Leitsatz (amtlich)
Die Bindungswirkung einer Verweisung entfällt ausnahmsweise bei Willkür. Dafür genügt es nicht, dass der Beschluss inhaltlich falsch ist. Vielmehr kann Willkür nur dann angenommen werden, wenn der Beschluss unter Verletzung des rechtlichen Gehörs ergangen ist oder ihm jede rechtliche Grundlage fehlt oder die Entscheidung bei verständiger Würdigung nicht mehr nachvollziehbar erscheint und unhaltbar ist. Dies kann nicht angenommen werden, wenn die Entscheidung Rechtsmeinungen vertritt, die zum Teil in der Literatur und Rechtsprechung vertreten werden.
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 95 O 117/09) |
Tenor
Als örtlich zuständiges Gericht wird das LG Berlin bestimmt.
Gründe
1. Die Voraussetzungen für eine Bestimmung der Zuständigkeit nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor. Sowohl die 1. Kammer für Handelssachen des LG Magdeburg als auch die Kammer für Handelssachen 95 des LG Berlin haben sich jeweils in unanfechtbaren Beschlüssen für örtlich unzuständig erklärt. Das OLG Naumburg ist gem. § 36 Abs. 2 ZPO zur Entscheidung des Zuständigkeitskonfliktes berufen, weil das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der BGH ist und das LG Magdeburg zuerst mit der Sache befasst war.
2. Das LG Berlin ist für die vorliegende Klage gem. § 17 Abs. 1 ZPO örtlich zuständig, weil sich der allgemeine Gerichtsstand der Beklagten in Berlin befindet. Für das LG Magdeburg käme eine Zuständigkeit gem. § 29 ZPO in Betracht.
3. Im Rahmen der Bestimmung des zuständigen Gerichts gem. § 36 ZPO sind allerdings nicht nur die allgemeinen Zuständigkeitsvorschriften, sondern auch verfahrensrechtliche Bindungswirkungen, insb. § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO zu beachten. Die Bindungswirkung des ersten Verweisungsbeschlusses wirkt daher grundsätzlich im Bestimmungsverfahren fort (vgl. BGH, NJW-RR 1993, 1091; 1994, 126; BayObLG NJW-RR 2001, 646, 647; Zöller/Vollkommer, 28. Aufl. 2010, § 36 Rz. 28 m.w.N.).
Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH kann ein Verweisungsbeschluss nur dann ausnahmsweise nicht hingenommen werden, wenn er auf Willkür beruht (vgl. BGHZ 71, 729, NJW 2003, 3201). Hierfür genügt es jedoch nicht, dass der Beschluss inhaltlich falsch ist. Denn eine unrichtige Rechtsanwendung allein schließt die Bindungswirkung der Verweisung nicht aus (vgl. BGH NJW-RR 1994, 1126; BayObLGZ 1985, 391 und, a.a.O.). Die Annahme der Willkür setzt vielmehr voraus, dass dem Beschluss jede rechtliche Grundlage fehlt (vgl. BGH NJW 1993, 1273) oder die Entscheidung bei verständiger Würdigung nicht mehr nachvollziehbar erscheint und unhaltbar ist (vgl. BGH, MDR 2002, 1450 f.; BVerfGE 29, 45, 49; BGH MDR 1996, 1032). Die Bindungswirkung der Verweisung kann auch aus verfahrensrechtlichen Gründen entfallen (vgl. BGH, NJW 1962, 1819; Zöller/Greger, 28. Aufl. 2010, § 281 Rz. 16 m.w.N.), insb. bei Missachtung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).
4. Legt man diesen Maßstab an, kann dem Verweisungsbeschluss des LG Magdeburg vom 24.11.2009 entgegen der Ansicht des LG Berlin die Bindungswirkung des § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO nicht versagt werden:
a) Obwohl der Senat mit dem BGH (vgl. BGHZ 94, 156, 158; BGH, NJW 2009, 1974) der Auffassung ist, dass die Gerichtsstandsregelung des § 18 Nr. 1 VOB/B nach ihrer Entstehungsgeschichte, nach ihrem Sinn und Zweck und vor allem nach ihrem Wortlaut auf private Auftraggeber nicht anwendbar ist, wird die gegenteilige Ansicht sehr wohl in der Literatur und teilweise auch in der Rechtsprechung vertreten (vgl. die Nachweise bei Joussen in Ingenstau/Korbion, 16. Aufl., § 18 Nr. 1 VOB/B Rz. 17 f. m.w.N.). Indem die Kammer für Handelssachen des LG Magdeburg sich dieser Gegenmeinung angeschlossen hat, hat sie eine vertretbare Rechtsposition eingenommen. Jedenfalls rechtfertigt die hergestellte Analogie nicht den Vorwurf der Willkürlichkeit.
b) Gleiches gilt auch, soweit das LG Magdeburg die Auffassung vertritt, § 18 Nr. 1 VOB/B enthalte die Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtsstandes.
Da sich der Erfüllungsort nach § 29 ZPO im vorliegenden Fall im Bezirk des LG Magdeburg befindet, eine besondere Zuständigkeit also begründet ist, ist die Verweisung an das LG Berlin nur dann rechtlich zulässig, wenn der dort aufgrund der Gerichtsstandsvereinbarung denkbare besondere Gerichtsstand nach § 18 Nr. 1 VOB/B als ein ausschließlicher Gerichtsstand anzusehen wäre. Denn nur unter dieser Voraussetzung konnte das LG Magdeburg die eigene Zuständigkeit verneinen. Auch insoweit teilt der Senat zwar die Auffassung des LG Magdeburg nicht, § 18 Nr. 1 VOB/B enthalte ohne weiteres und selbst bei privaten Auftraggebern die Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtsstandes. Jedoch wird auch diese Ansicht in der Rechtsprechung vertreten (vgl. OLG Stuttgart, BauR 1999, 683 f.). Auch insoweit kann deshalb nicht von einer unverständlichen Rechtsansicht des LG Magdeburg oder einer offensichtlichen Rechtswidrigkeit ausgegangen werden.
c) Der von dem LG Berlin in seinem Beschl. v. 18.12.2009 erhobene Vorwurf, das LG Magdeburg habe sich m...