Leitsatz (amtlich)
Schuldhafte Amtspflichtverletzung im Zusammenhang mit dem Widerruf der Zutrittsberechtigung zu den sicherheitsempfindlichen Bereichen eines Flughafens ggü. einem im Bodenverkehrsdienst tätigen ausländischen Arbeitnehmer
Normenkette
LuftVG § 29d; LuftVZÜV § 5 Abs. 2 Nr. 2; BVerfSchG § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Abs. 1-2; BGB § 839
Verfahrensgang
LG Landshut (Urteil vom 14.06.2005; Aktenzeichen 55 O 547/05) |
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des LG Landshut vom 14.6.2005 wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, falls nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger macht Amtshaftungsansprüche im Zusammenhang mit der Entziehung seiner Zutrittsberechtigung zum Sicherheitsbereich des Flughafens München geltend.
Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Er lebt seit 22 Jahren in Deutschland und ist als Arbeiter im Bodenverkehrsdienst bei der Flughafen München GmbH beschäftigt. Die Regierung von O. - Luftamt S. - hatte ihm nach Durchführung einer Zuverlässigkeitsprüfung im Jahr 1999 die hierfür erforderliche Zutrittsberechtigung zu den sicherheitsrelevanten Bereichen und Anlagen des Flughafens erteilt. Nach den Anschlägen vom 9.11.2001 stellte das Luftamt S. mit sofort vollziehbarem Bescheid vom 13.3.2002 fest, dass der Kläger nach § 29d Luftverkehrsgesetz (LuftVG) i.V.m. § 5 Abs. 2 Nr. 2 Luftverkehrs-Zuverlässigkeitsüberprüfungs-Verordnung (LuftVZÜV) nicht die erforderliche persönliche Zuverlässigkeit für den Besitz einer Zutrittsberechtigung zu den nicht allgemein zugänglichen bzw. sicherheitsempfindlichen Bereichen und Anlagen des Flughafens besitzt. Zugleich widerrief die Behörde die Zutrittsberechtigung und forderte den Kläger auf, den Flughafenausweis bis zum 21.3.2002 zurückzugeben. Dem kam der Kläger am 20.3.2002 nach.
Grundlage des Bescheides des Luftamtes war eine Mitteilung des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) vom 9.10.2001, wonach der türkische Verein ADÜTDF einen übersteigerten türkischen Nationalismus mit rassistischen Zügen vertrete und in der letzten Zeit sowohl im regionalen als auch im überregionalen Bereich eine erhebliche agitatorische Radikalisierung mit massiven ex-tremistischen Aussagen zu beobachten sei. Nach Auffassung des LfV gehe von Funktionären der extremistischen ADÜTDV ein abstraktes Gefährdungspotential aus. Der Kläger war von 1997 bis 1999 Mitglied in der Freisinger Ortsgruppe der ADÜTDF und zeitweise stellvertretender Vorstandsvorsitzender gewesen, wie er dem Luftamt bei seiner Anhörung am 18.12.2001 mitteilte.
Gestützt auf diese Informationen begründete das Luftamt S. den Bescheid im Wesentlichen wie folgt: Der Kläger sei derzeit nicht im Besitz der erforderlichen persönlichen Zuverlässigkeit nach § 29d Abs. 1 LuftVG. Nach § 5 LuftVZÜV bewerte die Luftfahrtbehörde die Zuverlässigkeit des Betroffenen auf Grund einer Gesamtwürdigung des Einzelfalls. In der Regel fehle es an der erforderlichen Zuverlässigkeit, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestünden, dass der Betroffene Bestrebungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 oder 3 Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG) verfolge oder unterstütze oder innerhalb der letzten 10 Jahre verfolgt oder unterstützt habe. Unter Bestrebungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 und 3 BVerfSchG seien Bestrebungen zu verstehen, die gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland gerichtet seien (Nr. 1) oder die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden würden (Nr. 3). Nach Einschätzung der Verfassungsschutzbehörden bedeute der islamische Fundamentalismus eine große Gefahr für die freiheitlich demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland, insb. im Hinblick auf seine weltweiten Expansionsbestrebungen. Gerade die internationale Luftfahrt sei seit geraumer Zeit und in unregelmäßigen Abständen Ziel von Anschlägen unterschiedlicher Gruppierungen, die überwiegend den religiösen, fundamentalistischen Kreisen zuzuordnen seien und sich ganz bewusst dazu bekennen würden. Die ADÜTDF - auch häufig als "Graue Wölfe" bezeichnet - vertrete nach den Erkenntnissen der Verfassungsschutzbehörden einen übersteigerten türkischen Nationalismus mit rassistischen Zügen. Angestrebt werde eine Großtürkei nach osmanischem Vorbild. Die ADÜTDF äußere in ihrer Publikation Türk Federasyon Bülteni vom Juni 2000 territoriale Ansprüche auf die ursprünglich zentralasiatische Heimat der Türken. Sie unterstütze im Bundesgebiet die politischen Ziele der extrem nationalistischen türkischen Partei der Nationalen Bewegung (MHP), die sich für eine nationalistische Ausrichtung der türkischen Gesellschaft einsetze und gesamt-türkische Ziele propagiere. Zielobjekt der ADÜTDF sei a...