Verschiedene Nutzungsmodelle für Photovoltaik-Strom auf Mehrfamilienhäusern
Hintergrund
Europa soll der erste klimaneutrale Kontinent werden. Die neue EU-Gebäuderichtlinie (Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden, EPDB, s. auch Blogbeitrag zu EU-Gebäudeeffizienzrichtlinie) führt in Art. 9a EPDB eine grundsätzliche „Solarpflicht“ für Gebäudedächer ein. Zunächst müssen alle Neubauten so konzipiert sein, dass sie sich für die Installation von PV-Anlagen eignen. Zudem sollen auf Gebäuden der öffentlichen Hand ab 2027 schrittweise PV-Anlagen installiert werden, soweit das technisch, wirtschaftlich und funktionell machbar ist. Aber Deutschland verfolgt auch ohne Europa ambitionierte Klimaschutzziele, insoweit gewinnen die Ausbauziele für Solarenergie zunehmend an Bedeutung (vgl. auch die Neuregelungen im Solarpaket I, vgl. Blogbeiträge zum Solarpaket I, abrufbar unter https://www.advant-beiten.com/de/blogs/solarpaket-i-starker-rueckenwind-fuer-die-dezentrale-gebaeudeversorgung und https://www.advant-beiten.com/de/blogs/solarpaket-i-weitere-verbesserungen-fuer-solaranlagen). In diesem Zuge wird in den jeweiligen Landesbauordnungen der Länder zunehmend die Verpflichtung zur Installation und zum Betrieb von Photovoltaikanlagen auf geeigneten Dachflächen eingeführt. Auch wenn aktuell meist nur Neubauten von Nichtwohngebäuden von dieser Solarpflicht betroffen sind, ist aufgrund der weitreichenden Vorgaben in der EPDB davon auszugehen, dass die Solarpflicht in näherer Zukunft auch auf den Neubau und die Dachsanierung von Wohngebäuden ausgeweitet wird. Beispielsweise sieht die EPDB vor, dass die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet sind, bis 31.12.2032 PV-Anlagen auf Gebäuden zu errichten, die einer größeren Renovierung unterzogen werden. Gleichzeitig wächst aber auch vonseiten der Mieter, insbesondere aufgrund der Energiekrise der letzten 2 Jahre, das Interesse an einer zuverlässigen, dezentralen und nachhaltigen Stromversorgung. Aus Sicht der Eigentümer von Mehrfamilienhäusern eröffnen sich verschiedene Chancen zur Nutzung ihres lokal erzeugten Photovoltaikstroms.
Nutzungsmöglichkeiten von PV-Strom
Zu den verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten zählen die Einspeisung ins Netz der allgemeinen Versorgung (hierzu unter 2.1), die Nutzung als Mieterstrom (hierzu unter 2.2), die Nutzung zur gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung (hierzu unter 2.3), oder zur Deckung des Verbrauchs der Liegenschaft, sog. Eigenversorgung (hierzu unter 2.4). Die Ausführungen beziehen sich nur auf PV-Anlagen, die sich noch in der Förderung befinden. Der Förderungszeitraum beträgt 20 Jahre zuzüglich des Inbetriebnahmejahres der Anlage gem. § 25 Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Zudem sieht § 49 EEG eine lineare Reduzierung der Vergütungshöhe um 1 Prozent alle 6 Monate seit dem 1. Februar 2024 im Bereich der Einspeisung in das Netz der allgemeinen Versorgung und im Mieterstrommodell vor. Ein Wechsel zwischen den verschiedenen Veräußerungsformen ist jeweils zum ersten Kalendertages eines Monats möglich gem. § 21b Abs. 1 S. 2 EEG.
Einspeisung in das Netz der allgemeinen Versorgung
Bei der Einspeisung ins Netz der allgemeinen Versorgung ist grundsätzlich zwischen der sog. festen Einspeisevergütung und der (sonstigen) Direktvermarktung zu unterscheiden.
Bei ersterer erwirbt der Betreiber der PV-Anlage, also diejenige Person die – unabhängig vom Eigentum – die Anlage zur Stromerzeugung nutzt (im Folgenden Anlagenbetreiber), mit einer installierten Leistung von bis zu 100 kWp, einen Anspruch gegen den Netzbetreiber auf Zahlung der Einspeisevergütung gem. §§ 19 Abs. 1 Nr. 2, 21 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3 oder Nr. 4 EEG. Der Eigentümer eines Mehrfamilienhauses könnte die PV-Anlage selbst erwerben oder für den Betrieb pachten.
