Leitsatz (amtlich)
1. Ergibt sich aus einer formularmäßig vorformulierten Einverständniserklärung für einen durchschnittlichen Patienten klar und eindeutig, dass er sich für die bevorstehende Behandlung und künftige Behandlungen mit der Weitergabe der Behandlungsdaten und der Abtretung der Honorarforderungen an eine Firma einverstanden erklärt, welche die ärztlichen Leistungen in Rechnung stellt und für eigene Rechnung einzieht, so ist dies weder intransparent noch unangemessen noch überraschend.
2. Wurde der Patient nur teilweise aufgeklärt und kann der Schaden eines Patienten sowohl durch den durch die Einwilligung gedeckten und behandlungsfehlerfrei durchgeführten Teil des Eingriffs als auch durch den nicht rechtmäßigen Teil verursacht worden sein, so haftet der Arzt nur dann, wenn der Patient beweist, dass der Schaden durch den nicht rechtmäßigen Teil verursacht worden ist. Gleiches gilt, wenn nicht über alle den Fehlschlag einer Behandlung begünstigenden Risiken aufgeklärt wurde.
3. Bei der Setzung von Implantaten reicht eine ergänzende mündliche Risikobelehrung und ein Rauchverbot von mindestens einer Woche, verbunden mit dem Hinweis, je länger man verzichtet desto besser, vor dem Hintergrund der schriftlichen Belehrung über das Risiko eines Implantatverlustes aus.
Verfahrensgang
LG Magdeburg (Aktenzeichen 9 O 648/09) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Beschwer der Beklagten übersteigt 20.000 EUR.
und beschlossen:
Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird auf 26.566,77 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Die Klägerin macht aus abgetretenem Recht Honoraransprüche wegen einer zahnärztlichen Behandlung geltend. Die Beklagte verweigert die Zahlung u.a. mit der Behauptung, die abgerechneten Leistungen seien völlig unbrauchbar gewesen.
Die Klägerin ließ sich im Rahmen eines Factoring-Vertrages auf Grundlage einer Einverständniserklärung der Beklagten vom 15.1.2007 die Honorarforderungen der Praxis Dr. W. H. abtreten. Wegen des Inhalts der Zustimmungserklärung und deren Ge-staltung wird auf die Anlage K 1 (Bd. I, Bl. 12 d.A.) Bezug genommen. Im Verlaufe der Planung des Eingriffs unterzeichnete die Beklagte am 16.7.2007 und am 4.9.2007 jeweils eine Einverständniserklärung, die u.a. Hinweise auf Risiken der Implantation enthielten. Wegen der Einzelheiten wird auf die genannten Erklärungen verwiesen (Bd. II, Bl. 157 bis 159), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 6.12.2012 waren.
Anschließend ließ sich die Beklagte von dem Zeugen Dr. S. H. auf ihren Wunsch nach der Nobelguide-Methode zahnärztlich behandeln. Von dieser Methode hatte sie über die Medien erfahren. Dabei wird in einer Sitzung unmittelbar nach der Operation Zahnersatz angebracht ohne zwischenzeitliche provisorische Versorgung. Nach operativer Entfernung sämtlicher Zähne am 4.9.2007 wurde die Beklagte im Zeitraum vom 12.11.2007 bis 25.1.2008 mit Implantaten versorgt, auf welche ein metallverstärktes Langzeitprovisorium eingegliedert wurde. Kontrolluntersuchungen am 16.1.2008 und 25.1.2008 waren unauffällig. Zu einer weiteren Kontrolluntersuchung im April erschien die Beklagte nicht. Da sich die Implantate sämtlich gelockert hatten, mussten sie schließlich am 14.10.2008 (Oberkiefer) und 27.2.2009 (Unterkiefer) wieder entfernt werden.
Die Praxis Dr. W. H. an der der Zeuge Dr. S. H. damals tätig war, stellte ihr für die Leistungen vom 12.11.2007 bis 25.1.2008 am 6.2.2008 einen Betrag von 26.566,77 EUR in Rechnung.
Dieser Betrag stellt die Klageforderung dar, die die Klägerin in erster Instanz zuletzt nebst Zinsen von 9,6 % seit dem 28.3.2008, 1,20 EUR vorgerichtlicher Mahnkosten und außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten von 1.005,40 EUR geltend gemacht hat.
Die Klägerin hat behauptet, der Implantatverlust bei der Beklagten sei nicht auf einen Behandlungsfehler zurückzuführen, sondern möglicherweise auf starken Zigarettenkonsum, eine genetisch bedingte Überproduktion des entzündungsfördernden Interleukin-1, eine mögliche Sensibilisierung auf Titan, private Probleme und Stress in der Einheilphase sowie die verspätete Wiedervorstellung nach der ersten Lockerung der Brücke, wobei die genaue Ursache unklar sei.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat behauptet, die Behandlung sei völlig unbrauchbar. Auf Grund einer Zahnfleischerkrankung mit Knochenrückbildung sei die Nobelguide-Methode bei ihr nicht indiziert gewesen. Überdies sei der Bohrer beim Einsetzen der Stifte zu heiß geworden und habe den Kiefer verletzt. Eine Allergie auf das Im-plantatmaterial hätte der Zahnarzt vorher ausschließen müssen. Jedenfalls sei es notwendig gewesen, die Beklagte darüber aufzuklären, da...