Leitsatz (amtlich)

Versorgungsausgleich - Grundrentenzuschlag, fehlende Ausgleichsreife nach § 19 Abs. 1 VersAusglG

 

Verfahrensgang

AG Stendal (Beschluss vom 09.03.2022; Aktenzeichen 5 F 591/21 S)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Stendal vom 09. März 2022 - 5 F 591/21 S - zu Ziffer 4 seines Tenors abgeändert und wie folgt neu gefasst:

"Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland (Vers. Nr. ...) zugunsten der Antragstellerin ein Anrecht in Höhe von 2,4268 Entgeltpunkten (Ost) auf das vorhandene Konto ... bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, bezogen auf den 30.09.2021, übertragen. Das Anrecht des Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland (Vers. Nr. ...) in Höhe von 0,1294 Entgeltpunkten (Ost) für langjährige Versicherung bleibt einem Ausgleich nach der Scheidung vorbehalten."

Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten für das Beschwerdeverfahren selbst.

Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.460 Euro festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Mit Beschluss vom 09. März 2022 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Stendal die Ehe der Antragstellerin und des Antragsgegners - mittlerweile rechtskräftig - geschieden und hierbei unter anderem den Versorgungsausgleich geregelt. Für Einzelheiten wird auf den Beschluss Bezug genommen und verwiesen (Bl. 37 ff. d. A.).

Die Beschwerdeführerin, die als Trägerin der gesetzlichen Rentenversicherung an diesem Ausgleich beteiligt ist, hat mit Schreiben vom 24. März 2022, eingegangen beim Amtsgericht Stendal am gleichen Tag, gegen den ihr am 22. März 2022 zugestellten Beschluss Beschwerde eingelegt und sich gegen die vom Familiengericht vorgenommene Zusammenrechnung von Anrechten gewehrt, die für den Antragsgegner in der gesetzlichen Rentenversicherung mit einem Ausgleichswert von 2,4268 Entgeltpunkten (Ost) und mit einem Ausgleichswert von 0,1294 Entgeltpunkten (Ost) für langjährige Versicherung ermittelt wurden.

Unter dem 06. April 2022 wurden die Beteiligten bereits auf die Absicht des Senats hingewiesen, beide Anrechte gesondert auszugleichen. Unter dem 12. Oktober 2022 hat der Senat darauf hingewiesen, wie tenoriert entscheiden zu wollen.

II. 1. Die Beschwerde ist nach §§ 117 Abs. 1, 58 ff. FamFG zulässig. Die Beschwerdeführerin ist nach § 59 Abs. 1 FamFG beschwerdebefugt, weil sie eine unrichtige Anwendung von § 10 Abs. 2 VersAusglG auf ein bei ihr bestehendes Anrecht und damit eine Gesetzesverletzung geltend macht, die sich auf die Höhe der von ihr zu erbringenden Versorgungsleistungen auswirken kann (OLG Braunschweig, Beschluss vom 30. Mai 2022, Az. 2 UF 66/22, Rn. 9 - zitiert nach juris). Soweit mit der Beschwerde eine Abänderung des im angefochtenen Beschluss tenorierten Ausgleichs einhergeht, greift zugunsten der Antragstellerin und des Antragsgegners das Verschlechterungsverbot nicht ein (BGH, Beschluss vom 13. Januar 2021, Az. XII ZB 401/20, Rn. 8 - zitiert nach juris). Als Wächter über die rechtmäßige Durchführung des Versorgungsausgleichs verfolgt der die Beschwerde führende Versorgungsträger stets auch die Interessen der Solidargemeinschaft. Deshalb hat das Gericht auf eine Beschwerde eines Versorgungsträgers eine Entscheidung zu treffen, die der Sach- und Rechtslage entspricht.

Der Senat hat von einer mündlichen Erörterung der Sache (§ 221 Abs. 1 FamFG) in der Beschwerdeinstanz nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG abgesehen, da weitere Erkenntnisse nicht zu erwarten waren.

2. Die Beschwerde hat Erfolg, denn zu Unrecht hat das Familiengericht die Entgeltpunkte (Ost) und die Entgeltpunkte (Ost) für langjährige Versicherung vor einem Ausgleich miteinander addiert. Abweichend vom Hinweis des Senats soll das Anrecht des Antragstellers aus dem Grundrentenzuschlag jedoch dem Ausgleich nach der Scheidung vorbehalten werden.

Richtig ist der Ausgangspunkt des Familiengerichts. Der durch das Gesetz zur Einführung der Grundrente für langjährig Versicherte in der gesetzlichen Rentenversicherung mit unterdurchschnittlichem Einkommen und für weitere Maßnahmen zur Erhöhung der Alterseinkommen (Grundrentengesetz) vom 12. August 2020 (BGBl. I. 1879) zum 01. Januar 2021 eingeführte Grundrentenzuschlag bildet - wie hier für den Antragsgegner - ein "Anrecht eigener Art" im Sinne von § 10 Abs. 2 VersAusglG, so dass es selbst einer internen Teilung unterliegt und neben etwaigen weiteren Anrechten aus der allgemeinen Rentenversicherung auszugleichen ist (Breuers, in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK, 9. Auflage (Stand: 27. Juni 2022), Rn. 16.1). Es handelt sich bei dem Grundrentenzuschlag allerdings nicht um ein nach § 120f Abs. 2 Nr. 3 SGB VI, § 10 Abs. 2 VersAusglG verrechenbares, sondern um ein bei der internen Teilung gesondert a...

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