Leitsatz (amtlich)
1. Wird gegen eine Veröffentlichung im Internet ein Unterlassungsanspruch geltend gemacht, so gilt, wenn das TDG anwendbar ist, dessen Fassung bis zum Dezember 2001, wenn der Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb vor In-Kraft-Treten der Neuregelung abgeschlossen war.
2. Zur Frage des Aussagegehalts einer schlagzeilenartig aufgemachten Äußerung in einem Meinungsforum, deren Inhalt erst durch Aufsuchen weiterer Seiten erschlossen wird.
3. Ein Disclaimer kann die Haftung nach Deliktsrecht für Äußerungen im Internet nicht ausschließen. Er kann allenfalls als Distanzierung verstanden werden.
4. Die Erfüllung des Anspruchs aus § 5 Abs. 4 TDG a.F. auf Entfernung eines Inhalts beseitigt die Wiederholungsgefahr grundsätzlich nicht.
Normenkette
BGB §§ 823, 1004; MDStV § 5; TDG § 5 a.F.
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 34 O 12857/01) |
Tenor
I. Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das Endurteil des LG München I, 34. Zivilkammer, vom 4.10.2001 wird zurückgewiesen.
II. Die Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Zulässigkeit einer Äußerung im Internet. Die beklagte Einzelfirma betreibt unter der Bezeichnung „Pro-Verbraucher” wie sie sich ausdrückt „Internetauftritte” unter verschiedenen Domainnamen, z.B. unter www.vorsicht-nepp.de. Sie bezeichnet ihre Angebote als „Verbraucherschutzseiten”. Die Beklagte gestaltet die Seiten nicht vollständig selbst. Vielmehr können auch Dritte Beiträge einbringen. Es handelt sich nach Ansicht der Verfügungsbeklagten um ein „Diskussionsforum”. Gegenstand dieses Forums war das Vorgehen von „Online-Verlagen” (hier als Oberbegriff gebraucht) im Zusammenhang mit der Anwerbung von Kunden für ihre Online-Telefonbücher. Kunden von solchen Verlagen sahen sich (u.a.) infolge der Gestaltung der verwendeten Formulare getäuscht. Es wurden Rechtsstreitigkeiten geführt.
Unter anderem am 19.7.2001 enthielt eine der Unterseiten der Verfügungsbeklagten (Anlage ASt 2) folgenden Eintrag: „Online Verlag hat Prozess in Berlin verloren. Autor: W.K.”. Die Seite enthielt eine Zusammenstellung einer Fülle von weiteren Beiträgen, überwiegend in einer Zeile formuliert. Die beiden letzten Beitragstitel nehmen 2 Zeilen ein. Auf der streitgegenständlichen Zeile war ein Hyperlink unterlegt. Durch Anklicken kam man auf eine Seite überschrieben: „Thema Online Verlag hat Prozess in Berlin verloren”. Hier kam nach kurzem Text: „Lesen Sie näheres unter http://www.ergofilm.de/6Online/online.html”.
Durch Anklicken dieser Adresse kam man auf eine Seite der „Ergo Film + TV” mit der Überschrift: „Unterlagen und Infos zum Thema, „ONLINE VERLAGE”. Dort stand in dem Frame (Kasten) rechts oben u.a.: „6.9. Prozess gewonnen gegen Online/Raeder – Verzichtsurteil vor dem AG Berlin Charlottenburg.”
Die Verfügungsklägerin firmiert mit „Online Verlag GmbH”. Sie bezieht die Zeilen der beiden zuerst genannten Seiten auf sich. Es ist unstreitig, dass die Verfügungsklägerin keinen Prozess in Berlin verloren hat. Die Verfügungsbeklagte sieht die Bezeichnung „Online Verlag” als Gattungsbezeichnung, als Oberbegriff zu den einzelnen Verlagen an.
Das LG hatte den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung durch Beschluss abgewiesen. Auf Beschwerde hatte der Senat die beantragte einstweilige Verfügung erlassen. Auf Widerspruch der Verfügungsbeklagten hin hat das LG die einstweilige Verfügung des Senats bestätigt. Hiergegen richtet sich die Berufung der Verfügungsbeklagten. Es ist unstreitig, dass das Diskussionsforum von der Verfügungsbeklagten am 10.8.2001 vollständig entfernt worden ist.
Von einer weiteren Darstellung des Tatbestands wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Der Unterlassungsanspruch der Verfügungsklägerin ergibt sich aus § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB, jeweils in entsprechender Anwendung. Die Verfügungsbeklagte haftet als Störer i.S.v. § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB, bzw. als Gehilfe i.S.v. §§ 830, 840 BGB. Eine Haftungsbeschränkung ergibt sich nicht etwa aus § 5 TDG a.F. (oder der entsprechenden neuen Fassung des TDG) oder aus § 5 MDStV. Die erforderliche Wiederholungsgefahr ist gegeben.
1. Ist das TDG auf das vorliegende Meinungs-Forum anwendbar (vgl. Spindler in Hoeren/Sieber, Handbuch Multimedia Recht, Teil 29, Rz. 54 ff.), so gilt dessen § 5 Abs. 2 a.F. oder dessen § 11 S. 1 n.F. Die Verfügungsbeklagte handelte als Hostprovider; sie lässt die Nutzer deren Inhalte in das Netz stellen, diese Inhalte sind als für die Verfügungsbeklagte „fremd” i.S.d. TDG anzusehen. Einer Privilegierung der Verfügungsbeklagten würden i.Ü. auch § 5 Abs. 4 TDG a.F. oder § 8 Abs. 2 S. 2 TDG n.F. entgegenstehen.
a) Das EGG enthält zur Änderung des TDG keine Übergangsvorschriften. Ob für die Entscheidung über einen Unterlassungsanspruch wegen eines Verhaltens vor In-Kraft-Treten der Neufassung am 21.12.2001 noch die alte oder schon die neue Fassung anzuwenden ist, ist fraglich. Für die Anwendung der alten Fassung könnte spr...