Leitsatz (amtlich)
1. Die Vorabinformationspflicht nach § 13 VgV besteht auch im Verhandlungsverfahren nach VOF. Sie ist nicht nur ggü. den Bietern begründet, die zur Durchführung von Auftragsverhandlungen ausgewählt worden sind, sondern auch gegenüber einem Bewerber, der objektiv zu Unrecht nicht zur Angebotsabgabe aufgefordert worden ist.
2. Fordert der öffentliche Auftraggeber in den Bewerbungsbedingungen zur Prüfung der Leistungsfähigkeit der Bewerber und ihrer Nachunternehmer für jeden Leistungsausführenden eine Erklärung über dessen Gesamtumsatz der letzten drei Geschäftsjahre sowie über den jeweiligen Teilumsatz mit denjenigen Leistungen, deren Ausführung der Erklärende übernehmen soll, so ist eine Erklärung über den "Gesamtumsatz der entsprechenden Leistungen" jedenfalls unvollständig.
Verfahrensgang
2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt des Landes Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 30.05.2006; Aktenzeichen 2 VK LVwA 18/06, 2 VK LVwA 15/06) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt des Landes Sachsen-Anhalt vom 30.5.2006, 2 VK LVwA 18/06, soweit er sich auf das o.a. Vergabeverfahren bezieht, wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Auslagen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu tragen.
Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 50.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragsgegnerin ist eine Kapitalgesellschaft privaten Rechts, die mit der Landeshauptstadt Magdeburg einen Entwicklungsträgervertrag geschlossen hat, wonach sie als Entwicklungsträgerin die ihr von der Stadt übertragenen Aufgaben nach deren Beschlüssen und Weisungen im eigenen Namen für die Rechnung der Stadt als deren Treuhänderin ausführt.
Sie hatte den oben genannten Dienstleistungsauftrag mit einem Netto-Auftragswert von mindestens 1 Mio. EUR bereits im Februar 2005 EU-weit im Verhandlungsverfahren mit vorherigem Teilnahmewettbewerb auf der Grundlage der Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) - Ausgabe 2002 - zur Vergabe ausgeschrieben. Dieses Vergabeverfahren war nach Abschluss des Teilnahmewettbewerbs Gegenstand eines Nachprüfungsverfahrens gewesen. Nach Wiederholung der Wertung im Teilnahmewettbewerb, Eingang der Angebote der zur Angebotsabgabe im Verhandlungsverfahren aufgeforderten Bieter und deren Wertung in der ersten Wertungsstufe war nur eine Bieterin, die hiesige Antragstellerin, verblieben. Die Antragsgegnerin hatte darauf hin am 27.12.2005 beschlossen, das Verfahren zu beenden und ein neues einzuleiten. Mit Schreiben vom 5.1.2006, welches mit einfacher Post versandt worden und der hiesigen Antragstellerin am 9.1.2006 zugegangen war, hatte die Antragsgegnerin ihr mitgeteilt, dass sie die Ausschreibung nach § 17 Abs. 5 VOF "abbreche" und das Vergabeverfahren neu einleiten werde. Die hiesige Antragstellerin hatte den Verzicht auf die Auftragserteilung im ursprünglichen Vergabeverfahren am 13.1.2006 als vergaberechtswidrig gerügt. Nachdem dies erfolglos geblieben war, hatte sie die Nachprüfung der Aufhebung der Ausschreibung beantragt. Die 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt hatte der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 3.3.2006, 2 VK LVwA 2/06, aufgegeben, das im Februar 2005 begonnene Vergabeverfahren fortzuführen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin hatte der Senat mit seinem Beschluss vom 17.5.2006, 1 Verg 3/06, als unbegründet zurückgewiesen.
Zuvor, am 3.1.2006, sandte die Antragsgegnerin die Vergabebekanntmachung für die erneute Ausschreibung desselben Auftrags im beschleunigten Verhandlungsverfahren mit vorherigem Teilnahmewettbewerb ab. Die Vergabebekanntmachung wurde u.a. im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 6.1.2006 (ABl. S-3) veröffentlicht. Die Antragsgegnerin gab darin an, mindestens mit drei Bewerbern, höchstens mit fünf Bewerbern Auftragsverhandlungen durchzuführen (Ziff. IV.1.2.). Die Antragstellerin bewarb sich auch in dieser Ausschreibung. Nach der formalen Prüfung und der Prüfung auf Vollständigkeit schloss die Antragsgegnerin 67 der 70 Bewerber, darunter die Antragstellerin, aus und forderte die verbleibenden drei Bewerber, darunter die Beigeladene, zur Angebotsabgabe auf. Sie informierte die Antragstellerin zunächst nicht über das Ergebnis des Teilnahmewettbewerbs. Lediglich zwei der drei Bieter reichten fristgerecht ein Angebot ein. Am 10.2.2006 führte die Antragsgegnerin eine Verhandlungsrunde mit diesen zwei Bietern durch. Sie beabsichtigt, den Auftrag der Beigeladenen zu erteilen.
Die Antragstellerin rügte bereits unter dem 9.2.2006 im Hinblick auf das Ausbleiben einer Aufforderung zur Angebotsabgabe vorsorglich ihre Nichtauswahl als vergaberechtswidrig. Die Antragsgegnerin bestätigte zwar den Eingang dieses Schreibens, beantwortete es aber erst mit Schreiben vom 24.2.2006, welches zudem mit einfacher Post übersandt wurde und deshalb am 1.3.2006 bei de...