Leitsatz (amtlich)

1. Auf die Nachforderung von rückständigem Mietzins durch den Vermieter sind „spiegelbildlich” die Grundsätze anzuwenden, die von der Rspr. zum Wegfall des Minderungsrechts des Mieters bei nachträglicher Kenntniserlangung von Mängeln (§ 539 BGB a.F. in analoger Anwendung) entwickelt worden sind.

2. Ist das Nachforderungsrecht des Vermieters vor dem 1.9.2001 bei „spiegelbildlicher” Anwendung dieser Grundsätze verwirkt, lebt das Nachforderungsrecht für die Zukunft nicht wider auf (gegen: BGH, Urt. v. 16.7.2003 – VIII ZR 274/02, MDR 2003, 1103 = BGHReport 2003, 919 = NZM 2003, 679).

 

Verfahrensgang

LG Dessau (Urteil vom 13.06.2003; Aktenzeichen 2 O 470/03)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 13.6.2003 verkündete Urteil des LG Dessau (2 O 470/03) wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 13.6.2003 verkündete Urteil des LG Dessau (2 O 470/03) abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 2.000 Euro abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Zwischen den Parteien besteht ein Mietvertrag über Räumlichkeiten zum Betrieb einer Apotheke. In § 3 Ziff. 1 des Mietvertrages (Bl. 7 in 2 O 1880/00 LG Dessau; i. F. BA) heißt es u.a.:

Darüber hinaus erhöht sich die Grundmiete um 2 DM – per m2 zzgl. MwSt. für den 3. Humanmediziner.

Unstreitig ist ein dritter Humanmediziner ab dem 1.9.2000 in dem Mietobjekt tätig. Zwischen den Parteien war ein Rechtsstreit vor dem LG Dessau (2 O 1880/00) rechtshängig, in dem die Klägerin restlichen Mietzins für die Zeit von Februar 2000 bis Oktober 2001 geltend gemacht hat. Den Mietzins hat sie dabei ausgehend von dem ursprünglich vereinbarten Grundbetrag errechnet. Der Erhöhungsbetrag gem. § 3 Ziff. 1 des Mietvertrages war nicht Gegenstand des Rechtsstreits. Die Beklagte wendete Mängel ein. Im Termin vom 30.1.2003 (Bl. 111/112 BA) schlossen die Parteien einen Vergleich, in dem sich die Beklagte zur Zahlung eines Betrages von 4.000 Euro verpflichtete. Weiter heißt es in dem Vergleich:

Damit sind alle gegenseitigen Ansprüche der Parteien aus diesem Rechtsstreit erledigt.

Mit Schreiben vom 31.1.2003 (Bl. 5) forderte die Klägerin die Beklagte auf, den Erhöhungsbetrag gem. § 3 Ziff. 1 des Mietvertrages rückwirkend ab September 2000 zu zahlen.

Die Beklagte zahlt den erhöhten Betrag ab Februar 2003. Die Rückstände von September 2000 bis Januar 2003 sind Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Klägerin durch den abgeschlossenen Vergleich auf eine Nachforderung des Erhöhungsbetrages verzichtet habe. Ein Anspruch sei jedenfalls verwirkt. Nach Ablauf von 29 Monaten habe sie nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen müssen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrages der Parteien und der in erster Instanz gestellten Anträge wird Bezug genommen auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil (Bl. 37–42).

Das LG hat der Klage für die Zeit ab November 2001 stattgegeben. Der im Vorverfahren abgeschlossene Vergleich stehe der Geltendmachung des Erhöhungsbetrages nicht entgegen. Die Prozessführung der Klägerin im Vorverfahren führe aber dazu, dass der Nachforderungsanspruch für den Zeitraum verwirkt sei, der auch im Vorprozess streitgegenständlich gewesen sei (September 2000 – Oktober 2001). Dieser Vertrauenstatbestand gelte aber nicht für die Zeit danach.

Gegen dieses Urteil wenden sich beide Parteien mit der Berufung.

Die Klägerin verfolgt ihren Zahlungsantrag aus erster Instanz weiter. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Berufungsbegründung 18.8.2003 (Bl. 83–87) und die Schriftsätze vom 26.8.2003 (Bl. 96/97) und 29.9.2003 (Bl. 107/108).

Die Klägerin beantragt, das am 13.6.2003 verkündete Urteil des LG Dessau (2 O 470/03) abzuändern und die Beklagte zur Zahlung weiterer 3.460,34 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus jeweils 215,34 Euro seit dem 8.9.2000, 9.10.2000, 8.11.2000, 8.12.2000, 8.1.2001, 8.2.2001, 8.3.2001, 8.4.2001, 8.5.2001, 8.6.2001, 9.7.2001, 8.8.2001, 10.9.2001 und 8.10.2001 zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen und weiter, das am 13.6.2003 verkündete Urteil des LG Dessau (2 O 470/03) abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil, soweit das LG die Klage abgewiesen hat und ist i.Ü. der Ansicht, dass eine Nachforderung insgesamt verwirkt sei.

Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Berufungsbegründung vom 30.7.2003 und den Schriftsatz vom 19.9.2003 (Bl. 103–105).

Die Klägerin beantragt weiter, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

II. Beide Berufungen sind zulässig, insb. form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat nur das Rechtsmittel der Beklagten Erfolg. Die Klägerin ...

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