Leitsatz (amtlich)
1. Hat die Finanzverwaltung einen nicht im Eigentum des Schuldners stehenden Gegenstand gepfändet und wird deshalb die Zwangsvollstreckung gerichtlich für unzulässig erklärt, hat sie den Gegenstand auf ihre Kosten wieder an den Ort der Pfändung zurückzubringen.
2. Der Wert des Nutzungsausfalls für einen beschlagnahmten Farbfernseher beläuft sich auf etwa 40 EUR monatlich.
Normenkette
BGB § 249
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 23.09.2009; Aktenzeichen 15 O 4631/08) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin hin wird das Urteil des LG München I vom 23.9.2009 dahingehend abgeändert, dass der Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 1.200 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 8.2.2008 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
II. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 82 % und der Beklagte 18 %. Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen die Klägerin 90 % und der Beklagte 10 %.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestands wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
Die Klägerin begehrt vom Beklagten Schadensersatz aus Amtshaftung wegen der Pfändung von im Eigentum der Klägerin stehenden Gegenständen durch das Finanzamt im Rahmen eines gegen einen Dritten geführten steuerrechtlichen Ermittlungsverfahrens.
Die Klägerin beantragt in der Berufungsinstanz:
I. Das Urteil des LG München vom 23.9.2009 - 15 O 4631/08, zugestellt am 5.10.2009, wird aufgehoben und der Beklagte verurteilt, an die Klägerin je 125 EUR monatlich vom 1.12.2005 bis 31.1.2008, insgesamt also 3.250 EUR zzgl. Zinsen zu 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB aus jeweils monatlich 125 EUR seit dem jeweils Monatsersten vom 1.12.2005 bis 31.1.2008 zu bezahlen.
hilfsweise:
Das Urteil des LG München vom 23.9.2009 - 15 O 4631/08, zugestellt am 5.10.2009, wird aufgehoben und der Beklagte wird verurteilt an die Klägerin je 125 EUR seit dem jeweils Monatsersten vom 1.10.2007 bis 31.1.2008, insgesamt also 500 EUR zzgl. Zinsen zu 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB aus jeweils monatlich 125 EUR seit dem jeweils Monatsersten vom 1.10.2007 bis 31.1.2008 zu bezahlen.
II. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 300 EUR an Fahrtkosten München/Beclean/München nebst Zinsen zu 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 2.12.2005 zu erstatten.
III. Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von den Aufwendungen für die Anmietung zur Nutzung der Geräte
- Farbfernseher Grundig SE 7056 PPO,
- Stereoanlage Sony CMT-EH 10 mit 2 Reflexboxen,
- Tischgrill Tchibo,
- Funktelefon Nokia 6230,
ab dem 1.2.2008 bis zum 31.12.2008 i.H.v. monatlich 125 EUR und ab dem 1.1.2009 i.H.v. monatlich 150 EUR zzgl. jeweils Zinsen zu 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem jeweils Monatsersten ab 1.2.2008 freizustellen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Klägerin ist aus § 839 Abs. 1 BGB teilweise begründet.
I.1. Dem Beklagten fällt eine Amtspflichtverletzung dahingehend zur Last, dass die Finanzverwaltung auch auf das Urteil des AG München vom 13.8.2007 hin, das die Zwangsvollstreckung in die streitgegenständlichen Sachen für unzulässig erklärt hatte, diese nicht in die Wohnung der Klägerin zurückgeschafft hat. Die Finanzverwaltung musste seit dem 13.8.2007 davon ausgehen, dass sie die Folgen der rechtswidrigen Pfändung beseitigen muss. Dazu war es nicht ausreichend, der Klägerin lediglich die Möglichkeit zur Abholung der Gegenstände zu eröffnen. Vielmehr war die Finanzverwaltung als actus contrarius zur Pfändung verpflichtet, der Klägerin die gepfändeten Gegenstände bis spätestens zum Anfang des nächsten Monats (1.9.2007) zurückzubringen. Dies konnte und musste die Finanzverwaltung auch erkennen.
2. Dagegen kann die Klägerin aus der Pfändung vom 17.11.2005 selbst keine Amtshaftungsansprüche herleiten. Zwar durften die streitgegenständlichen Sachen, wie aus dem amtsgerichtlichen Urteil vom 13.8.2007 ersichtlich, nicht gepfändet werden. Es fehlt jedoch am diesbezüglichen Verschulden des Beklagten. Zwar kann sich der Beklagte, da die Klägerin damals nicht mit dem Vollstreckungsschuldner verheiratet war, nicht auf die Eigentumsvermutung des § 1362 BGB berufen. Dennoch fehlt es, da die Klägerin am 17.11.2005, entgegen ihrem Vorbringen, der Pfändung nicht widersprochen hat, am Verschulden des Beklagten. Laut Pfändungsprotokoll hat die Klägerin nur bezüglich des gepfändeten Bargeldes ihr Eigentum geltend gemacht. Auch in der eidesstattlichen Versicherung der Klägerin vom 18.11.2005 und im Begleitschreiben ihres Bevollmächtigten vom gleichen Tag werden, abgesehen vom Handy, die streitgegenständlichen Sachen nicht erwähnt. Einem Amtshaftungsanspruch wegen rechtswidriger Pfändung stünde deshalb, neben dem unter 3. a) genannten Gesichtspunkte, auch der Rechtsgedanke der