Leitsatz (amtlich)
Eine Stromnetzbetreiberin kann in Verfahren gegen Anlagenbetreiber nach dem EEG die Kosten eines Anwalts am dritten Ort erstattet erhalten, wenn dieser über Spezialkenntnisse verfügt und ein vergleichbarer Rechtsanwalt am Gerichtsort nicht zur Verfügung steht. Ein Anwalt, der regelmäßig die Anlagenbetreiberseite vertritt, verfügt nicht zwangsläufig über vergleichbare Spezialkenntnisse wie ein Anwalt, der in EEG-Sachen nahezu ausschließlich Netzbetreiber vertritt.
Normenkette
ZPO § 91 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
LG Regensburg (Beschluss vom 22.11.2013; Aktenzeichen 4 O 172/11 (5)) |
Tenor
I. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Regensburg vom 22.11.2013 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
IV. Der Beschwerdewert wird auf 208,33 EUR (5/6 von 250 EUR) festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerdeführerin (Klägerin des Ausgangsverfahrens) wendet sich gegen die Festsetzung von Reisekosten der Beklagtenvertreterin.
Die im Bereich des LG Regensburg ansässige Beklagte - eine bayernweit tätige Stromnetzbetreiberin - war vor dem LG Regensburg auf Schadensersatz wegen verzögerten Netzanschlusses einer Photovoltaikanlage in Anspruch genommen worden. Das Verfahren endete mit einem Vergleich, nach dem die Klägerin 5/6, die Beklagte 1/6 der Kosten zu tragen hat. Die Beklagte ist von einer in M. bzw. S. niedergelassenen Rechtsanwaltskanzlei vertreten worden, die sie wegen ihrer Spezialisierung auf das Energierecht seit mehreren Jahren in Verfahren gegen Energieanlagenbetreiber beauftragt. Die Beklagte hat zum Kostenausgleich Reisekosten ihrer Prozessbevollmächtigten i.H.v. 250 EUR für zwei Verhandlungstermine vor dem LG Regensburg geltend gemacht. Der Rechtspfleger des LG hat zunächst mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 26.7.2013 die Festsetzung der Reisekosten abgelehnt, der hiergegen gerichteten Beschwerde der Beklagten aber mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 22.11.2013 abgeholfen und die Reisekosten i.H.v. 250 EUR antragsgemäß in den Kostenausgleich einbezogen.
Gegen diesen ihr am 28.11.2013 zugestellten Beschluss hat die Klägerin mit am 11.12.2013 eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt.
Die Beklagte macht geltend, zur Beklagtenvertreterin bestehe ein langjähriges Vertrauensverhältnis. Die Vertretung der Netzbetreiberseite erfordere sowohl spezielle Rechtskenntnisse, als auch Kenntnis der eingespielten Abläufe beim Anschluss von Energieeinspeiseanlagen. Es sei ihr, da sie überregional tätig sei, nicht zumutbar immer wieder neue geeignete Anwälte zu suchen. "Energierechtsanwälte" seien in der Regel auf die Vertretung von Verbrauchern spezialisiert.
Die Klägerin macht geltend, dass auch Anwälte, die sonst die Verbraucher-/Anlagenbetreiberseite vertreten, hätten beauftragt werden können. Die Hausanwaltsrechtsprechung des BGH sei im vorliegenden Fall nicht anwendbar.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Die zulässige sofortige Beschwerde der Klägerin ist unbegründet.
Der Rechtspfleger des LG hat zu Recht bei der Ausgleichung auch die Reisekosten der Beklagtenvertreterin berücksichtigt.
Gemäß § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist eine Partei grundsätzlich gehalten, einen Rechtsanwalt zu beauftragen, der im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist oder dort wohnt.
Abweichend hiervon darf die Partei auch einen Rechtsanwalt an ihrem Wohn- oder Geschäftsort beauftragen, weil sonst regelmäßig eine Informationsfahrt der Partei anfallen würde (Herget in Zöller, ZPO, 30. Aufl., Rz. 13 zu § 91).
Steht von vornherein fest, dass eine Informationsfahrt nicht erforderlich wird (z.B. weil die Partei eine eigene Rechtsabteilung unterhält) darf nur ein (gerichts-)ortsansässiger Anwalt beauftragt werden (BGH NJW 2003, 2027).
Darüber hinaus wird es auch als zulässig erachtet, dass ein Rechtsanwalt an dem Ort beauftragt wird, an dem eine Partei zwar keine Niederlassung unterhält, an dem sie aber organisationsbedingt die außergerichtliche Bearbeitung von Rechtsstreitigkeiten durchführt (BGH NJW 2011, 3521; NJW-RR 2010, 1882; NJW-RR 2007, 1561). Der Ort der außergerichtlichen Bearbeitung wird damit quasi zum Geschäftsort.
Hat eine Partei keine eigene Rechtsabteilung, sondern beauftragt bei rechtlichen Schwierigkeiten einen am Geschäftsort ansässigen Hausanwalt (Outsourcing), so ist auch dies regelmäßig zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich i.S.d. § 91 ZPO (BGH NJW 2011, 3521; BGH, Beschl. v. 4.4.2006 - VI ZB 66/04; BGH NJW-RR 2004, 430).
Beauftragt die Partei einen Rechtsanwalt am dritten Ort (weder am Gerichtsort, noch am Geschäftsort) kann sie nur die Reisekosten erstattet erhalten, die fiktiv für einen am Geschäftsort ansässigen Rechtsanwalt bei einer Reise zum Gerichtsort angefallen wären (BGH BeckRS 2012, 01015; BGH NJW 2011, 3521; BGH NJW-RR 2004, 855). Wenn die Partei am eigenen Gerichtsstand klagt oder verklagt wird, steht ihr eine Erstattung der Reisekosten ...