Der Anlagenbetreiber muss dem lokalen Netzbetreiber den gesamten Strom der PV-Anlage zur Verfügung stellen, der nicht in unmittelbarer räumlicher Nähe zur Anlage verbraucht und nicht durch ein Netz geleitet wird. Eine gleichzeitige Teilnahme am Regelenergiemarkt ist ebenfalls ausgeschlossen. Möglich ist jedoch, dass der Anlagenbetreiber einen Teil des Stroms selbst verbraucht (s. hierzu 2.4), also nur einen etwaigen Überschuss ins Netz einspeist. In diesem Fall erhält er jedoch nicht die um bis zu 50 % erhöhte Förderung für die sog. Volleinspeisung gem. § 48 Abs. 2a EEG.
Grundsätzlich zeichnet sich die feste Einspeisevergütung dadurch aus, dass sie einfach in der Umsetzung und gut kalkulierbar ist. Bei der Frage, ob eine Voll- oder eine Teileinspeisung finanziell vorteilhaft ist, kommt es auf eine Einzelfallbetrachtung bzw. -berechnung an.
Zudem besteht regelmäßig die Option der Direktvermarktung. Hierbei ist nicht der Netzbetreiber, sondern ein Direktvermarkter der Abnehmer. Die Vergütung richtet sich dann nach einem mit dem Direktvermarkter ausgehandelten Preis. Zudem erhält der Anlagenbetreiber eine Marktprämie nach §§ 19 Abs. 1 Nr. 1, 22 EEG. Die Höhe der Marktprämie richtet sich nach der Größe der Anlage und dem Zeitpunkt der Inbetriebnahme. Durch die Marktprämie wird zumindest bei Kleinanlagen bis 100 kWp eine Schlechterstellung gegenüber der festen Einspeisevergütung vermieden. Die Direktvermarktung ist üblicherweise aufgrund der höheren technischen Anforderungen an die PV-Anlage gem. § 10b EEG und der regelmäßig mit dem Direktvermarkter vereinbarten Vermarktungspauschale erst bei Anlagen mit einer höheren Leistung lohnend.
Mieterstrom
Neben dem Anlagenbetreiber können auch die Mieter – soweit der Anlagenbetreiber einen günstigeren als den am Markt verfügbaren Stromtarif anbieten kann – von einer PV-Anlage profitieren und gleichzeitig an der Energiewende teilhaben. Hierzu bietet sich der Anspruch des Anlagenbetreibers gegen den Netzbetreiber auf Zahlung des Mieterstromzuschlags, §§ 19 Abs. 1 Nr. 3, 21 Abs. 3 EEG, an. Der Anspruch auf Mieterstromzuschlag besteht für PV-Anlagen, die auf, an oder in einem Gebäude oder einer Nebenlage des Gebäudes installiert sind und der Stromlieferung durch den Anlagenbetreiber oder einen Dritten an den Letztverbraucher dient. Es ist jedoch erforderlich, dass die PV-Anlage sich in demselben Gebäude, Nebengebäude oder Quartier befindet und der Strom ohne Durchleitung durch ein Netz geliefert wird. Eine wesentliche Neuerung des Solarpaketes I ist, das Mieterstrommodell nicht mehr nur auf Wohngebäude zu limitieren. Vielmehr kann das Mieterstrommodell nun auch auf Gebäude und Quartiere mit gewerblichem Bezug angewendet werden. Einschränkungen bestehen hier, soweit verbundene Unternehmen gleichzeitig als Stromlieferant und Stromverbraucher agieren. Zudem wurde die Möglichkeit geschaffen, Mieterstromverträge mit einer Laufzeit von 2 Jahren zu vereinbaren.
Wenn das Mieterstrommodell gewählt wird, ist zudem ein Vermarktungsmodell für die Überschusseinspeisung in das Netz der allgemeinen Versorgung zu wählen, § 21b Abs. 1 S. 3 EEG.
Das Mieterstrommodell kann durch den Anlagenbetreiber in verschiedenen Modellen aufgesetzt werden.
Einerseits kann der Anlagenbetreiber direkt einen Mieterstromvertrag im Sinne des § 42a Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) mit dem Mieter schließen. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass der Anlagenbetreiber in Zeiten nicht ausreichender Stromproduktion durch die PV-Anlage selbst Strom für die Belieferung seines Mieters einkaufen muss. Der Anlagenbetreiber muss die umfassende Versorgung des Letztverbrauchers sicherstellen, sog. Vollversorgung. Für den zugekauften Stromanteil besteht eine Kennzeichnungspflicht hinsichtlich der verwendeten Energieträger (42a Abs. 5, S. 1, 42 Abs. 3a EnWG) und für den Mieterstromanteil besteht eine Kennzeichnungspflicht als EEG geförderter Strom (42a Abs. 5, S. 3 EnWG). Der Reststrombezug ist aufgrund der Netznutzungsentgelte deutlich teurer als rein dezentral erzeugter Strom; dabei schreibt der Gesetzgeber eine Preisobergrenze vor, wonach der Gesamtstrom 90 Prozent des in dem jeweiligen Netzgebiet geltenden Grundversorgungstarif nicht überschreiten darf.
