Verfahrensgang

LG Halle (Saale) (Urteil vom 12.04.2021; Aktenzeichen 4 O 434/20)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 12.04.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Halle wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

und beschlossen:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf die Stufe bis 30.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte im Zusammenhang mit dem sog. Dieselskandal auf Rückabwicklung eines am 27.08.2014 getätigten Erwerbs eines VW Golf GTD 2.0 TDI in Anspruch, in welchem ein Motor des Typs EA288 EU6 NSK verbaut ist, in dessen Motorsteuerung unstreitig eine sog. Fahrkurve hinterlegt ist, anhand derer das Fahrzeug erkennt, ob es sich innerhalb eines bestimmten Zeit-Strecken-Korridors wie dem Precon oder dem NEFZ befindet (vgl. Bl. 131 II d.A. 8 U 1/21).

Dem Senat ist zudem aus verschiedenen Parallelverfahren Folgendes (gerichts-) bekannt:

In einer E-Mail des (Name geschwärzt) Senior Counsel und Dipl.-Ing. Fahrzeugtechnik der Beklagten an das KBA vom 01.10.2015 wird zu Dieselmotoren mit Emissionsstufe EU S der Beklagten Folgendes ausgeführt:

"Die Motor-Software enthält eine Fahrkurve zur Präkonditionierung sowie eine Temperatur- und eine Weg-Zeit-Sensierung, die mit Toleranzzugabe die Weg-Zeit-Funktion NEFZ erkennt, wird eine der Toleranzgrenzen dieser Erkennung einmal überschritten, geht der Funktionsmodus in die Applikation für den Straßenbetrieb über und kann bis zum nächsten Motorstart nicht mehr in den NEFZ-Modus zu rückkehren. Dia Motorapplikation für beide Funktionmodi ist identisch. Eine Lenkwinkel- oder Raddrehzahlsensierung oder sonstige Sensierung von Fahrzeugdaten findet zu diesem Zweck nicht statt".

In einer 13-seitigen Stellungnahme der von der Beklagten beauftragten Kanzlei F. B. D. vom 04.10.2015 wird unter B. II. 2.2. die Funktionsweise des NSK- Systems wie folgt beschrieben:

"Aufgrund dar Tatsache, dass der Testlauf auf dem Rollenprüfstand nach den EU-rechtlichen Vorgaben des NEFZ strikt auf einen bestimmten Zeitraum festgelegt ist (4 × 195 sec Simulation innerstädtischer Verkehr, insgesamt 4,052 km, anschließend 400 sec Simulation außerstädtischer Verkehr, Wegstrecke 6,955 km), innerhalb dessen nicht sicher damit gerechnet werden kann. ob/wann die Speichergrenze von 1-1,5g erreicht ist, der Prüfzyklus indes widerspiegeln sollte, dass es tatsächlich eine Regeneration des NSK gibt, sowie die Testergebnisse reproduzierbar sein sollen, wird im Rollenprüfstandsmodus die Regeneration des NSK zeitgesteuert, nämlich durch Regeneration im NSK zu zwei festgelegten Zeitpunkten im ersten Drittel des außerstädtischen Verkehre (bei 70 km/h und 120 km/h). Die tatsächliche Wirksamkeit des NSK unterscheidet sich nicht, sie ist damit im normalen Fahrbetrieb nicht verringert.

Würde der NSK auf dem Rollenprüfstand nicht zeit-, sondern beladungs- und streckengesteuert, so hätte dies keinen Einfluss darauf, dass die EU6-Emissionsgrenzwerte weiterhin eingehalten werden".

Unter C. II. I 1 und 2 des vorgenannten Dokuments wird der obige Sachverhalt dann einer rechtlichen Würdigung unterzogen, und zwar dahingehend, dass die Umstellung des NSK auf eine Zeitsteuerung bei Durchfahren des NEFZ keine unzulässige Abschalteinrichtung darstelle, weil sie nicht zu einer Verringerung der Wirksamkeit des Emissionsminderungssysteme bzw. des NSK unter normalen Fahrbedingungen führe; darüber hinaus sei

"äußerst zweifelhaft, ob schon im Ausgangspunkt eine Abschalteinrichtung" vorliege, da die "beladungsgesteuerte Reduktion des NSK . der Grund- und Normalmodus für den Fahrbetrieb des Fahrzeugs" sei.

Aus dem Verfahren 8 U 68/20 (NSK) ist dem Senat bekannt, dass der NSK im Fahrbetrieb regelmäßig "regeneriert", d.h. unter Aufspaltung der eingelagerten Stickoxide (NOx) in deren Komponenten Stickstoff (N2) und Kohlendioxid (CO2) geleert wird, wobei sich jede NSK-Regeneration ("DeNOx-Event") auf die CO2- und Schadstoffemissionen auswirkt. Eine weitere Regeneration gibt es für die Entschwefelung ("DeSox"). Im Straßen betrieb erfolgt die NSK-Regeneration in bestimmten Streckenintervallen (ca. alle 5 km) oder wenn der NSK voll "beladen" ist, je nachdem, welches Ereignis zuerst eintritt. In den Fahrzeugen war zunächst eine Software verbaut, welche mittels einer sog. "Fahrkurvenerkennung" (auch "Zykluserkennung" genannt), die Vorkonditionierung ("Precon") für die Messung auf dem Teststand im NEFZ erkennt. Die Motorsoftware stellte dann sicher, dass am Ende der Vorkonditionierung eine Regeneration des NSK erfolgt, sodass dieser zu Beginn der anschließenden Messung fast leer ist Dementsprechend wird indem oben bereits zitierten, mit "Applikationsanweisung Diesel Fahrkurven EA288 NSK" überschriebenen und dem Vermerk: "PRIVILEGED & CONFIDENTIAL" versehene...

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