Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Auslegung von § 19 Abs. 1 EEG 2009
Leitsatz (amtlich)
a) Das in § 19 Abs. 1 Nr. 1 EEG 2009 normierte Tatbestandsmerkmal bezieht sich ausschließlich auf objektiv festzustellende räumliche Gegebenheiten.
b) In § 19 Abs. 1 EEG 2009 ist als Rechtsfolge eine widerlegliche Rechtsvermutung angeordnet worden.
Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Urteil vom 27.05.2014; Aktenzeichen 5 O 400/13) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 27.5.2014 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des LG Halle abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 9.365,55 EUR nebst Zinsen i.H.v. jeweils acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB aus einem Teilbetrag i.H.v. 2.720,75 EUR seit dem 1.1.2011, aus weiteren 3.404,02 EUR seit dem 1.1.2012 und aus weiteren 3.240,78 EUR seit dem 1.1.2013 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die in der Gemarkung N. auf den Flurstücken 33/8, 33/16 und 33/7 belegenen und jeweils auf Gebäuden errichteten Fotovoltaikanlagen mit installierten Leistungen von 130 kWp, 115,34 kWp und 52,88 kWp vergütungsrechtlich nicht als eine Anlage i.S.d. § 19 Abs. 1 EEG 2009 gelten.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
A. Die Prozessparteien streiten um die vergütungsrechtliche Behandlung von drei Fotovoltaik-Dachinstallationen unter dem Regime des EEG 2009.
Die Klägerin ist Muttergesellschaft und jeweils persönlich haftende Gesellschafterin der S 1 ... GmbH & Co. KG, der S 5 ... GmbH & Co. KG und der L. GmbH & Co. KG. Jede der drei genannten Tochtergesellschaften ist Betreiberin eines Fotovoltaik-Dachanlagenkomplexes. Die Gebäude, auf denen die Dachanlagenkomplexe errichtet wurden, befinden sich auf dem Betriebsgelände des Obstgutes K. in der Gemarkung N., welches im Eigentum des Inhabers W. K. steht und als Obstgut eine einheitliche postalische Anschrift, nämlich T. Straße 2z, S., hat. Die Klägerin mietete die Gebäudedächer für die Errichtung und den Betrieb von Fotovoltaikanlagen; das vorgenannte Nutzungsrecht wurde dinglich gesichert durch die Eintragung einer gemeinsamen beschränkten persönlichen Dienstbarkeit zugunsten der Klägerin (vgl. Grundbuch von S., Blatt 519, Abteilung II, lfd. Nr. 6).
Der Anlagenkomplex der S 1 ... GmbH & Co. KG mit einer installierten Leistung von 130 kWp (künftig: FVA 1) befindet sich auf dem Dach einer 1974 errichteten Lagerhalle, welche auf dem Flurstück 33/8 belegen ist. Der Anlagenkomplex der S 5 ... GmbH & Co. KG mit einer installierten Leistung von 115,34 kWp (künftig: FVA 2) ist auf dem Dach eines 1983 errichteten Verwaltungs- und Bürogebäudes, belegen auf dem Flurstück 33/16, installiert, der Anlagenkomplex der L. GmbH & Co. KG mit einer installierten Leistung von 52,88 kWp (künftig: FVA 3) auf dem Dach einer 1975 erbauten Lager- und Verkaufshalle, belegen auf dem Flurstück 33/7. Die genannten Flurstücke sind jeweils im Grundbuch von S., Blatt 519, eingetragen, und zwar die Flurstücke 33/8 mit 2.711 m2 und 33/7 mit 5.166 m2 gemeinsam neben weiteren, flächenmäßig kleineren Flurstücken unter lfd. Nr. 1 des Bestandsverzeichnisses und das Flurstück 33/16 mit 2.387 m2 neben weiteren Flurstücken unter lfd. Nr. 2 des Bestandsverzeichnisses. Jeder der Dachanlagenkomplexe verfügt über eigene Wechselrichter und Anschlussleitungen; letztere werden vor dem Netzanschlusspunkt zusammengeführt. Vertragspartnerin des Netzanschluss- und Einspeisevertrages mit der Beklagten, der Betreiberin des vorgelagerten Stromverteilungsnetzes, ist die Klägerin. Die Anlagenkomplexe wurden zeitgleich von der U. Photovoltaik GmbH & Co. KG errichtet und von der R. Volks- und Raiffeisenbank e. G. finanziert; die verwendeten Module (Sharp, Nennleistung 235 W) und Wechselrichter (KACO) stammten jeweils vom selben Hersteller. Alle drei Dachanlagenkomplexe wurden jeweils am 26.1.2010 in Betrieb genommen. Wegen der Einzelheiten der Lage der Fotovoltaikanlagen wird ergänzend auf den Auszug aus der Liegenschaftskarte (Anlage K 5, GA Bl. 131) sowie auf die Luftbildaufnahmen vom Obstgut K. (Anlage B 4, Bl. 204) Bezug genommen.
Die Beklagte vergütete den in den drei Anlagenkomplexen erzeugten und in ihr Netz eingespeisten Strom nach den Vergütungssätzen des § 33 Abs. 1 EEG 2009, wobei sie ihrer Berechnung eine Zusammenfassung aller Anlagen nach § 19 Abs. 1 EEG 2009 zugrunde legte.
Die Klägerin begehrt eine Ermittlung und Zahlung der Vergütung des eingespeisten Stroms unter vergütungsrechtlich getrennter Betrachtung der drei Anlagenkomplexe.
Sie hat die Ansicht vertreten, dass sie als Inhaberin des Netzanschlusses und Vertragspartnerin des Einspeisevertrages klagebefugt sei; hilfsweise hat sie sich auf eine Abtretung etwaiger Ansprüche der drei Anlagenbetreiberinnen berufen. Sie ist der Meinung, dass die Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EEG 2009 nicht erfüllt seien. Jedes Flurstück sei als eigenständiges Grunds...