Leitsatz (amtlich)

Leidet der Patient neben einem Bandscheibenvorfall an einer Osteochondrose, muss der Arzt darüber aufklären, dass deren Beschwerden durch eine Bandscheibenoperation nicht beseitigt werden können.

 

Verfahrensgang

LG Landshut (Urteil vom 22.03.2005; Aktenzeichen 43 O 1731/04)

 

Tenor

I. Das Urteil des LG Landshut vom 22.3.2005, Aktenzeichen 43 O 1731/04, wird in Ziff. 1. dahingehend abgeändert, dass der Beklagte verurteilt wird, an den Kläger 1.000 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz seit 29.6.2004 zu zahlen, und dass festgestellt wird, dass der Beklagte dem Kläger den durch die Durchführung der Operation vom 8.2.2000 verursachten materiellen Schaden zu ersetzen hat.

Die weiter gehende Klage wird ab- und die weiter gehende Berufung des Beklagten zurückgewiesen.

II. Von den Kosten der ersten Instanz tragen der Kläger 3/5 und der Beklagte 2/5.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 1/5 und der Beklagte 4/5.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger fordert vom Beklagten, einem niedergelassenen Neurochirurgen, Schmerzensgeld und die Feststellung der Schadenersatzpflicht für materielle Schäden wegen einer Bandscheibenoperation.

Der am 19.1.1948 geborene Kläger betreibt ein Baugeschäft mit Zimmerei. Er litt im Sommer 2001 an Rückenbeschwerden, die bis ins rechte Bein zogen. Eine konservative Behandlung verlief ohne Erfolg.

Eine am 11.1.2002 durchgeführte Kernspintomographie zeigte einen Bandscheibenvorfall im Bereich LWK 4/5.

Der Kläger suchte den Beklagten auf, der als Belegarzt am Kreiskrankenhaus Landshut Bandscheibenoperationen durchführt.

Der Beklagte empfahl eine Operation. Am 4.2.2002 unterzeichnete der Kläger eine formularmäßige "Einwilligung zu einem ärztlichen Eingriff" (Anlage B 1), in die der Beklagte handschriftlich verschiedene Risiken (u.a. "Querschnitt" und "Rezidiv") eingetragen und auf die Möglichkeit der (Fortsetzung der) konservativen Behandlung hingewiesen hatte. Auf die beim Kläger bestehende Osteochondrose und darauf, dass auf sie zurückzuführende Schmerzen mit einer Bandscheibenoperation nicht beseitigt werden konnten, machte der Beklagte nicht aufmerksam.

Am 8.2.2002 operierte der Beklagte im Bereich von LWK 4/5.

Der Kläger hat vorgetragen, die Operation sei nicht lege artis durchgeführt worden. Der Beklagte habe die bestehende Gefügelockerung, die eine Fusionsoperation erfordert hätte, nicht erkannt.

Der Beklagte habe erklärt, die Operation sei problemlos und führe zur völligen Schmerzfreiheit. Wäre er über die Osteochondrose aufgeklärt worden, hätte er sich nicht operieren lassen.

Die Beschwerden hätten sich nach der Operation wesentlich verschlimmert.

Auf der Baustelle benötige er einen ständigen Begleiter, da er auch einfache Baumeistertätigkeiten nicht mehr selbst durchführen könne.

Er leide praktisch permanent an Rückenschmerzen.

Der Kläger hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, mindestens 25.000 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz seit 8.2.2002, und festzustellen, dass der Beklagte dem Kläger jeden materiellen Schaden zu ersetzen hat, der auf der fehlerhaften Operation vom 8.2.2002 beruht.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Er hat vorgebracht, den Kläger ordnungsgemäß aufgeklärt und insb. auf die Möglichkeit eines Rezidivs hingewiesen zu haben. Auch bei Kenntnis der Osteochondrose hätte der Kläger wegen des bestehenden Leidensdruckes die Operation durchführen lassen.

Er habe davon ausgehen dürfen, dass die Beschwerden des Klägers auf den relativ großen Bandscheibenvorfall und nicht auf Osteochondrose, die keinen Krankheitswert gehabt habe, zurückzuführen gewesen seien.

Nach der Operation habe der Kläger nur über geringfügige Beschwerden geklagt.

Wieder aufgetretene Schmerzen seien nicht auf einen Restprolaps, sondern auf ein Rezidiv zurückzuführen.

Das geltend gemachte Schmerzensgeld sei überhöht.

Das LG Landshut gab der Klage nach der Erholung eines Sachverständigengutachtens des Neurochirurgen PD Dr. W. von der Neurochirurgischen Klinik und Poliklinik Großhadern der Universität M. und dessen mündlicher Anhörung mit Endurteil vom 22.3.2005 hinsichtlich eines Schmerzensgeldbetrages von 5.000 EUR und des Feststellungsantrags statt. Im Übrigen wies es die Klage ab. Das LG stützte die Verurteilung darauf, dass der Beklagte fehlerhaft eine Behandlung der Osteochondrose mittels einer Facetteninfiltration unterlassen habe. Hinsichtlich des Weiteren Inhalts der Entscheidungsgründe nimmt der Senat auf das Urteil Bezug.

Mit der Berufung verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Der Beklagte bringt vor, das LG habe den Sachverständigen missverstanden, als es das Unterlassen der Facetteninfiltration als therapeutische Maßnahme zur Schmerzlinderung ihm als Fehler zur Last gelegt habe. Es handele sich bei der Facettengelenksblockade um eine diagnostisch...

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