Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftungsverteilung bei einem Auffahrunfall auf der Autobahn mit unmittelbar vorangegangenem Fahrstreifenwechsel
Leitsatz (redaktionell)
1. Auch wenn die Richtgeschwindigkeit auf Autobahnen nicht verbindlich ist, so stellt sie doch einen Appell an die Verantwortung eines Verkehrsteilnehmers dar, der vor dem Hintergrund der erhöhten Anforderungen eines Idealfahrers nicht unbeachtet bleiben darf.
2. Kommt es auf der Autobahn nach einem ohne sorgfältige Rückschau auf nachfolgende Fahrzeuge durchgeführten Fahrstreifenwechsel zu einem Auffahren eines nachfolgenden Fahrzeugs, so trägt der Fahrstreifenwechsler die alleinige Haftung, wenn er die Überschreitung der Richtgeschwindigkeit durch das auffahrende Fahrzeug als gefahrerhöhenden Umstand nicht beweisen konnte.
Verfahrensgang
LG Dessau-Roßlau (Entscheidung vom 03.09.2007; Aktenzeichen 6 O 1008/05) |
Tenor
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Verkündet am: 06. Juni 2008
10 U 72/07 OLG Naumburg
6 O 1008/05 LG Dessau-Roßlau
In dem Rechtsstreit
...
hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch die Richterin am Oberlandesgericht Göbel als Vorsitzende, den Richter am Oberlandesgericht Wulfmeyer und die Richterin am Landgericht Jostes auf die mündliche Verhandlung vom 16. Mai 2008
für R e c h t erkannt:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 03. September 2007 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 6. Zivilkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau wird zurück gewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
A. Die Klägerin nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner auf Ersatz ihrer materiellen Schäden aus einem Verkehrsunfall, der sich am 12. Januar 2005 gegen 17:15 Uhr auf der BAB 9 in Fahrtrichtung München in Höhe km 80,8 ereignete, in Anspruch.
Die Klägerin ist Halterin des unfallgeschädigten Pkw Opel Vectra, amtliches Kennzeichen ..., der zur Unfallzeit am 12. Januar 2005 von ihrem Sohn, dem Drittwiderbeklagten, geführt wurde.
Die Beklagte zu 1) ist Halterin des unfallbeteiligten Pkw BMW, amtliches Kennzeichen ..., den der Beklagte zu 2) seinerzeit auf der BAB 9 als Fahrer steuerte und der bei der Beklagten zu 3) haftpflichtversichert war.
Der Drittwiderbeklagte fuhr am 12. Januar 2005 mit dem von der Klägerin gehaltenen Kfz. Opel Vectra an der Anbindungsstelle Dessau Süd hinter dem von dem Zeugen S. auf der rechten Fahrspur gelenkten Lastzug auf die BAB 9 in Fahrtrichtung München auf. Der Beklagte zu 2) war mit dem Pkw BMW der Beklagten zu 2) in gleicher Fahrtrichtung auf der mittleren Fahrspur der BAB 9 unterwegs. Die Autobahn verläuft in diesem Streckenabschnitt dreispurig, eine Geschwindigkeitsbegrenzung besteht nicht. Der Drittwiderbeklagte wechselte zum Zwecke des Überholens des Lkw auf die mittlere Fahrspur, dort kollidierte er mit dem von hinten auf der mittleren Fahrspur herannahenden Pkw BMW der Beklagten zu 1). Der von dem Beklagten zu 2) gesteuerte BMW stieß mit der rechten Frontpartie seitenversetzt gegen den linken Bereich des Fahrzeughecks des Pkw Opel Vectra. Durch den Aufprall wurde das klägerische Fahrzeug nach rechts gegen den Anhänger des auf der rechten Fahrspur fahrenden Lastzuges geschleudert. Das Beklagtenfahrzeug schleuderte kollisionsbedingt auf die linke Fahrspur und prallte gegen die Mittelleitplanke, wo es quer zur Fahrtrichtung zum Stehen kam.
An dem Pkw Opel Vectra trat ein wirtschaftlicher Totalschaden ein. Die Klägerin ließ das unfallgeschädigte Fahrzeug begutachten und mietete für den Zeitraum vom 13. Januar bis 27. Januar 2005 bei der Firma C. Autovermietungs-GmbH einen Mietwagen an. Sie macht gegen die Beklagten den von dem Sachverständigen ermittelten Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwertes in Höhe von insgesamt 6.590,-- Euro geltend und verlangt ferner Ersatz ihrer Mietwagenkosten in Höhe von 873,48 Euro für die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges, des Gutachterhonorars des Kfz-Sachverständigen in Höhe von 643,13 Euro, der An- und Abmeldekosten und der Gebühren für neue Kennzeichen in Höhe von 92,40 Euro. Von der Automeisterei Dessau wurde die Klägerin mit Rechnung vom 04. Juli 2005 auf Zahlung des Instandsetzungsaufwandes für die Reparatur der geschädigten Stahlschutzblanke in Höhe von 761,16 Euro in Anspruch genommen. Den Ausgleich dieser Aufwendungen sowie die Erstattung der Unkostenpauschale in Höhe von 20,45 Euro sowie ferner die Anwaltskosten für die außergerichtliche Einschaltung ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten in Höhe einer halben Geschäftsgebühr hat sie gegenüber den Beklagten gleichfalls geltend gemacht.
Ihre Ansprüche auf Erstattung der Mietwagenkosten sowie des Gutachterhonorars trat sie mit Sicherungsabtretungserklärungen vom 13. Januar 2005 an das Mietwagenunternehmen einerseits und an den Kfz-Sachverständigen andererseits ab.
Die Regulierung der mit Anwaltsschreiben vom 27. Februar 2005 angemeldeten Schadenspositionen lehnte die Beklagte zu 3) mit Schreiben vom 06. März 2005 endgültig ab.
Die Klä...