Leitsatz (amtlich)

Einer Partei, die bis zum Ablauf einer Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsfrist nur einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt hat, kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur dann bewilligt werden, wenn sie vernünftiger Weise nicht mit der Verweigerung der Prozesskostenhilfe rechnen musste. Davon ist in der Regel nicht auszugehen, wenn ihr vom Gericht ein begründeter rechtlicher Hinweis erteilt worden ist, warum Bedenken gegen ihre Bedürftigkeit bestehen.

 

Verfahrensgang

LG Dessau-Roßlau (Urteil vom 28.02.2014; Aktenzeichen 4 O 699/11)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 13.01.2015; Aktenzeichen VI ZB 61/14)

 

Tenor

1. Der Antrag der Klägerin, ihr gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung und zur Begründung der Berufung gegen das am 28.2.2014 verkündete Urteil des LG Dessau-Roßlau (4 O 699/11) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wird zurückgewiesen.

2. Die Berufung der Klägerin gegen das am 28.2.2014 verkündete Urteil des LG Dessau-Roßlau (4 O 699/11) wird als unzulässig verworfen.

3. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens, einschließlich der Kosten des Wiedereinsetzungsverfahrens.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf die Gebührenstufe bis 6.000,- Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Das Urteil des LG Dessau-Roßlau wurde der Klägerin am 5.3.2014 zugestellt (Bl. 156 II). Mit Schriftsatz vom 4.4.2014 hat die Klägerin einen Prozesskostenhilfeantrag für die beabsichtigte Berufung gestellt (Bl. 158 II). Dem Schriftsatz beigefügt war der Entwurf einer Berufungs- und einer Berufungsbegründungsschrift. Mit Verfügung vom 29.4.2014 (Bl. 119 f. PKH-Heft II) wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass Prozesskostenhilfe augenblicklich nicht bewilligt werden könne, weil nicht auszuschließen sei, dass der Klägerin gegenüber ihrem Ehemann ein Prozesskostenvorschussanspruch gem. § 1360a Abs. 4 S. 1 BGB zustehen könne. Mit Schriftsatz vom 19.5.2014 hat die Klägerin noch einen Nachweis über die von ihrem Ehemann zu zahlende Krankenversicherung vorgelegt und - ohne jeden Beleg - Kosten für doppelte Haushaltsführung und Fahrtkosten des Ehemannes geltend gemacht. Mit Beschluss vom 26.5.2014 hat der Senat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen (Bl. 129 f. PKH-Heft II). Der Beschluss wurde der Klägerin am 16.6.2014 zugestellt (Bl. 189 II). Mit dem am 26.6.2014 beim OLG eingegangenem Schriftsatz (Bl. 190 ff. II) hat die Klägerin Berufung eingelegt, diese begründet und einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Zur Begründung dieses Antrags trägt sie vor, dass die Ablehnung der Prozesskostenhilfe unerwartet erfolgt sei, nach dem ihr für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe bewilligt worden sei.

II. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zurückzuweisen, weil der Antrag nicht innerhalb der Frist aus § 234 Abs. 1 S. 1 ZPO gestellt wurde. Die Klägerin konnte nicht abwarten, bis ihr der die nachgesuchte Prozesskostenhilfe versagende Beschluss vom 26.5.2014 zugestellt wurde. Sie konnte auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren auch nicht deshalb vertrauen, weil ihr bei (unveränderten) eigenen Einkommensverhältnissen für die 1. Instanz Prozesskostenhilfe bewilligt worden war. Einer Prozesspartei, die bis zum Ablauf einer Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsfrist lediglich einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt hat, kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen schuldloser Fristversäumung nur dann bewilligt werden, wenn sie vernünftiger Weise nicht mit der Verweigerung der Prozesskostenhilfe mangels Bedürftigkeit rechnen musste (z.B. BGH Beschl. v. 13.1.2010 - XII ZB 108/09 - [z.B. MDR 2010, 400]; hier: zitiert nach juris). Davon ist in der Regel dann nicht auszugehen, wenn ihr vom Gericht ein rechtlicher Hinweis dahingehend erteilt wird (dazu: BGH, a.a.O.), dass Bedenken gegen die Glaubhaftmachung der Bedürftigkeit bestehen, weil ihr (hier) ein Prozesskostenvorschussanspruch gegenüber ihrem Ehemann gem. § 1360a Abs. 4 S. 1 BGB zustehen kann. Auf diesen Umstand (bei genauer Berechnung des Anspruchs anhand der Einkommen der Klägerin und ihres Ehemannes) hat der Senat die Klägerin mit der Verfügung vom 29.4.2014 ausdrücklich hingewiesen. Ob insoweit auf den (aktenmäßig allerdings nicht zu belegenden) Zeitpunkt des Zugangs dieser Verfügung für den Beginn der Frist aus § 234 Abs. 1 S. 1 ZPO abzustellen ist, oder auf den Eingang des Schriftsatzes vom 19.5.2014 kann letztlich für den vorliegenden Fall dahinstehen. Die Klägerin konnte nicht davon ausgehen, die Bedenken des Senats mit dem Inhalt dieses Schriftsatzes ausräumen zu können. Soweit sie einen Nachweis über die Krankenversicherung ihres Ehemannes vorlegt, konnte sie durch einfache Berechnung anhand der Berechnungsweise in der Verfügung vom 29.4.2014 selbst feststellen, dass dies den Prozesskostenvorschussanspruch nur unwesentlich verringern würde, dies aber nicht dazu führen konn...

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