Leitsatz (amtlich)

Im Zweifel ist den Angaben des Arztes, dass eine Risikoaufklärung erfolgt ist, zu glauben, wenn seine Darstellung in sich schlüssig ist und einiger Beweis für ein Aufklärungsgespräch erbracht worden ist. Das setzt voraus, dass unstreitig oder nachgewiesen ist, dass zwischen dem Arzt und dem Patienten ein Gespräch stattgefunden hat, in dem über den Eingriff gesprochen wurde.

 

Verfahrensgang

LG Magdeburg (Urteil vom 07.05.2014; Aktenzeichen 9 O 1162/12)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 7.5.2014 verkündete Urteil des LG Magdeburg (9 O 1162/12) wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht Schadensersatz im Zusammenhang mit der Wurzelbehandlung verschie-dener Zähne (dazu i.E.: Stellungnahme Dr. T. Bl. 96/97 I) durch den Beklagten im Zeitraum von Juni 2008 bis Januar 2009 geltend. Ende November 2008 wurde der Zahn 47 auf Wunsch der Klägerin extrahiert. Während des Behandlungszeitraums litt die Klägerin unter Schmerzen und Schwellungen im Mundbereich. Das LG hat ein schriftliches Sachverständigengutachten eingeholt und nach mündlicher Anhörung des Sachverständigen einen Behandlungsfehler verneint. Dies nimmt die Berufung hin. Mit der Berufung wird ausschließlich gerügt, dass der Beklagte die Klägerin nicht über die Behandlungsalternativen Wurzelbehandlung/sofortige Extraktion sowie über Umfang und Risiken der Wurzelbehandlung aufgeklärt habe (BB S. 3 - Bl. 29 II). Wäre sie über die Komplikationsmöglichkeiten bei einer Wurzelbehandlung aufgeklärt worden, hätte sie sich sofort für die Extraktion entschieden. Unstreitig enthält die schriftliche Dokumentation des Beklagten keine Einträge über eine erfolgte Aufklärung.

Das LG hat zu dem Punkt Aufklärung die Zeuginnen W. und G. (Mitarbeiterinnen des Beklagten) vernommen sowie die Klägerin persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 9.4.2014 (Bl. 227 ff. I).

Das LG hat auf dieser Basis auch einen Aufklärungsmangel verneint. Beide Zeuginnen hätten zwar keine konkrete Erinnerung an eine Aufklärung im Fall der Klägerin, sie hätten aber eine ständige Übung dahingehend geschildert, dass der Beklagte selbst die Patienten vor einem Eingriff aufkläre.

Von der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird gem. § 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.

Gegen das die Klage insgesamt abweisende Urteil wendet sich die Klägerin mit der Berufung, mit der sie ihre erstinstanzlichen Klageanträge weiterverfolgt.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er bestreitet, dass es sich bei der Wurzelbehandlung einerseits und der sofortigen Extraktion andererseits überhaupt um echte Behandlungsalternativen handelt.

II. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

Zutreffend weist der Beklagte darauf hin, dass an den Nachweis einer erfolgten Aufklärung keine überzogenen Anforderungen gestellt werden dürfen. Im Zweifel ist den Angaben des Arztes zu glauben, dass eine Risikoaufklärung erfolgt ist, wenn seine Darstellung in sich schlüssig und einiger Beweis für ein Aufklärungsgespräch erbracht worden ist. Darüber hinaus setzt dies nach einer weit verbreiteten Ansicht (Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 3. Aufl., Anm. A 2273 m.w.N.) weiter voraus, dass unstreitig oder nachgewiesen ist, dass zwischen dem Arzt und dem Patienten ein Gespräch stattgefunden hat, in dem über den Eingriff gesprochen wurde.

Nach dem Ergebnis der Anhörung der Parteien im Termin vom 20.11.2014 steht zur Überzeugung des Senates fest, dass der Beklagte die Klägerin im Vorfeld der Wurzelbehandlungstermine (bezogen auf die sukzessiv erfolgten Wurzelbehandlungen der Zähne 12, 13, 14, 15 und 47) zureichend darüber aufklärte, dass und warum in ihrem Fall der Versuch, den Schmerzen der Klägerin durch eine Wurzelbehandlung zu begegnen, der Vorzug zu geben war gegenüber der "ultima ratio" einer Extraktion der betreffenden Zähne.

Der Beklagte hat in seiner Anhörung angegeben, der Klägerin zu Beginn der Behandlung erläutert zu haben, dass und warum angesichts ihrer individuellen Situation (die Patientin verfügte bereits über eine verkürzte Zahnreihe; die betroffenen Zähne waren nicht kariös) der Versuch, die Schmerzen im Wege einer Wurzelbehandlung erfolgreich zu beseitigen, unternommen werden sollte. Die Alternative einer Extraktion könne, so seine Erläuterungen gegenüber der Klägerin, i. S. einer "ultima ratio" immer noch gewählt werden ("Ich habe das Frau H. erläutert und gesagt, dass sie sich mit einer solchen Wurzelbehandlung nichts vergibt, weil man immer noch die Zähne ziehen könnte."). Die Behandlungsalternative einer sofortigen Extraktion habe er dargelegt.

Die Klägerin hat in ihrer Anhörung erklärt, "nicht richtig aufgeklärt" worden zu sein. Zwar sei ih...

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