Leitsatz (amtlich)
1. Ist die Einweisung durch Zeitablauf erledigt besteht für den Betroffenen weiterhin ein Rechtsschutzinteresse an der Feststellung, dass die Einweisung rechtswidrig war.
2. Das rechtliche Interesse des Betroffenen ist verletzt, wenn ihm erst nach Erlass des Einweisungsbeschlusses ein Pfleger für das Verfahren beigeordnet wird (§ 70b FGG).
3. Besteht die Notwendigkeit, dass ein schriftliches Gutachten erläutert werden muss, kann nur derjenige, der das Gutachten erstattet hat, auch dies mündlich erläutern. Ist diese Person aus welchen Gründen auch verhindert, bedarf es einer Beweiserhebung durch förmlichen Beschluss und der bestellte Gutachter erstattet jetzt sein Gutachten, erläutert also nicht das schriftlich vorliegende und nicht ausreichende oder unklare Gutachten.
4. Auch die Fachkompetenz eines Gutachters muss vom Gericht festgestellt werden, da § 70e FGG nur die Begutachtung durch einen Arzt für Psychiatrie oder einen Arzt mit Erfahrungen auf diesem Gebiet zulässt.
Verfahrensgang
LG Magdeburg (Beschluss vom 21.05.2007; Aktenzeichen 3 T 302/07) |
AG Magdeburg (Aktenzeichen 220 XIV 1331) |
Tenor
Auf die weitere sofortige Beschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des LG Magdeburg vom 21.5.2007 abgeändert.
Es wird festgestellt, dass die am 29.4.2007 angeordnete vorläufige Unterbringung des Betroffenen rechtswidrig gewesen ist.
Die Entscheidung ergeht gebührenfrei; die Auslagen des Betroffenen, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, hat die Staatskasse zu erstatten.
Der Beschwerdewert beträgt 3.000 EUR.
Gründe
I. Der (am 2.2.1984 geborene) Betroffene wurde am Samstag, den 28.4.2007, vorläufig in die geschlossene Abteilung der Universitätsklinik M. eingewiesen (§ 15 PsychKG-LSA). Unter dem 29.4.2007 stellte das Gesundheitsamt der Stadt M. - unter Vorlage eines schriftlichen Psychiatrischen Gutachtens des Oberarztes und des Assistenzarztes der Klinik (§ 70e FGG) - beim Vormundschaftsgericht den Antrag, eine entsprechende einstweilige Anordnung zu erlassen (§ 14 PsychKG-LSA i.V.m. § 70h FGG). Das Vormundschaftsgericht hörte den Betroffenen noch am selben Tage persönlich an (§ 70c FGG), und zwar zusammen mit dem Arzt Dr. M. und in Anwesenheit von Rechtsanwalt L., der im gerichtlichen Anhörungsprotokoll als "Verfahrenspfleger" des Betroffenen bezeichnet wurde. Nach der Anhörung gab das Vormundschaftsgericht dem Betroffenen die einstweilige Anordnung vom 29.4.2007 bekannt, mit der die vorläufige Unterbringung des Betroffenen bis längstens 10.6.2007 angeordnet wurde (§ 70h FGG). Die Bestellung von Rechtsanwalt L. zum Verfahrenspfleger erfolgte erst drei Tage später, nämlich mit Beschluss vom 2.5.2007 (§ 70b FGG).
Am Montag, den 14.5.2007, zeigte der Verfahrenspfleger auch die anwaltliche Vertretung des Betroffenen an und legte in dessen Namen gegen die einstweilige Anordnung sofortige Beschwerde ein (§ 70m FGG). Als der Betroffene am 8.5.2007 in die offene Station verlegt wurde, beantragte Rechtsanwalt L. am 14.5.2007 in seiner Funktion als Verfahrensbevollmächtigter, die Rechtswidrigkeit der vorläufigen Unterbringung des Betroffenen festzustellen. Mit Beschluss vom 15.5.2007 hob das Vormundschaftsgericht zwar seine einstweilige Anordnung auf, da deren Voraussetzungen weggefallen seien (§ 70i Abs. 1 FGG); der sofortigen Beschwerde half das Vormundschaftsgericht aber nicht ab und übersandte die Akten dem LG zur Entscheidung.
Das LG stellte mit Beschluss vom 21.5.2007 bloß die Erledigung des Verfahrens fest, ohne dem Feststellungsantrag von Rechtsanwalt L. zu entsprechen. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Verfahrensbevollmächtigte mit der weiteren sofortigen Beschwerde.
II.1. Die weitere sofortige Beschwerde des - anwaltlich vertretenen - Betroffenen ist zulässig (§§ 27 ff., § 70m FGG) und begründet:
a) Zwar stellt das Beschwerdegericht zutreffend fest, dass mit der Verlegung des Betroffenen aus der geschlossenen Abteilung der Klinik und der Aufhebung seiner vorläufigen Unterbringung durch das Vormundschaftsgericht eine Erledigung des einstweiligen Anordnungsverfahrens eingetreten ist. Diese Erledigung hinderte den Betroffenen aber nicht daran, sein Rechtsschutzziel umzustellen und nun eine Feststellung der Rechtswidrigkeit der Unterbringungsmaßnahme zu beantragen (vgl. BayObLG, FamRZ 2001, 1645, 1646 m.w.N.). Auch eine nur vorläufige Unterbringungsmaßnahme nach § 70h FGG stellt nämlich einen so tiefgreifenden Grundrechtseingriff dar, dass der Betroffene ein nach Art. 19 Abs. 4 GG geschütztes Rechtsschutzinteresse daran hat, die Rechtslage feststellen zu lassen. Dies gilt selbst dann, wenn seine Unterbringung - wie im vorliegenden Fall - endet. Denn dadurch kann das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an der Feststellung der Rechtslage nicht mehr in Frage gestellt werden (§ 70h Abs. 2 S. 1 FGG; BVerfG NJW 2002, 2456 f. unter Bezugnahme auf BVerfG NJW 1998, 2432 f.).
b) Das erstinstanzliche einstweilige Anordnungsverfahren leidet bereits daran, dass der Ver...