Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterhaltsforderungen als Insolvenzforderungen
Leitsatz (amtlich)
1. Nur die bis zur Eröffnung fällig gewordenen Unterhaltsforderungen werden Insolvenzforderungen (§§ 38, 40 InsO). Unterhaltsforderungen entstehen in jedem Zeitpunkt neu, in dem ihre Voraussetzungen vorliegen. Unterhaltsforderungen, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen, werden daher nicht vom Insolvenzverfahren erfasst.
2. Der Teil des laufenden Einkommens, der die Pfändungsgrenzen des § 850c ZPO nicht übersteigt, gehört nicht zur Insolvenzmasse und ist für Unterhaltszwecke frei.
Normenkette
ZPO § 850c; BGB § 1612 Abs. 3 S. 1; InsO §§ 35, 36 Abs. 1, §§ 38, 40
Verfahrensgang
AG Erlangen (Beschluss vom 29.04.2004; Aktenzeichen 1 F 458/04) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des AG - FamG - Erlangen vom 29.4.2004 wird zurückgewiesen.
Gründe
Das Rechtsmittel des Antragstellers gegen den Beschluss des AG, mit dem ihm Prozesskostenhilfe für seine beabsichtigte Abänderungsklage versagt wurde, ist nicht begründet. Das AG hat i.E. zutreffend die Leistungsfähigkeit des Antragstellers für die Zahlung von 100 % des Regelbetrages für die beiden Kinder, derzeit je 284 EUR, bejaht.
Zwar reicht das monatliche Nettoeinkommen des Antragstellers von 550 EUR nicht, um den titulierten Unterhalt der Kinder zu bezahlen. Da die am 21.12.1986 bzw. 31.3.1990 geborenen Kinder des Antragstellers minderjährig sind, trifft ihn aber unterhaltsrechtlich die Obliegenheit (§ 1603 Abs. 2 S. 1 BGB), die ihm zumutbaren Einkünfte zu erzielen, insb. seine Arbeitskraft so gut wie möglich einzusetzen und eine einträgliche Erwerbstätigkeit auszuüben. Aus der verschärften Unterhaltspflicht ggü. minderjährigen Kindern folgt eine erhöhte Arbeitspflicht des Antragstellers unter gesteigerter Ausnützung seiner Arbeitskraft (Wendel/Scholz, Unterhaltsrecht, 6. Aufl., § 2 Rz. 145).
Dieser gesteigerten Erwerbsobliegenheit wird der Antragsteller nicht gerecht.
Der Antragsteller arbeitet in der Firma seiner Ehefrau. Wegen der wirtschaftlichen Situation der noch jungen Firma, die sich am Markt noch etablieren muss, kann er derzeit keine höhere Vergütung als 550 EUR erhalten. Bei diesen Gegebenheiten ist der Antragsteller angesichts seiner Unterhaltsverpflichtung ggü. seinen beiden minderjährigen Kindern verpflichtet, sich entsprechend seinen Fähigkeiten und seinen Erwerbsmöglichkeiten mit Nachdruck um einen anderen Arbeitsplatz zu bemühen. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller, der den Beruf des Energieanlagetechnikers ausübt, keine entsprechende Stelle am allgemeinen Arbeitsplatz zu finden vermag, sind nicht ersichtlich. Eine entsprechende Einkommenserzielung scheitert daran, dass er bisher keine Anstrengungen unternommen hat, eine besser bezahlte Stelle zu finden. Dem 45 Jahre alten Antragsteller ist daher fiktiv ein Nettoeinkommen von mindestens 1.800 EUR zuzurechnen.
An diesem Ergebnis ändert die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragstellers am 26.1.2004 nichts. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens werden nämlich nur die bis dahin fällig gewordenen Unterhaltsforderungen Insolvenzforderungen (§§ 38, 40 InsO). Da Unterhaltsforderungen in jedem Zeitpunkt, in dem ihre Voraussetzungen vorliegen, neu entstehen und monatlich im Voraus zu erfüllen sind (§ 1612 Abs. 3 S. 1 BGB), sind die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig werdenden Unterhaltsansprüche aus dem Insolvenzverfahren ausgeklammert (OLG Koblenz v. 20.12.2000 - 90 WF 646/00, FamRZ 2002, 31 [32]; OLG Karlsruhe v. 2.4.2003 - 16 UF 4/03, OLGReport Karlsruhe 2004, 178 = FamRZ 2004, 821 [822]; Hoppenz, FF 2003, 158 [159]).
Die Leistungsfähigkeit des Antragstellers scheitert auch nicht daran, dass das nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens anfallende Vermögen des Antragstellers nach § 35 InsO zur Insolvenzmasse gehört. Denn nach § 36 Abs. 1 InsO gehört das nach der Insolvenzeröffnung vom Schuldner erworbene Vermögen nur insoweit zur Insolvenzmasse, als es der Zwangsvollstreckung unterliegt. In die Insolvenzmasse fällt daher nur der Teil des laufenden Einkommens, der die Pfändungsgrenzen des § 850c ZPO übersteigt. Der für Drittgläubiger unpfändbare Betrag ist daher gekürzt um den Selbstbehalt des Antragstellers für den Unterhalt der beiden Kinder einsetzbar. Das unpfändbare Einkommen des Antragstellers beträgt unter Berücksichtigung der beiden Unterhaltspflichten ggü. den minderjährigen Kindern 1.475 EUR (930 EUR + 350 EUR + 195 EUR). Nach Abzug des dem Antragsteller ggü. minderjährigen Kindern zustehenden notwendigen Selbstbehaltes von 840 EUR (SüdL Nr. 21.2) stehen 635 EUR für Unterhaltszwecke zur Verfügung. Tatsächlich benötigt der Antragsteller für die beiden Kinder nur 2 × 284 EUR, insgesamt 568 EUR. Selbst wenn man trotz der beengten wirtschaftlichen Verhältnisse dem Antragsteller eine berufsbedingte Aufwendungspauschale von 5 % zuerkennt (SüdL Nr. 10.2.1), ist er leistungsfähig, denn sein notwendiger Selbstbehalt ist nie...