Entscheidungsstichwort (Thema)
BAB A 71/Brückenbau
Leitsatz (amtlich)
1. Antragsgegnerin im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren ist regelmäßig die als Vergabestelle nach außen in Erscheinung getretene Einrichtung und nicht der tatsächliche öffentliche Auftraggeber, soweit der Nachprüfungsantrag keine entgegenstehenden Anhaltspunkte enthält.
2. Ein Zuschlag in einem Vergabeverfahren ist nur dann wirksam erteilt und entfaltet eine das Vergabeverfahren beendende Wirkung, wenn ein wirksamer Vertragsschluss erfolgt ist. Der modifizierte oder verspätete "Zuschlag" ist wegen seines zivilrechtlichen Charakters als neues Angebot (noch) kein verfahrensbeendender Zuschlag.
3. Die Rüge einer angeblich vergaberechtswidrigen Aufhebung der Ausschreibung ist unbegründet, wenn zum Zeitpunkt der beanstandeten Maßnahme der Vergabestelle kein zuschlagfähiges Angebot der Antragstellerin mehr vorlag.
4. Eine inhaltliche Änderung des eigenen Angebots (hier: des Angebotspreises) nach Ablauf der Angebotsfrist verstößt auch dann gegen § 24 Nr. 3 VOB/A, wenn der Bieter zwar bereits vom öffentlichen Auftraggeber als Zuschlagsaspirant ausgewählt, ihm ein wirksamer Zuschlag aber noch nicht erteilt worden ist.
Verfahrensgang
2. Vergabekammer (Aktenzeichen 2 VK LVwA 07/07) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den am 27.6.2007 verkündeten Beschluss der 2. Vergabekammer des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Auslagen der Antragsgegnerin hat die Antragstellerin zu tragen.
Der Kostenwert des Beschwerdeverfahrens wird auf eine Gebührenstufe bis zu 650.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die D. GmbH, eine Beteiligungsgesellschaft privaten Rechts, deren Geschäftsanteile vom Bund und von mehreren Bundesländern inne gehalten werden, schrieb im August 2006 im Auftrag der Bundesrepublik den oben genannten Bauauftrag EU-weit im Offenen Verfahren auf der Grundlage der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) - Ausgabe 2002 - zur Vergabe aus. Der Auftragswert netto beträgt mehr als 10 Mio. EUR. Nach Ergänzung der Ausschreibung sollte das Ende der Auftragsausführung um ein Jahr auf den 27.4.2008 verschoben werden. Hintergrund dieser Bauzeitverlängerung waren archäologische Grabungen im Bereich der geplanten Trasse.
Nach dem Ergebnis der Auswertung der Angebote durch die Antragsgegnerin hatte die Antragstellerin mit ihrem Hauptangebot vom 7.9.2006 unter Berücksichtigung des Nebenangebotes Nr. 1 das wirtschaftlichste Angebot abgegeben. Die Antragsgegnerin vergab am 19.12.2006 den Gesamtauftrag an die Antragstellerin durch insgesamt drei getrennte Auftragsschreiben, den Hauptauftrag namens und auf Rechnung der Bundesrepublik Deutschland und die Aufträge zur Baustelleneinrichtung und zur Stellung eines Baubüros für den Auftraggeber jeweils im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Das Auftragsschreiben zum Hauptauftrag (vgl. GA Bd. II Bl. 114 ff.) enthält zudem die "Erläuterung", dass die im Nebenangebot Nr. 1 der Antragstellerin dargestellten Abmessungen der Überbauten als Mindestabmessungen aufgefasst werden und dass bei einer Reihe von Teilleistungen vor Ausführung die Zustimmung der D. erforderlich sei.
Mit Schreiben vom 18.1.2007 wandte sich die Antragstellerin gegen die Zuschlagserteilung und vertrat die Ansicht, dass dieses Schreiben Abänderungen zum Angebot enthalte, weshalb das ursprüngliche Angebot der Antragstellerin nicht angenommen und daher erloschen sei (vgl. Anlage 6 zum Nachprüfungsantrag, BeiA Bl. 123 ff.). Das Schreiben endet mit der Aufforderung zur Suche nach einer pragmatischen Lösung des noch offenen Vertragszustandes. Unter dem 14.3.2007 unterbreitete die Antragstellerin der Antragsgegnerin ein Ergänzungsangebot, welches einen um knapp 1,1 Mio. EUR höheren Angebotspreis beinhaltet (vgl. BeiA Bl. 143 ff.). Nach weiterem Schriftwechsel erklärte die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 30.4.2007 nochmals, dass sie die Durchführung von Nachverhandlungen verlange (vgl. BeiA Bl. 159 ff.). Dies lehnte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 4.5.2007 (BeiA Bl. 167) ab; mit weiterem Schreiben vom 15.5.2007 kündigte die Antragsgegnerin den i. E. geschlossenen Bauvertrag nach § 8 Nr. 3 VOB/B (vgl. BeiA Bl. 170 f.). Mit Schreiben vom 16.5.2007 (vgl. BeiA Bl. 172 f.) widersprach die Antragstellerin der Kündigung und rügte "... die Kündigung als Fehler im Vergabeverfahren ...". Sie verwies auf ihre Verhandlungs- und Leistungsbereitschaft und vertrat die Auffassung, einen Anspruch auf Erteilung des Zuschlages auf ihr Angebot in der Fassung des Ergänzungsangebots vom 14.3.2007 zu haben. Sie forderte die Antragsgegnerin zur Vermeidung eines Nachprüfungsverfahrens auf, bis zum 23.5.2007 den Zuschlag auf dieses Angebot zu erteilen. Die Antragsgegnerin half der Rüge nicht ab und hat inzwischen denselben Bauauftrag erneut EU-weit im Offenen Verfahren ausgeschrieben, u.a. im Supplement des Amtsblattes der Europäischen Gemeinschaften vom 22.6.2007 (S 11...