Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe im Scheidungsverbundverfahren: Fortwirkung des Prozesskostenhilfebeschlusses bei Abtrennung einer Entscheidung zum Versorgungsausgleich

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wurde im Rahmen eines Scheidungsverfahrens einer Partei Prozesskostenhilfe bewilligt und sodann die Entscheidung über den Versorgungsausgleich abgetrennt, so wirkt die Prozesskostenhilfe für diesen Teil des Verfahrens fort. Für einen erneuten Prozesskostenhilfeantrag im Verfahren über den Versorgungsausgleich fehlt es damit an einem Rechtsschutzbedürfnis.

2. Etwas anderes gilt aber für solche abgetrennte Verfahren über den Versorgungsausgleich, die zwar vor dem 1.9.2009 ausgesetzt, aber erst danach weiter verhandelt wurden und deshalb nunmehr den Regelungen des Versorgungsausgleichsgesetzes unterliegen. Diese Verfahren werden als selbständige Familiensachen behandelt, weshalb eine erneute Bewilligung von Prozesskostenhilfe für diese Verfahren möglich ist.

 

Normenkette

VersAusglG § 50 Abs. 1 S. 2; FamFG § 76 Abs. 1; FGG-RG Art. 111 Abs. 4; ZPO § 114; VAÜG § 2 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

AG Naumburg (Beschluss vom 01.02.2010)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG - Familiengerichts - Naumburg vom 1.2.2010 in Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses vom 15.2.2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Familiengericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin hat am 27.11.2001 beim Familiengericht einen Antrag auf Ehescheidung anhängig gemacht und um Prozesskostenhilfe nachgesucht. Mit Beschluss vom 4.1.2002 hat ihr das Familiengericht Prozesskostenhilfe bewilligt und ihr ihren jetzigen Rechtsanwalt beigeordnet (§ 608 i.V.m. §§ 114 ff. ZPO). Mit Verfügung vom 22.2.2002 hat das Familiengericht von Amts wegen als Folgesache das Versorgungsausgleichsverfahren eingeleitet (§ 623 Abs. 1 Satz 1 und 3 ZPO). Mit einem am 18.10.2002 verkündeten Urteil wurde die Ehe der Parteien geschieden und der Versorgungsausgleich gem. § 2 Abs. 1 Satz 2 des Versorgungsausgleichsüberleitungsgesetzes (VAÜG) ausgesetzt. Das Urteil wurde infolge Rechtsmittel- und Anschlussrechtsmittelverzichts sofort rechtskräftig.

Nachdem am 1.9.2009 das VAÜG außer Kraft und das Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG) in Kraft getreten war (Art. 23 Satz 1 und Satz 2 Nr. 4 des Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs - VAStrRefG), nahm das Familiengericht mit Verfügung vom 27.11.2009 den Versorgungsausgleich gem. § 50 Abs. 1 Nr. 2 VersAusglG von Amts wegen wieder auf.

Daraufhin hat der Bevollmächtigte der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 28.12.2009 ein "Prozesskostenhilfegesuch" eingereicht.

Das Familiengericht hat das Gesuch als "Verfahrenskostenhilfegesuch" behandelt und es mit der Begründung abgewiesen, dass der Antragstellerin bereits mit Beschl. v. 4.1.2002 - unter Beiordnung ihres jetzigen Bevollmächtigten - "Prozesskostenhilfe" bewilligt worden sei.

II.1. Zutreffend hat das Familiengericht das Gesuch nicht als "Prozesskostenhilfegesuch" nach der ZPO (§ 608 i.V.m. §§ 114 ff. ZPO), sondern als "Verfahrenskostenhilfegesuch" nach dem FamFG (§ 111 Nr. 7 i.V.m. § 76 Abs. 1 FamFG und §§ 114 ZPO) gewertet. Das vorliegende Versorgungsausgleichsverfahren ist nämlich - inzwischen - nach dem seit 01.9. geltenden FamFG zu behandeln, wie sich aus den Überleitungsvorschriften zu § 48 Abs. 2 VersAusglG und zu Art. 111 Abs. 4 Satz 1 FGG-RG ergibt:

Nach § 48 Abs. 2 VersAusglG gilt für "ausgesetzte" Versorgungsausgleichsverfahren unabhängig davon, ob die Aussetzung vor oder nach dem 1.9.2009 erfolgt ist, nicht nur neues materielles Recht, sondern auch neues Verfahrensrecht.

Die Vorschrift wird durch die Bestimmung zu Art. 111 Abs. 4 Satz 1 FGG-RG (in der Fassung des am 1.9.2009 in Kraft getretenen VAStrRefG) ergänzt, nach der auf Versorgungsausgleichsverfahren, die am 1.9.2009 "abgetrennt sind", die Vorschriften des FGG-RG angewendet werden müssen. Der Versorgungsausgleich wurde im vorliegenden Fall - gem. § 2 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 VAÜG - am 18.10.2002 "ausgesetzt". Die Rechtsfolge der Aussetzung bestand - nach dem vor dem 1.9.2009 geltenden Recht - darin, dass gem. § 2 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 VAÜG die Bestimmung zu § 628 Abs. 1 ZPO entsprechend galt. Demnach wurde die Aussetzung in der Rechtsfolge wie eine "Abtrennung" behandelt. Da nach neuem Recht auch auf die nach altem Recht "abgetrennten" Versorgungsausgleichsverfahren die Vorschriften des FGG-RG - mithin über Art. 1 FGG-RG die Bestimmungen des FamFG - anzuwenden sind, findet also auch gem. Art. 111 Abs. 4 Satz 1 FGG-RG das FamFG Anwendung (vgl. zum Ganzen Senat, Beschl. v. 25.1.2010 - 8 UF 180/09 - m.w.N.).

Bei dem Rechtsmittel der Antragstellerin handelt es sich demnach um eine - nach § 111 Nr. 7 i.V.m. § 76 Abs. 2 FamFG und § 127 Abs. 2 Satz 2, 3, §§ 567 ff. ZPO zulässige - sofortige Beschwerde.

2. Abweichend von der Ansicht des Familiengerichts ist die zulässige sofortige Beschwerde begründet. Denn die Zulässigkeit des Verfahrenskostenhil...

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