Ein weiteres Modell stellt das Lieferkettenmodell dar. Hier wird der Strom aus der PV-Anlage durch den Anlagenbetreiber an einen Dritten verkauft. Der Dritte übernimmt dann die Vollversorgung des Letztverbrauchers im Sinne des § 42a Abs. 2, S. 6 EnWG. Dieses Modell birgt jedoch die Unsicherheit, dass die Stromsteuerbefreiung möglicherweise nicht beansprucht werden könnte und ein weiterer Stromliefervertrag (onsite-PPA) ist zwischen dem Anlagenbetreiber und dem Dritten erforderlich.
Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung
Im Mai 2024 wurde mit dem Solarpaket I die sog. gemeinschaftliche Gebäudeversorgung in § 42b EnWG eingeführt. Deren zentrale Neuerung ist, dass der Anlagenbetreiber bei dem Vorliegen der Voraussetzungen einer gemeinschaftlichen Gebäudeversicherung einen Gebäudestromnutzungsvertrag mit den Letztverbrauchern schließen kann. Der Gebäudestromnutzungsvertrag sieht gegenüber einem herkömmlichen Stromliefervertrag hinsichtlich des Vertragsinhalts und der Kennzeichnungspflicht einige Erleichterungen vor gem. § 42b Abs. 4 EnWG. Zudem besteht keine Vollversorgungspflicht des Letztverbrauchers durch den Anlagenbetreiber. Der Letztverbraucher kann vielmehr einen ergänzenden Stromliefervertrag mit einem Versorger seiner Wahl schließen.
Ein Letztverbraucher kann den PV-Strom nutzen, wenn die Nutzung ohne Durchleitung durch ein Netz unmittelbar in demselben Gebäude in, an oder auf dem die Erzeugungsanlage installiert ist erfolgt, die Strommengen viertelstündlich gemessen werden, und der Letztverbraucher einen Gebäudestromnutzungsvertrag abgeschlossen hat.
In dem Gebäudestromnutzungsvertrag wird insbesondere ein rechnerischer Aufteilungsschlüssel für die Nutzung des erzeugten PV-Stroms zwischen den Mietern oder, bei einer Wohnungseigentümergesellschaft den Eigentümern, sowie der Preis des Stroms festgelegt. Bei Vertragsbeginn wird der Letztverbraucher auch darüber informiert, dass der Anlagenbetreiber keine Verpflichtung zur Vollversorgung hat und der Letztverbraucher weiterhin einen Strombezugsvertrag mit dem Lieferanten seiner Wahl schließen kann, § 42b Abs. 3 EnWG.
Im Vergleich zum Mieterstrom-Modell liegt also kein Verkauf an die Mieter mehr vor, sondern der erzeugte Strom wird den Letztverbrauchern anteilig zugerechnet und von ihren regulären Strombezügen über das allgemeine Netz, das auch zur Deckung des Restbedarfs dient, abgezogen.
Verbrauch in der Liegenschaft
Ebenfalls kann der von der PV-Anlage erzeugte Strom auch vor Ort durch den Anlagenbetreiber bzw. den Vermieter im Rahmen eines sog. Eigenversorgungsmodells genutzt werden. Ein solcher Fall ist z. B. der sog. Allgemein- oder Hausstrom, also der Strom, der von den Bewohnern in gemeinsam genutzten bzw. allgemein zugänglichen Einrichtungen einer Immobilie verbraucht wird. Hierunter fallen insbesondere die Außenbeleuchtung sowie die Beleuchtung von Treppenhäusern und Tiefgaragen, der Betrieb von Aufzügen, und Türsprech- bzw. Klingelanlagen. Zwar ist der Begriff des Allgemein- oder Hausstroms nicht gesetzlich definiert, jedoch wird der Begriff zunehmend zur Beschreibung von Kostenpositionen im Rahmen der Betriebskostenabrechnung nach der Betriebskostenverordnung verwendet.
