Leitsatz (amtlich)
1. Für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrages kann es nicht i.S. einer übergesetzlichen Verfahrensvoraussetzung darauf ankommen, ob die Art und Weise der Rechtsverfolgung von der Nachprüfungsinstanz als zweckmäßig oder konsequent angesehen wird oder nicht. Insbesondere ist es nicht maßgeblich, ob das Unternehmen, welches die Aufhebung einer Ausschreibung zur Nachprüfung stellt, die Neuausschreibung desselben Auftrags gerügt und ebenfalls zur Nachprüfung gestellt hat (entgegen OLG Koblenz, Beschluss vom 10.4.2004, 1 Verg 1/03, und VK Leipzig, Beschlüsse vom 2.9.2005, 1/SVK/108-05, und vom 9.5.2006, 1/SVK/035-06).
2. Zur Vergaberechtswidrigkeit des "Abbruchs" eines Verhandlungsverfahrens nach der formellen Prüfung und Bewertung der (ersten) Angebote ohne Aufnahme von Auftragsverhandlungen wegen des Mangels an mehreren Bietern.
Verfahrensgang
2. Vergabekammer (Beschluss vom 03.03.2006; Aktenzeichen 2 VK LVwA 2/06) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt des Landes Sachsen-Anhalt vom 3.3.2006, 2 VK LVwA 2/06, wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Auslagen der Antragstellerin zu tragen.
Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 50.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragsgegnerin, eine Kapitalgesellschaft privaten Rechts, die mit der Landeshauptstadt Magdeburg einen Entwicklungsträgervertrag geschlossen hat, wonach sie als Entwicklungsträgerin die ihr von der Stadt übertragenen Aufgaben nach deren Beschlüssen und Weisungen im eigenen Namen für die Rechnung der Stadt als deren Treuhänderin ausführt, schrieb im Februar 2005 den oben genannten Dienstleistungsauftrag EU-weit im Verhandlungsverfahren mit vorherigem Teilnahmewettbewerb auf der Grundlage der Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) - Ausgabe 2002 - zur Vergabe aus. Der Auftrag hat mindestens einen Netto-Auftragswert von 1 Mio. EUR.
Nach dem Inhalt der Vergabebekanntmachung (Ziff. IV.4.) sollten mindestens drei Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert werden.
Bis zum Ende der Bewerbungsfrist gingen 114 Teilnahmeanträge ein, darunter auch eine Bewerbung der Antragstellerin.
Die Antragsgegnerin hatte zunächst zehn Bewerber zur Beteiligung am Verhandlungsverfahren ausgewählt; die Antragstellerin war nicht darunter. Im Rahmen eines von einem anderen nicht berücksichtigten Bewerber eingeleiteten Nachprüfungsverfahrens ordnete die 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt des Landes Sachsen-Anhalt mit Beschluss vom 14.9.2005, 2 VK LVwA 30/05, eine Wiederholung des Auswahlverfahrens an, weil die Antragsgegnerin einerseits unter Verstoß gegen die bekannt gemachten Bewerbungsbedingungen auch nach Ablauf der Bewerbungsfrist nachgereichte Eignungsnachweise einiger Bewerber zugelassen und andererseits das Fehlen von solchen von ihr geforderten Eignungsnachweisen außer Betracht gelassen hatte.
Nach der erneuten und unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer durchgeführten Prüfung und Bewertung der Bewerbungsunterlagen verblieben lediglich zwei Bewerber, darunter die Antragstellerin, die die geforderte Eignung aufwiesen.
Am 7.12.2005 forderte die Antragsgegnerin die beiden ausgewählten Bewerber zur Abgabe eines Honorarangebotes auf. Innerhalb der von der Antragsgegnerin gesetzten Angebotsfrist sollten diverse Eigenerklärungen und Nachweise abgegeben werden. Beide Bieter gaben jeweils ein Angebot ab.
Im Rahmen der formalen Angebotswertung schloss die Antragsgegnerin das Angebot des Mitbewerbers der Antragstellerin wegen Unvollständigkeit der Angebotsunterlagen aus. Das Angebot der Antragstellerin bewertete sie als vollständig. Eine inhaltliche Bewertung des Angebots der Antragstellerin nahm sie jedoch nicht mehr vor; auch nahm sie keine Auftragsverhandlungen mit der Antragstellerin auf. Unter Punkt 5.2. der Vergabedokumentation begründete die Antragsgegnerin dies damit, dass dem Angebot nicht zu entnehmen sei, welche Niederlassung sich um den Auftrag beworben habe, und dass Klärungsbedarf bezüglich der Vertretungsregelungen für das qualifizierte Personal bestehe. Die Antragsgegnerin beschloss, das Vergabeverfahren aufzuheben und eine Neuausschreibung vorzunehmen. Bei Vorliegen nur eines wertbaren Angebots finde kein Wettbewerb mehr statt. Im Übrigen lägen weitere Mängel des Angebots vor, so z.Bsp. fehle eine Darstellung der Optimierungsmöglichkeiten für Kosten und Termine; die angebotenen Leistungen der Bauüberwachung erschienen als zu gering.
Die Antragsgegnerin teilte der Antragstellerin mit Schreiben vom 5.1.2006 mit, dass sie nach § 17 Abs. 5 VOF die Ausschreibung "abbreche" und das Vergabeverfahren neu einleiten werde. Das mit einfacher Post versandte Schreiben ging der Antragstellerin am 9.1.2006 zu.
Am 3.1.2006 sandte die Antragsgegnerin die Vergabebekanntmachung für die erneute Ausschreibung desselben Auftrags im beschleunigten Verhandlungsverfa...