Normenkette
BGB § 305; IfSG §§ 6-7
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 06.10.2020 verkündete Grundurteil des Landgerichts Magdeburg, Geschäftsnummer 31 O 45/20, abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten beider Instanzen.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Und beschlossen:
Der Streitwert der Berufung wird auf die Gebührenstufe bis 65.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte im Zusammenhang mit behördlichen Anordnungen zur Eindämmung des Coronavirus SARS-COV-2 auf Leistungen aus einer Betriebsschließungsversicherung in Anspruch.
Zum Sach- und Streitstand in 1. Instanz, der dort gestellten Anträge, der Entscheidung des Landgerichts und deren Begründung wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (Bd. I Bl. 89 ff der Akte).
Der maßgebliche Inhalt der für das streitgegenständliche Versicherungsverhältnis geltenden Allgemeinen Bedingungen für die Versicherung von Betrieben gegen Schäden infolge Infektionsgefahr bei Menschen (Betriebsschließungsversicherung) - BS 2008 lautet:
§ 23 Gegenstand der Versicherung
Ist der Versicherte Betrieb von behördlichen Anordnungen (siehe § 25) aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten bei Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) betroffen, ersetzt der Versicherer den dadurch entstehenden Schaden.
...
§ 25 Versicherte Gefahren und Schäden
1. Behördliche Anordnungen zu Schließung, Desinfektion und Tätigkeitsverbote
Der Versicherer leistet bis zu den in § 30 genannten Entschädigungsgrenzen Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Infektionsschutzgesetzes beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 4)
...
untersagt (Tätigkeitsverbote).
...
4. Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger
Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger:
a) Krankheiten
... (Liste einzelner Krankheiten)
b) Krankheitserreger:
... (Liste einzelner Krankheitserreger)
5. Nichtversicherte Gefahren und Schäden
...
c) Der Versicherer haftet nicht
...
cc) bei Prionenerkrankungen oder dem Verdacht hierauf
...
Die Liste der Krankheiten und Krankheitserreger, auf welche wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, erwähnt weder COVID 19 noch SARS-COV-2. Mit dem Versicherungsschein wurde der Klägerin auch ein Auszug aus dem Infektionsschutzgesetz überlassen, der dessen §§ 6, 7, 25, 29 und 42 a. F. enthält.
Gegen das Urteil, mit dem das Landgericht die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erachtet hat, wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie die Abweisung der Klage verfolgt.
Die Beklagte meint, in der Versicherungssparte der Sach- und Betriebsunterbrechungsversicherung seien Grundurteile in der Praxis nicht statthaft. Soweit - wie im vorliegenden Fall - Schadensumfang und Schadenshöhe streitig seien, dürfe kein Grundurteil ergehen.
In der Sache berücksichtige die angefochtene Entscheidung insbesondere nicht, dass in den hier maßgeblichen Allgemeinen Versicherungsbedingungen (BS 2008) die Krankheiten und Krankheitserreger aufgelistet seien, die zu Ansprüchen der Klägerin aus dem streitgegenständlichen Versicherungsvertrag führen können. Unter Bezugnahme auf diverse Gerichtsurteile zur Frage von Ansprüchen im Zusammenhang mit behördlichen Anordnungen zur Eindämmung des Coronavirus SARS-COV-2 vertritt die Beklagte die Auffassung, die streitgegenständlichen Versicherungsbedingungen könne der verständige Versicherungsnehmer nur so verstehen, dass es sich bei dieser Aufzählung um eine abschließende Aufzählung der Krankheiten bzw. Krankheitserreger handelt, durch die ein Versicherungsfall eintreten soll. Der einzige Sinn der umfangreichen Aufzählung könne nur darin liegen, die Einstandspflicht der Beklagten gerade auf die dort aufgezählten Fälle zu begrenzen. Hierzu brauche es gerade auch nicht einer weiteren zusätzlichen Verdeutlichung, indem etwa nochmals betont werde, dass "nur" die folgenden Krankheiten bzw. Krankheitserreger einen Versicherungsfall darstellten. Selbst wenn die streitgegenständlichen AVB die Krankheiten und Erreger nicht tabellarisch auflisten würden, bestünde Versicherungsschutz nur bezüglich der Krankheiten, die in § 6 und 7 Infektionsschutzgesetz namentlich, also ausdrücklich, genannt seien. Das Infektionsschutzgesetz sei erst mit Wirkung zum 23.05.2020 dahingehend geändert worden, dass COVID 19 nunmehr aufgelistet ist. Die Klägerin mache jedoch einen Schaden geltend, der durch die behauptete Schließung vom 23.03.2020 bis zum 03.05.2020 entstanden sei. Die Beklagte wiederholt im Übrigen ihren Vortrag, wonach der Betrieb der Klägerin nicht vollständig geschlossen gewesen sei und schon deshalb kein Versicherungsfall eingetr...