen. Unberührt bleibt jedoch der Einwand des § 425 Abs. 2 HGB.
3. Die Bewertung des Mitverschuldens des Absenders am Schaden gem. § 425 Abs. 2 HGB ist durch eine umfassende tatrichterliche Würdigung aller festgestellten Umstände und Sachverhalte gem. §§ 286, 287 ZPO vorzunehmen. Dabei ist für die Festlegung der Schadensbeteiligung nicht naturwissenschaftliche Gewissheit notwendig. Vielmehr ist der jeweilige Verursachungsbeitrag nach juristischen Maßstäben unter Abwägung aller maßgeblichen Kriterien zu ermitteln.
Normenkette
HGB § 425 Abs. 1-2, § 427 Abs. 1 Nr. 7, §§ 429-430; ZPO §§ 286-287
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 16.11.2005; Aktenzeichen 15 HKO 3126/03) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des LG München I vom 16.11.2005 abgeändert und erhält in Ziff. I. folgende Fassung:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 88.079,29 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 8 % über dem Basiszinssatz seit dem 23.7.2002 zu bezahlen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und bleibt die Klage abgewiesen.
II. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin ¼, die Beklagte ¾, von den Kosten der Nebenintervention trägt die Beklagte ¾, im Übrigen trägt die Nebenintervenientin ihre Kosten selbst.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin und die Beklagte können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin, die Nebenintervenientin oder die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin ist führender Verkehrshaftungsversicherer der Fa. Mü. (nachfolgend: Versicherungsnehmerin), einem Transportunternehmen. Sie ist an dem streitgegenständlichen Versicherungsvertrag mit der Versicherungsnehmerin zu 60 %, die M. Versicherungs AG und die T. Versicherungs AG mit jeweils 20 % beteiligt. Die Klägerin begehrt von der Beklagten, einem Spezialtransportunternehmen, Ersatz eines behaupteten Transportschadens.
Im Februar 2002 wurde die Versicherungsnehmerin von der ... Maschinen GmbH mit dem Transport einer Sondermaschine zur Herstellung von Ausgleichstanks für V. beauftragt. Der Transport sollte vom Gelände der Fa. Ka. in Ma. zur Fa. ... Maschinen GmbH in Ge. erfolgen. Die Versicherungsnehmerin beauftragte ihrerseits wiederum die Beklagte mit der Durchführung des Transports. Im schriftlichen Transportauftrag (vgl. Anlage 3) wurde u.a. festgelegt:
"Achtung: Diese Anlage muss komplett abgeplant werden!!!
Unbedingt zwei große Wurfplanen mitnehmen!!".
Die Beklagte wies ihren Kraftfahrer En. an, die Maschine mit zwei Planen sehr gut abzudecken. Am 25.2.2002 erfolgte der Transport der Maschine durch die Beklagte. Gegen 9:35 Uhr kam der Lkw der Beklagten bei der Fa. Ka. GmbH in Ma. an. Die Maschine, die zumindest teilweise eingefettet war, wurde zum Zwecke des Beladens aus der Maschinenhalle der Fa. Ka. in den Hof verbracht und dort auf den Lkw geladen. Während der Zeit des Beladens, ca. 30 Minuten, war die Maschine nicht abgedeckt und mindestens leichtem Regen bzw. Nieselregen ausgesetzt. Der Fahrer der Beklagten hatte zusammen mit Mitarbeitern der Fa. Ka. die Verplanung der Maschine auf den Lkw ausgeführt. Eine vollständige Abplanung der Maschine erfolgte jedoch nicht. Ausweislich des Transportauftrags (Anlage B 2) war das Beladen um 11:30 Uhr beendet, der Transport selbst erfolgte in der Zeit von 11:30 Uhr bis 15:45 Uhr. Während des Transports herrschte Schneeregen bzw. Regen, außerdem waren die Straßen gesalzen und nass, so dass sich Salzwasser auf der Fahrbahn befand. Die Maschine traf gegen 15:45 Uhr bei der.. Maschinen GmbH in Ge. ein. Bei Ankunft der Maschine wurde festgestellt, dass die Maschine nicht komplett abgeplant war und Nässe- sowie Korrosionsschäden aufwies. Noch am selben Tag wurde der Sachverständige Dipl.-Ing. Schw. mit der Begutachtung des Schadens beauftragt, nach Besichtigung am 26.2.2002 erstellte er am 7.4.2002 ein Schadensgutachten (vgl. Anlage 4).
Mit Schreiben vom 2.5.2002 und 22.7.2002 forderte die Klägerin die Beklagte auf, den eingeklagten Betrag zu zahlen. Zahlungen erfolgten durch die Beklagte nicht.
Die Klägerin trägt vor, sie habe Ansprüche auf Erstattung der von ihr an die Versicherungsnehmerin geleisteten 116.000 EUR (Schadensrechnung der Fa. ... Maschinen GmbH vom 4.4.2002, Anlage 5), sowie auf die Kosten für das Gutachten des Sachverständigen Schw. i.H.v...