Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässige Werbung für ein Nahrungsergänzungsmittel mit gesundheitsbezogenen Angaben
Leitsatz (amtlich)
1. Ist eine Produktbezeichnung aus zwei Bestandteilen zusammengesetzt und lautet der erste Bestandteil "Bio", so kann der Verkehr hieraus den Schluss ziehen, dass es sich um ein "Bio-Produkt" handelt. (Rn. 11 - 13)
2. Wird in dem Namen eines Nahrungsergänzungsmittels eine bekannte Abkürzung einer Krankheit aufgenommen, so kann der Eindruck entstehen, dass das Nahrungsergänzungsmittel der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung dient. (Rn. 17 - 20)
3. Die Angabe, ein Nahrungsergänzungsmittel enthalte "natürliche Darmbakterien" stellt eine unzulässige Werbung mit einer Selbstverständlichkeit dar. (Rn. 22)
Normenkette
HCV Art. 2 Abs. 2 Nr. 5, Art. 10 Abs. 1; LMIV Art. 7 Abs. 1a, 4; UWG § 3a
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 01.03.2019; Aktenzeichen 1 HK O 14510/18) |
Tenor
A. Auf die Berufung des Antragstellers wird das Urteil des Landgerichts München I vom 01.03.2019 abgeändert und wie folgt gefasst:
I. Der Antragsgegnerin wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der zukünftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem Vorstand, untersagt, im geschäftlichen Verkehr
1. die Bezeichnung "B. Stress" zu verwenden und/oder verwenden zu lassen, sofern dies geschieht, wie in Anlage A 3 abgebildet;
2. die Bezeichnung "B. AAD Plus" zu verwenden und/oder verwenden zu lassen, sofern dies geschieht, wie in der Anlage A3 abgebildet;
3. das Präparat "B. AAD Plus" mit der Angabe "bei Antibiotika assoziiertem Durchfall" und/oder "80 Milliarden aktive und natürliche Darmbakterien" zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, jeweils sofern dies geschieht, wie in Anlage A 3 abgebildet;
4. das Präparat "B. Immun" mit der Angabe "70 Milliarden aktive und natürliche Darmbakterien" zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, jeweils sofern dies geschieht, wie in Anlage A 3 abgebildet;
5. das Präparat "B. Stress", mit der Angabe "70 Milliarden aktive und natürliche Darmbakterien" zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, jeweils sofern dies geschieht, wie in Anlage A 3 abgebildet;
6. das Präparat "B. Basis" mit der Angabe "10 Milliarden aktive und natürliche Darmbakterien" zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, jeweils sofern dies geschieht, wie in Anlage A 3 abgebildet;
7. das Präparat "B. Basis" mit der Angabe "für die tägliche Balance" zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, jeweils sofern dies geschieht, wie in Anlage 3 abgebildet
((Abbildungen))
8. für die Präparate "B. Stress", "B. AAD Plus, "B.Immun", und/oder "B. Basis" mit folgenden Angaben zu werben und/oder werben zu lassen
"aktive & natürliche Darmbakterien", jeweils sofern dies geschieht, wie in der Werbebroschüre in Anlage 4 abgebildet;
9. für die Präparate "B. Stress", "B. AAD Plus" und "B. Immun" mit folgenden Angaben zu werben und/oder werben zu lassen
9.1 "B. enthält einen einzigartigen Multi Bakterien-Komplex aus bis zu 70 Milliarden aktiven & natürlichen Darmbakterien (...)",
9.2 "Für eine effiziente Besiedelung des Darms",
9.3 "Bis zu 70 Milliarden Bakterien. Weil mehr besser ist.",
9.4 "Höhere Dosis - bessere Wirkung!",
9.5 "Multi-Bakterien-Komplex mit 70 Milliarden aktiven & natürlichen Darmbakterien (...)"
9.6 "Beim Menschen gibt es in verschiedenen Indikationen Hinweise auf eine höhere Wirksamkeit von Multistrain-Probiotika im Vergleich zu ihren Einzelkomponenten",
9.7 "Bei AAD ergaben sowohl Meta-Analysen als auch spezielle Studien zur Dosis-Wirkungs-Beziehung durchweg eine größere Wirkung bei höheren Dosen"
und/oder
9.8 "Hochdosiert: 70 Milliarden aktive & natürliche Darmbakterien"
jeweils sofern dies geschieht, wie in der Werbebroschüre in Anlage A 4 abgebildet;
10. für das Präparat "B. AAD Plus" mit folgender Angabe zu werben und/oder werben zu lassen
"Die Innovation jetzt auch in Deutschland";
jeweils sofern dies geschieht, wie in der Werbebroschüre in Anlage A 4 abgebildet;
((Abbildungen))
II. Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtstreits erster Instanz werden gegeneinander aufgehoben.
B. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Tatbestand
I. Von einem Tatbestand wird gemäß § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
II. Die Berufung des Antragstellers ist zulässig und teilweise begründet. Im Einzelnen:
1. Der Verfügungsgrund wird gemäß § 12 Abs. 2 UWG vermutet. Der Antragsteller hat vorgetragen, dass er von den streitgegenständlichen Werbeaussagen in den Flyern A3 und A4 am 24.09.2018 Kenntnis erlangt hat. Er hat innerhalb eines Monats, nämlich bereits am 17.10.2018 den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung eingereicht. Die Dringlichkeitsvermutung ist somit nicht widerlegt.
2. Die Aktivlegitimation des Klägers ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG gegeben.
3. Im Hi...