Leitsatz (amtlich)
Die Beiordnung eines Verkehrsanwaltes zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Prozessbevollmächtigten setzt voraus, dass besondere Umstände dies erfordern. Im Unterhaltsprozess, dessen Vorbereitung in der Regel die Ermittlung diverser Zahlen, Daten und Fakten erfordert, liegen solche besonderen Umstände vor, wenn die Partei schreibungewandt ist und ihr eine Informationsreise nicht zugemutet werden kann.
Verfahrensgang
AG Wittenberg (Aktenzeichen 4 F 258/01) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des AG – FamG – Wittenberg vom 8.1.2002, Az.: 4 F 258/01, wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die sofortige Beschwerde, mit welcher die Klägerin im Rahmen der ihr bewilligten Prozesskostenhilfe abweichend von der Beschwerdeentscheidung des Senats vom 29.6.2001 (Bd. I, Bl. 69 – 74 d.A.) die Beiordnung ihres bisherigen Prozessbevollmächtigten als Verkehrsanwalt und ihrer unterbevollmächtigten Rechtsanwältin H. aus W. als Prozessbevollmächtigte erstrebt, ist gem. den §§ 127 Abs. 2 S. 2, 567 ZPO statthaft. Sie ist auch zulässig, insbesondere form- und fristgerecht nach § 127 Abs. 3 S. 3 ZPO i.V.m. § 569 Abs. 1 ZPO gegen den Beschluss des AG Wittenberg vom 8.1.2002 (Bd. I, Bl. 143/143 Rs. d. A.) eingelegt worden.
Die Zuständigkeit des mit der vorangegangenen Beschwerde-Entscheidung und der Hauptsache im Berufungsverfahren befassten Beschwerdegerichts folgt aus einer in Anbetracht der besonderen Umstände des Falles notwendigen teleologischen Reduktion des § 568 S. 1 ZPO.
II. Das Rechtsmittel bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Die mit der Beschwerde erstrebte Beiordnung eines Verkehrsanwaltes zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Prozessbevollmächtigten setzt gem. § 121 Abs. 4 ZPO voraus, dass besondere Umstände dies erfordern. Im Unterhaltsprozess, dessen Vorbereitung in der Regel, wie auch hier, die Ermittlung diverser Zahlen, Daten und Fakten erfordert, liegen solche besonderen Umstände für die Beiordnung eines Korrespondenzanwaltes vor, wenn die Partei schreibungewandt ist und ihr eine Informationsreise nicht zugemutet werden kann (Philippi in Zöller, ZPO, 23. Aufl., 2002, § 121 Rz. 22). Beides ist hier nicht der Fall.
Die Klägerin war zum Zeitpunkt der Einreichung ihres Prozesskostenhilfeantrages am 20.4.2001 bereits über 18 Jahre alt und besuchte, kurz vor dem Abitur stehend, das Wirtschaftsgymnasium. Sie war daher hinreichend erfahren und gebildet, um ihren Anwälten, sofern nötig, selbst Auskünfte schriftlich zu erteilen.
Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, dass eine besondere Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Beiordnung eines Verkehrsanwaltes erfordert hätte.
Der konkrete Fall weist keine über das übliche Maß unterhaltsrechtlicher Streitigkeiten hinausgehende Schwierigkeiten oder Komplikationen auf. Es bestand auch keine zwingende Notwendigkeit, in dieser Sache zwei Rechtsanwälte in erster Instanz zu beauftragen.
Schließlich geht es generell nicht an, gleichsam post festum nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens und bestandskräftiger Beschwerdeentscheidung über die diesbezügliche Prozesskostenhilfe eine Änderung bzw. Umkehrung und Ergänzung der anwaltlichen Rollenverteilung in Bezug auf die Prozesskostenhilfe vorzunehmen.
Nach alledem ist der Wechsel des bislang beigeordneten Rechtsanwalts unter gleichzeitiger
Beiordnung des bisherigen Prozessbevollmächtigten als Verkehrsanwalt unter keinem Gesichtspunkt gerechtfertigt, sodass der sofortigen Beschwerde kein Erfolg beschieden sein konnte.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO bzw. § 49 S. 1 GKG i.V.m. § 11 Abs. 1 GKG, Anlage 1, KV Nr. 1956.
gez. Dr. Deppe-Hilgenberg gez. Hahn gez. Materlik
Fundstellen
Haufe-Index 1108750 |
FamRZ 2003, 107 |
EzFamR aktuell 2002, 348 |
BRAGOreport 2002, 144 |