Leitsatz (amtlich)

Befasst sich eine Partei zunächst schriftliche ausführlich mit inhaltlichen Fragen eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens, ist ein über eine Woche später bei Gericht eingegangenes Ablehnungsgesuch verspätet.

 

Verfahrensgang

LG Dessau (Beschluss vom 05.09.2006; Aktenzeichen 4 OH 24/04)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des LG Dessau - Einzelrichterin - vom 5.9.2006 wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 10.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragsteller halten den vom Gericht bestellten Sachverständigen Dipl.-Ing. S. B. für befangen.

Die Antragsteller begehren im Wege des selbständigen Beweisverfahrens die Feststellung von Mängeln an einer Grenzwand und deren Ursachen. Sie vermuten in diesem Zusammenhang, dass die Mängel durch bauliche Veränderungen auf dem Nachbargrundstück hervorgerufen worden sind.

Das LG hat mit Beweisbeschluss vom 23.12.2004 die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens angeordnet. Der Sachverständige erstattete unter dem 1.11.2005 ein Gutachten.

Bereits in ihrer Stellungnahme vom 27.1.2006 haben die Antragsteller dem Sachverständigen Betrug i.S.d. § 263 StGB vorgeworfen und zu dem Gutachten in der Sache sehr umfangreich Stellung genommen.

Das LG hat mit Verfügung vom 17.3.2006 die mündliche Anhörung des Sachverständigen für den 7.6.2006 anberaumt. Der Sachverständige hat in Vorbereitung des Termins zu einigen Fragen der Antragsteller am 3.5.2006 schriftlich Stellung genommen. In diesem Schreiben heißt es u.a. wörtlich:

"Die Verfugung der Grenzwand an der Außenseite ist analog möglich (s. Gutachten 4.2.2). Allerdings gibt es offenbar Schwierigkeiten, weil Herr W. den Zutritt zu seinem Grundstück verweigert. Aus welchem Grunde er dies tut, ist mir nicht bekannt, aber insofern verwunderlich, als er einerseits die Beseitigung dieses Zustandes fordert, andererseits jedoch die Realisierung behindert.

Auf Grund des geltend gemachten Nachbarschaftsrechtes kann die Duldung solcher Arbeiten auf dem Rechtswege erzwungen werden. Problematisch ist jedoch die nicht bekannte Tragsicherheit der zu begehenden Anbauten des Nachbargrundstücks Nr. 1, da bei den Reparaturarbeiten auch ein Kalkkasten und in einigen höheren Wandbereichen Bockgerüste aufgestellt werden müssen." (vgl. Bd. I Bl. 207 d.A.).

Zu der insgesamt 1 ½ Seiten umfassenden Stellungnahme des Sachverständigen haben die Antragsteller mit Schreiben vom 24.5.2006 auf insgesamt 85 Seiten Stellung genommen.

Mit einem weiteren Schriftsatz vom 2.6.2006 haben sie dann ihr Ablehnungsgesuch vorgebracht. Zur Begründung ist ausgeführt, dass der Sachverständige mit der zitierten Passage ohne jegliche Einschränkung die Ausführungen der Gegenseite übernehme. Der Sachverständige bringe unmissverständlich den Vorwurf rechtsmissbräuchlichen bzw. treuwidrigen Verhaltens ggü. den Antragstellern zum Ausdruck. Außerdem erteile der Sachverständige Rechtsberatung ggü. der Antragsgegnerin, indem er behaupte, die Duldung solcher Arbeiten könne gerichtlich erzwungen werden.

Der Sachverständige hat zu den Vorwürfen mit Schriftsatz vom 19.6.2006 Stellung genommen. Die Antragsteller sehen die Befürchtung der Befangenheit durch diese Stellungnahme bestätigt.

Das LG hat mit Beschluss vom 5.9.2006 das Ablehnungsgesuch zurückgewiesen.

Zur Begründung ist ausgeführt, dass das Gesuch bereits verspätet i.S.d. § 406 Abs. 2 Satz 1 ZPO analog eingereicht worden sei. Im Übrigen sei es auch unbegründet. Die Antragsteller haben gegen den ihnen am 5.9.2006 zugegangenen Beschluss am 19.9.2006 sofortige Beschwerde erhoben. Sie wiederholen und vertiefen darin ihre Auffassung.

Das LG hat der Beschwerde mit Beschluss vom 4.10.2006 nicht abgeholfen und die Sache zur Entscheidung dem OLG vorgelegt.

II. Die Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

1. Das Ablehnungsgesuch der Antragsteller ist bereits unzulässig, weil es verspätet eingelegt worden ist.

a) Ergibt sich der Grund zur Ablehnung eines Sachverständigen - wie hier - erst nach dessen Bestellung, so ist der Ablehnungsantrag nach § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO unverzüglich i.S.v. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB zu stellen, d.h. ohne schuldhaftes Zögern nach Kenntniserlangen vom Ablehnungsgrund. Wird ein Sachverständiger auf Grund des Inhalts seines Gutachtens bzw. auf Grund der darin enthaltenen Äußerung wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, so muss der Ablehnungsantrag unverzüglich nach Kenntnis des Gutachtens gestellt werden, wobei der Partei eine den Umständen des Falles angepasste Prüfung und Überlegungsfrist zuzubilligen ist. Dies ist einhellige Auffassung in der Rechtsprechung der OLG (vgl. OLG Frankfurt, OLGReport Frankfurt 1998, 181 sowie 95, 139 f.; OLG München, OLG München v. 19.9.1994 - 13 W 2224/94, OLGReport München 1994, 237 f. sowie 2000, 211 f.; OLG Koblenz, OLG Koblenz v. 13.7.1998 - 4 W 407/98, OLGReport Koblenz 1998, 470...

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