Darüber hinaus kann der in einer PV-Anlage erzeugte Strom auch für die Wärmeversorgung einer Liegenschaft mittels einer Wärmepumpe genutzt werden. Diese Nutzung als Betriebsstrom gewinnt nicht nur mittelbar zur Erreichung der Klimaschutzziele, sondern auch unmittelbar durch das als „Heizungsgesetz“ bekannte Gebäudeenergiegesetz (GEG) an Bedeutung. Denn grundsätzlich müssen neue Heizungsanlagen gem. § 71 Abs. 1 GEG 65 Prozent der bereitgestellten Wärme (65-Prozent-EE-Vorgabe) durch den Einsatz erneuerbarer Energien erzeugen. Bei dem Einbau einer elektrischen oder hybriden Wärmepumpe kann ggf. nach Erfüllung weiterer Anforderungen eine gesetzliche Vermutung der gesetzlichen Zielsetzung greifen.
Sofern der eigene PV-Strom für zentrale Wärmeerzeugung durch eine Wärmepumpe genutzt wird, ist die Gesetzeslage derzeit unklar, ob einer Vergütung des Eigenstromes zum Betrieb einer Wärmepumpe über die Betriebskostenabrechnung möglich ist. Wenn der Gesetzgeber hier Klarheit schafft, könnte für einen Vermieter, der gleichzeitig auch Anlagenbetreiber wäre, ein weiterer wirtschaftlicher Anreiz zu Errichtung einer PV-Anlage geschaffen werden. Gleichwohl wäre zu bedenken, dass hier keine preisbildenden Marktmechanismen mehr greifen würden. Wenn der politische Wille vorhanden ist, erneuerbare Energien zu fördern, liegt einerseits nahe, dass der Vermieter durch die oben beschriebene Eigennutzung über die Betriebskostenabrechnung besserzustellen wäre, als wenn er die allgemeine Einspeisevergütung erhalten hätte. Aus dem Gedanken des Mieterschutzes dürfte der Vermieter jedoch andererseits keine höheren Kosten über die Betriebskostenabrechnung erhalten, als er marktüblich hätte aufbringen müssen. Hier ist auf das Solarpaket II zu hoffen, welches dieses Thema ebenfalls aufgreifen soll, nun aber wie das Solarpaket I in zähen Verhandlungen steckt und unklar ist, ob es überhaupt wie angekündigt kommen wird.
Zukünftige Änderungen
Mit Ausblick auf das – noch nicht terminierte – Solarpaket II soll die Nutzung von Dachflächen für die Installation und den Betrieb von PV-Anlagen noch attraktiver gestaltet werden. So sollen insbesondere bauliche und technische Anforderungen an PV-Anlagen weiter optimiert, d. h. im Sinne der wirtschaftlichen Nutzbarkeit angepasst, werden. Hier steht eine Absenkung der erforderlichen Abstandsvorgaben sowie eine Nutzung von größeren Modulen von über 2 Quadratmetern zur Effizienzsteigerung zur Debatte. Hinzukommend sollen die technischen Anschlussbedingungen (TAB) weiter vereinheitlicht werden, was einen schnelleren und transparenteren Anschluss aufgrund der Entbürokratisierung mit sich ziehen würde.
Zudem steht noch die Umsetzung der EU-Richtlinie Richtlinie 2018/2001/EU aus, die es Bürgerenergiegesellschaften nicht nur erlauben würde, gemeinsam Erneuerbare-Energien-Anlagen zu betreiben, sondern die dort erzeugte Energie im Wege des „energy sharing“ auch selbst zu nutzen.
Fazit
Über die letzten Jahre hinweg hat sich die PV-Stromversorgung zu einem Thema von zentraler Bedeutung für alle privaten und öffentlichen Akteure herauskristallisiert. Die vermehrte Nutzung von Dachflächen für Photovoltaik-Anlangen liegt hierbei im Interesse aller Beteiligten, da Vermietern bzw. Anlagenbetreibern eine weitere Möglichkeit zur Kapitalisierung ihrer Immobilien eröffnet wird, während Mieter, sowohl private als auch gewerbliche, von einer unabhängigen und vergünstigten Stromversorgung profitieren können. Der Gesetzgeber hat, zum Beispiel mit der Einführung der Solarpflicht, aber auch mit der Einführung neuer Absatzmodelle und insbesondere die Erweiterung auf Gewerbeimmobilien, bereits wichtige Impulse für die dezentrale Stromversorgung im Gebäudebereich insgesamt gesetzt. Dennoch fehlt es teilweise, so in Bezug auf die Umlagefähigkeit von Allgemein- bzw. Betriebsstrom in der Betriebskostenabrechnung sowie dem „energy sharing“, noch an einer verbindlichen Regelung durch den Gesetzgeber. Nach dem Solarpaket I ist vor dem Solarpaket II.
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