Leitsatz (amtlich)
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein gerichtlich bestellter Sachverständiger auch bei harter Kritik an seiner Tätigkeit durch eine Partei seine Neutralität und sachliche Unabhängigkeit bewahrt.
Verfahrensgang
LG Stendal (Beschluss vom 18.08.2006; Aktenzeichen 21 O 391/03) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des LG Stendal vom 18.8.2006 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird mit 28.688,90 EUR festgesetzt.
Gründe
A. In dem dem Ablehnungsverfahren zugrunde liegenden Ausgangsprozess nimmt die Klägerin die Beklagten als Gesamtschuldner auf Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen eines behaupteten ärztlichen Behandlungsfehlers im Zusammenhang mit einer TVT-Implantation in Anspruch.
Mit Beweisbeschluss vom 17.11.2004 hat das LG die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens wegen des streitigen Behandlungsfehlers angeordnet und mit weiteren Beschluss vom 14.1.2005 den von der Ärztekammer Sachsen-Anhalt vorgeschlagenen Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde der Kreiskliniken A. Dr. med. H. zum Sachverständigen bestellt. Dieser hat sein Gutachten unter dem 26.4.2005 erstattet.
Wegen des Inhalts wird auf das schriftliche Sachverständigengutachten vom 26.4.2005 Band II Blatt 123 bis 130 d.A. Bezug genommen.
Die Klägerin hat das Gutachten des Sachverständigen inhaltlich angegriffen und den Sachverständigen erstmals mit einem am 8.6.2005 bei dem LG eingegangenen Schriftsatz wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Das LG hat das Befangenheitsgesuch der Klägerin mit Beschluss vom 12.9.2005 als unbegründet abgelehnt. Die dagegen erhobene sofortige Beschwerde hat das OLG mit Beschluss vom 25.10.2005 (Geschäftszeichen 10 W 53/05), auf dessen Begründung Bezug genommen wird, zurückgewiesen.
Der Sachverständige hat am 18.1.2006 sowie nach Vorlage der Originalkrankenunterlagen am 18.4.2006 zu den Einwendungen der Klägerin gegen sein Gutachten ergänzend Stellung genommen.
Mit Schriftsatz vom 18.5.2006 hat sich die Klägerin erneut gegen die gutachterlichen Ausführungen des Sachverständigen gewandt. Sie hält den Sachverständigen - auch wegen der Nähe zu den Beklagten - für schlicht überfordert und hat insb. beanstandet, dass der Sachverständige bislang versäumt habe, seine Feststellungen aus dem Erstgutachten zu der atypischen Lage des Darms zu erläutern. Sie hat zudem die Vermutung geäußert, dass der Sachverständige die Krankenakte nicht vollständig studiert habe, da er von dem Aufnahmedatum 28.2.2003 gesprochen habe.
Der Sachverständige hat sich in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 28.6.2006 erneut mit den Einwendungen der Klägerin auseinander gesetzt. Dabei hat er u.a. ausgeführt, dass die Beurteilung der Lage des Darms, wie in seinem Gutachten geäußert, nicht zu beweisen sei, da der OP ein nicht visuelles Verfahren zugrunde liege; die ärztliche Dokumentation der Operation lasse die Vermutung zu, dass praeexistente Verwachsungen bestanden hätten.
Wegen der Einzelheiten wird auf die ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen vom 28.6.2006 - Band III Blatt 92 d.A. - Bezug genommen.
Mit dem am 14.7.2006 bei dem LG Stendal eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin den Sachverständigen Dr. med. H. erneut wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Sie meint, die Ausführungen des abgelehnten Sachverständigen in seinem Ergänzungsgutachten vom 28.6.2006 belegten, dass er dem Rechtsstreit und insb. der Klägerin nicht unvoreingenommen gegenüber stehe. Die Anmerkung in dem Ergänzungsgutachten, dass "eine Beurteilung der Lage des Darms" nicht zu beweisen sei, dokumentiere, dass der Sachverständige in seinem Erstgutachten "phantasiert" und seine Feststellungen zur atypischen Lage des Darms auf reine Mutmaßungen gestützt habe. Die Klägerin habe daher jegliches Vertrauen in die Neutralität des Sachverständigen verloren, zumal er nicht offenbart habe, dass es sich bei seinen Ausführungen zu der Anormalie der Darmposition lediglich um eine bloße Vermutung gehandelt habe. Misstrauen in die Unparteilichkeit des Sachverständigen sei auch deshalb begründet, weil der Sachverständige offensichtlich seinen Fehler dadurch zu beschönigen versuche, dass er nunmehr ohne nähere Erläuterung das Vorliegen von Verwachsungen anführe. Der Sachverständige müsse schließlich auch deshalb abgelöst werden, weil er sich zur Auswertung der chirurgischen Protokolle nicht in der Lage zeige.
Der Sachverständige hat sich unter dem 28.8.2006 zu dem Ablehnungsgesuch schriftlich geäußert.
Mit dem am 18.8.2006 ergangenen Beschluss hat die 1. Zivilkammer des LG das erneute Ablehnungsgesuch der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat das LG im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin ihre Ablehnung erneut im Wesentlichen auf Gründe stütze, die die Qualität des Gutachtens sowie die Qualifikation des Sachverständigen betreffen würden. Bedenken gegen die Sachverständigenqualifikati...