Leitsatz (amtlich)

Entscheidungen über ein Gesuch um Prozesskostenhilfe sind grundsätzlich nach dem aktuellen Erkenntnisstand des Gerichtes zu treffen.

Wenn die Bearbeitung des Gesuchs jedoch durch nachlässige oder sonst fehlerhafte Bearbeitung verzögert wird ist, zu berücksichtigen, ob sich die Prognose zwischen dem möglichen und tatsächlichen Entscheidungszeitpunkt wesentlich verändert hat.

 

Verfahrensgang

AG Oschersleben (Beschluss vom 04.08.2003; Aktenzeichen 4 F 277/02)

 

Tenor

1. Der Beschluss des AG Oschersleben vom 4.8.2003 in Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses vom 15.3.2004 wird abgeändert.

2. Dem Beklagten wird unter Beiordnung von Rechtsanwältin W. für das erstinstanzliche Verfahren ab Antragstellung (24.2.2003) zur Verteidigung ratenfreie Prozesskostenhilfe gewährt.

3. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die zulässige sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des AG ist begründet. Das AG hätte dem Beklagten Prozesskostenhilfe bewilligen müssen. Grundsätzlich ist es zwar so, dass jede gerichtliche Entscheidung in der Tatsacheninstanz sich den letzten Erkenntnisstand des Gerichts zu Nutze machen muss, also den Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der Beschlussfassung berücksichtigen muss (OLG Dresden FamRZ 2002, 891). Das heißt, die PKH-Entscheidung hat das Gericht nach seinem letzten Erkenntnisstand zu treffen. Da hier eine Entscheidung nach der mündlichen Verhandlung vom 14.7.2003 letztlich mit der Schlussentscheidung durch Urteil verbunden worden ist, hätte nach den eben genannten Grundsätzen die Entscheidung in der vorliegenden Form ergehen müssen. Hier gilt jedoch etwas anderes. Denn die Fälle, in denen ein Gericht die Bewilligungsentscheidung durch nachlässige oder fehlerhafte Bearbeitung verzögert, sind anders zu beurteilen (OLG Brandenburg FamRZ 2002, 1199; OLG Naumburg v. 27.5.1999 - 3 WF 75/99, OLGReport Naumburg 2000, 28 = FamRZ 2000, 431). Wenn sich in solchen Fällen die Erfolgsprognose in der Zeit zwischen Entscheidungsreife und Entscheidung verschlechtert, ist dies nicht zu berücksichtigen, sondern nach dem Kenntnisstand zur Zeit der Entscheidungsreife zu entscheiden (OLG Bamberg v. 13.5.1998 - 7 WF 69/98, FamRZ 1999, 240; v. 1.8.2000 - 7 WF 82/00, OLGReport Bamberg 2001, 148 = FamRZ 2001, 291 [292]; OLG Düsseldorf v. 27.4.1998 - 3 WF 82/98, OLGReport Düsseldorf 1999, 273 = FamRZ 1999, 1270). Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer bereits in der Erwiderung auf die bedingt erhobene Klage mit Schriftsatz vom 24.2.2003 Prozesskostenhilfe zur Verteidigung beantragt, die entsprechenden Belege zu den wirtschaftlichen Voraussetzungen waren beigefügt. Das Gericht hat auf den Vortrag in der Erwiderung der Klägerin mitgeteilt, dass die Klage nach dem Beklagtenvortrag unter Umständen unschlüssig sein könnte, bzw. unzulässig sein könnte, weil sich das unterhaltsbegehrende Kind nicht mehr in der Obhut der Mutter befände. Bereits zu diesem Zeitpunkt war das Prozesskostenhilfegesuch des Beklagten entscheidungsreif und seine Erfolgsaussicht hinsichtlich der Verteidigung gegen die Klage durchaus positiv zu beurteilen. Erst durch weiteren Vortrag der Klägerin änderte sich hieran etwas, was letztlich auch zum Klage statt gebenden Urteil führte. Allerdings liegt zwischen Prozesskostenhilfeantrag und Prozesskostenhilfe versagender Entscheidung ein so langer Zeitraum, nämlich ca. 6 Monate, dass dies als eine nachlässige, verzögernde Bearbeitung des Gesuchs beurteilt werden muss, mit der Folge, dass bei der Frage, ob Prozesskostenhilfe zur Verteidigung zu bewilligen ist, auf den Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Antrages und nicht auf den Zeitpunkt der Entscheidung zur Beurteilung der Erfolgsaussicht abzustellen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1236900

ZFE 2005, 69

OLGR-NBL 2005, 37

www.judicialis.de 2004

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