Leitsatz (amtlich)

Zu den Ansprüchen des Eigentümers eines aufgrund einer Suchmeldung in die öffentliche Lost Art-Datenbank des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste eingetragenen Gemäldes gegen den Melder.

 

Verfahrensgang

LG Magdeburg (Urteil vom 27.11.2019; Aktenzeichen 2 O 599/18)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 21.07.2023; Aktenzeichen V ZR 112/22)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 27. November 2019 verkündete Urteil des Landgerichts Magdeburg wird unter Zulassung der Revision zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

Dieses und das angefochtene Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des auf Grund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

und beschlossen:

Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 75.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger ist - zumindest über § 937 BGB - Eigentümer des von ihm auf einer Auktion in London im Jahr 1999 erworbenen Gemäldes "..." von A. A. . Die Beklagten sind die Treuhänder der privaten in Kanada, beheimateten Stiftung "Dr. and Mrs. M. S. Foundation", eines Sondervermögens (Trust), das sich als Teil des Nachlasses des jüdischen Kunsthändlers Dr. M. S. mit der Aufarbeitung der durch die nationalsozialistische Verfolgung bedingten Vermögensverluste befasst.

Das Bild des Klägers befand sich in den Jahren 1931 bis 1937 im Besitz der Galerie S. in D., die Dr. M. S. in dieser Zeit von seinem Vater übernahm. Mit Schreiben vom 29.08.1935 stellte der Präsident der Reichskammer der bildenden Künste gegenüber Dr. M. S. fest, dass dieser nach Auflösung des Bundes Deutscher Kunst- und Antiquitätenhändler e.V. seine mittelbare Zugehörigkeit zur Reichskammer der bildenden Künste verloren habe. Für eine unmittelbare Mitgliedschaft in der Reichskammer besitze Herr S. nicht die erforderliche Eignung und Zuverlässigkeit. Deshalb werde seine Aufnahme in die Reichskammer der bildenden Künste abgelehnt. M. S. werde die weitere Ausübung des Berufs eines Kunst- und Antiquitätenhändlers untersagt. Zur "Umgruppierung oder Auflösung" des Geschäftsbetriebes wurde dem Adressaten eine Frist von vier Wochen eingeräumt. Dagegen wandte sich Dr. S., was zunächst zum ausbleibenden Vollzug der Verfügung führte. Dennoch brachte M. S. in einem Brief vom 04.10.1935 zum Ausdruck, sich früher oder später nach einer anderen Existenz umsehen zu müssen.

Im März 1937 verkaufte Dr. M. S. das Bild an Herrn G. B. aus E. (Anlage B11 bzw. Bestandteil Anlage K4).

Mit Bescheid vom 19.09.1937 teilte der Präsident der Reichskammer für bildende Künste Herrn S. mit, dass es endgültig bei der Verfügung vom 29.08.1935 bleibe und das Unternehmen bis zum 30.09.1937 aufzulösen sei. Nach dem 30.09.1937 sei es M. S. untersagt, sich bei der Verbreitung der Wiedergabe, dem Absatz oder bei der Vermittlung des Absatzes von Kulturgut zu betätigen (vgl. Anlage K4). Nach der Abwicklung des Geschäfts emigrierte M. S. im Dezember 1937 nach England und später nach Kanada.

Nach dem in Deutschland geltenden Entschädigungs- und Rückgaberecht (Militärregierungsgesetz Nr. 59, Bundesentschädigungsgesetz 1953, Bundesentschädigungsgesetz 1956, Bundesrückerstattungsgesetz 1957, Vermögensgesetz 1990) bestehen keine Ansprüche (mehr) auf Entschädigung oder Restitution von Personen, die Opfer nationalsozialistischer Verfolgungsmaßnahmen wurden und in diesem Zusammenhang Vermögensgegenstände verloren, gegen die jetzigen Eigentümer dieser Gegenstände.

Am 27.05.2016 stellte Dr. W. K. für die S. Foundation beim in Magdeburg ansässigen Deutschen Zentrum Kulturgutverluste den Antrag auf Eintragung einer das Bild betreffenden Suchmeldung in die dort geführte, öffentlich zugängliche Lost Art - Datenbank (Anlagen B1 und B2 sowie die Anlagen K3). Die Datenbank erfasst Kulturgüter, die infolge der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, insbesondere jüdischen Eigentümern, verfolgungsbedingt entzogen wurden und dient der Umsetzung der sog. Washingtoner Prinzipien und der Gemeinsamen Erklärung der Bundesregierung, der Länder und kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz.

Die Washingtoner Prinzipien lauten:

Grundsätze der Washingtoner Konferenz in Bezug auf Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden (Washington Principles)

Veröffentlicht im Zusammenhang mit der Washingtoner Konferenz über Vermögenswerte aus der Zeit des Holocaust, Washington, D.C., 3. Dezember 1998

Im Bestreben, eine Einigung über nicht bindende Grundsätze herbeizuführen, die zur Lösung offener Fragen und Probleme im Zusammenhang mit den durch die Nationalsozialisten beschlagnahmten Kunstwerken beitragen sollen, anerkennt die Konferenz die Tatsache, dass die Teilnehmerstaaten unterschiedliche Rechtssysteme haben und dass die Länder im Rahmen ...

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