Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatzansprüche unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflichtverletzung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Hebt ein Handwerksbetrieb auf einer in einem Innenhof gelegenen Baustelle einen metertiefen Graben über die gesamte Breite des Innenhofs aus und ergreift er keine adäquaten Maßnahmen zur Sicherung der Gefahrenquelle, so haftet er aufgrund schuldhafter Verletzung seiner Verkehrssicherungspflicht gegenüber einem Dritten auf Schadensersatz, der bei Dunkelheit in den Graben stürzt.

2. Den Eigentümer eines Grundstücks trifft eine eigene Verkehrssicherungspflicht für Gefahren, die von dem Grundstück ausgehen, die auch dann nicht vollständig entfällt, wenn sie einem Dritten (hier: einer Generalunternehmerin für Bauarbeiten) übertragen wurde. Der Eigentümer bleibt vielmehr zur Überwachung und Instruktion verpflichtet und haftet gegeüber dem geschädigten Dritten auf Schadensersatz, wenn er keine ausreichenden Sicherungsmaßnahmen angewiesen hat.

3. Ein Anspruchsübergang gem. § 116 Abs. 1 SGB X setzt voraus, dass der Träger der Sozialversicherung Sozialleistungen zu erbringen (nicht: erbracht) hat.

 

Normenkette

BGB §§ 286, 288, 291, 425 Abs. 2, § 823 Abs. 1, § 840 Abs. 1; SGB X § 116; VVG § 100

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 18.08.2017; Aktenzeichen 29 O 13574/16)

 

Tenor

1. Auf die Berufungen der Klägerin werden das Urteil des Landgerichts München I vom 18.8.2017 und das Schlussurteil des Landgerichts München I vom 29.9.2017 (jeweils Az.: 29 O 13574/16) abgeändert.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 8.840,42 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 6.9.2016 sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.320,23 EUR vom 31.3.2012 bis zum 5.9.2016 zu bezahlen.

3. Die Beklagte zu 1 wird darüber hinaus verurteilt, an die Klägerin weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 8.840,42 EUR vom 27.3.2012 bis zum 30.3.2012 und aus 6.520,19 EUR vom 31.3.2012 bis zum 5.9.2016 zu bezahlen.

4. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin alle weiteren unfallbedingten und übergangsfähigen Aufwendungen zu 50% zu erstatten, die diese aus Anlass der Verletzung ihres Versicherten, M.L. A., P.straße 114, M. vom 4.11.2009, Unfallort D.straße 20, M. nach den gesetzlichen Vorschriften, insbesondere des SGB X erbringen muss.

5. Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.

6. Die weitergehende Berufung gegen das Urteil vom 18.8.2017 wird zurückgewiesen.

7. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

8. Der Streithelfer zu 2 hat seine notwendigen Auslagen selbst zu tragen.

9. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

10. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

A. Die Klägerin macht gegen die Beklagten aus übergegangenem Recht Schadensersatzansprüche unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflichtverletzung geltend.

Die Klägerin ist ein Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Zeuge L. A. unterliegt der Unfallversicherung bei der Klägerin. Der Zeuge war zur Unfallzeit als Koch in einem spanischen Lokal tätig, welches rückseitig an den Innenhof des im Tenor genannten Anwesens grenzt. In diesem Innenhof fanden im November 2009 Bauarbeiten statt, welche die Beklagte zu 1 als Grundstückseigentümerin bei der Beklagten zu 2 als Generalunternehmerin in Auftrag gegeben hatte. Die Beklagte zu 2 hatte wiederum für die Erdarbeiten den Streithelfer zu 2 eingeschaltet. Am 4.11.2009 hatte der Streithelfer zu 2 einen metertiefen Graben quer über den genannten Innenhof ausgehoben. In diesen Graben stürzte der Zeuge L. A., als er einen leeren Pappkarton aus dem Restaurant zu der im Innenhof gegenüber befindlichen Papiermülltonne bringen wollte, und zog sich dabei diverse Verletzungen, vor allem im Gesichtsbereich zu. Die Klägerin steht auf dem Standpunkt, sie könne von den Beklagten die Erstattung der von ihr unfallbedingt erbrachten Leistungen sowie die Feststellung der Pflicht zur Erstattung von Zukunftsschäden verlangen.

Die Klägerin hat beantragt, 1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 17.680,83 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 27.3.2012 zu zahlen. 2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin alle weiteren unfallbedingten und übergangsfähigen Aufwendungen zu erstatten, die diese aus Anlass der Verletzung ihres Versicherten, M. L. A., P.straße 114, ... M. vom 4.11.2009, Unfallort: D.straße 20, ... M. nach den gesetzlichen Vorschriften, insbesondere des SGB X erbringen muss.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 18.8.2017 abgewiesen. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe dieses Urteils wird Bezug genommen. Mit ihrer zulässigen, insbesondere form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung verf...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge