Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmtheit eines heilmittelwerberechtlichen Unterlassungsantrags
Leitsatz (amtlich)
Ein heilmittelwerberechtlicher Unterlassungsantrag ist nicht hinreichend bestimmt i.S.v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn er die Erinnerungswerbung lediglich durch Nennung der in § 4 Abs. 6 Nr. 22 HWG genannten Merkmale vom Verbot ausnimmt.
Normenkette
HWG § 4 Abs. 1, 6; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 06.09.2006; Aktenzeichen 1 HKO 1513/06) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten werden das Endurteil des LG München I vom 6.9.2006 (Az. 1 HKO 1513/06) aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Beklagten ist mit dem angefochtenen Urteil untersagt worden, für zugelassene Arzneimittel ohne die nach § 4 Abs. 1 Nr. 1, 3-8 HWG vorgeschriebenen Pflichtangaben zu werben, es sei denn, es wird ausschließlich mit der Bezeichnung des Arzneimittels oder zusätzlich mit dem Namen, der Firma, der Marke des pharmazeutischen Unternehmers oder dem Hinweis: "Wirkstoff:" geworben. Dagegen wendet sie sich mit der Berufung.
Auf die tatsächlichen Feststellungen des LG im angefochtenen Urteil wird gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO mit folgenden Änderungen und Ergänzungen Bezug genommen:
Die Beklagte hält den Klageantrag für nicht hinreichend bestimmt, da er lediglich gesetzeswiederholend sei (BGH GRUR 2000, 438 - Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge). Mit einer solchen Tenorierung werde die Entscheidung darüber, ob eine Werbung gegen den Urteilsausspruch verstößt oder ob eine zulässige Erinnerungswerbung vorliegt, in das Vollstreckungsverfahren verlagert. Wertung könne nämlich auch dann noch als Erinnerungswerbung qualifiziert werden, wenn sie weitere Angaben als nur die in § 4 Abs. 6 Satz 2 HWG genannten enthalte, wie beispielsweise Angaben zu Packungsgrößen, Mengen und Preisen (BGH GRUR 1982, 684 - Arzneimittel-Preisangaben) oder graphische, farbliche und bildliche Elemente ohne eigene medizinisch relevante Aussagekraft. Weder bei der Verschiebung des ursprünglich die Erinnerungswerbung regelnden § 4 Abs. 5 HWG a.F. in den Abs. 6 im Rahmen des 4. Gesetzes zur Änderung des AMG, noch bei der Aufnahme des Hinweises auf den Wirkstoff in § 4 Abs. 6 HWG mit dem 8. Gesetz zur Änderung des AMG sei im Gesetzgebungsverfahren die Rede davon gewesen, dass abweichend zur damaligen BGH-Rechtsprechung eine abschließende Legaldefinition der Erinnerungswerbung geschaffen werden sollte. Dementsprechend habe der BGH nach der Gesetzesänderung an seiner Rechtsprechung festgehalten (BGH a.a.O. - Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge); dem folge aktuell auch das OLG Köln (MD 2007, 290 [292]). Durch den "insb."-Zusatz werde der Unterlassungsantrag nicht eingeschränkt, weshalb der Zusatz einem unbestimmten Antrag nicht zur Zulässigkeit verhelfen könne.
Die Klage sei jedenfalls mangels Wiederholungs- bzw. Begehungsgefahr unbegründet. Hinsichtlich der beworbenen Arzneimittel Arcoxia und Fosamax sei die Wiederholungsgefahr durch die abgegebenen strafbewehrten Unterlassungserklärungen entfallen, weil diese sich nicht nur auf die konkrete Verletzungsform bezögen. Denn auf beide Unterlassungserklärungen finde die Kerntheorie Anwendung. Bezüglich Fosamax fehle es bereits am Verstoß, weil es sich um Erinnerungswerbung handele. Der Hinweis auf die Existenz einer Vergleichsstudie stelle noch keine medizinisch relevante Angabe dar, da die Studie sich beispielsweise auch mit den durch die jeweilige Behandlung verursachten Kosten befasst haben könne. Es liege also lediglich eine zulässige Preisangabe vor. Für die übrigen zugelassenen Arzneimittel fehle es an einer Begehungs- und erst recht an einer Wiederholungsgefahr.
Die Beurteilung des Charakteristischen der konkreten Verletzungshandlung durch das LG, nämlich dass dies nicht die jeweiligen konkreten Medikamente seien, sondern die Tatsache, dass es sich um zugelassene Arzneimittel i.S.v. § 21 AMG handele, sei rechtsfehlerhaft. Zur Bestimmung des Charakteristischen einer Verletzungshandlung sei darauf abzustellen, von welchen Elementen der Werbung eine Lockwirkung ausgehe (BGH GRUR 1984, 593 - adidas-Sportartikel; GRUR 1996, 800 - EDV-Geräte). Lasse sich dadurch eine Verallgemeinerung nicht begründen, seien Verallgemeinerungen auf andere Produkte nur zulässig, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass für diese Produkte ebenfalls wettbewerbswidrig geworben werden könnte (BGH GRUR 1992, 320 - R.S.A./Cape).
Von den beiden Arzneimitteln gehe aufgrund der unterschiedlichen zugelassenen Anwendungsgebiete eine unterschiedliche Lockwirkung aus. Damit sc...