Leitsatz (amtlich)
Die Entscheidung über das Akteneinsichtsgesuch einer Partei stellt auch nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens keinen Justizverwaltungsakt dar; sie ist vom Prozessgericht zu treffen.
Normenkette
EGGVG § 23; ZPO § 299 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
I. Die Akten werden zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags auf Erteilung der im Schriftsatz vom 23.10.2014 bezeichneten Abschriften des Antragstellers H. K. an das LG Nürnberg-Fürth zurückgegeben.
II. Der beim OLG Nürnberg gestellte Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Verfahren nach § 23 EGGVG ist gegenstandslos.
Gründe
I. Mit Antrag vom 23.10.2014 begehrte der Antragsteller die Übersendung von (näher bezeichneten) Abschriften aus dem WEG-Verfahren 4 C 1051/09 des AG Straubing, das zwischenzeitlich rechtskräftig abgeschlossen ist und an dem er als (einer von mehreren) Klägern beteiligt war.
Das AG Straubing hat mit Beschluss vom 27.10.2014 den Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass bei einem Antrag nach § 299 Abs. 2 ZPO nach Abschluss des Verfahrens nur noch ein Anspruch auf Akteneinsicht - nicht mehr auf Erteilung von Abschriften - bestehe. Selbst wenn man aber § 299 Abs. 1 ZPO für gegeben erachten würde, so wäre der Anspruch als rechtsmissbräuchlich abzulehnen. Dem Beschluss war eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt, die die sofortige Beschwerde zum LG Nürnberg-Fürth als zulässiges Rechtsmittel bezeichnete. Gegen den ihm am 30.10.2014 zugestellten Beschluss legte der Antragsteller beim AG Straubing am 6.11.2014 sofortige Beschwerde ein. Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem LG zur Entscheidung über die Beschwerde vorgelegt. Das LG hat im Beschluss vom 18.11.2014 die Akten an das AG Straubing zur Behandlung im korrekten Verwaltungsverfahren zurückgegeben. Zur Begründung hat es angeführt, dass nach Abschluss des Prozesses auch für die früheren Parteien § 299 Abs. 2 ZPO gelte; für die Frage, ob Abschriften erteilt werden, bzw. Akteneinsicht gewährt werde, sei die Gerichtsverwaltung, konkret der Direktor des AG Straubing oder sein mit dieser Aufgabe betrauter Vertreter zuständig und nicht die - hier tätig gewordene - Richterin. Für ablehnende Justizverwaltungsakte sei das LG nicht zu einer Beschwerdeentscheidung befugt, vielmehr bestünde eine Zuständigkeit des OLG.
Das AG Straubing hat die Akten dem OLG mit dem Hinweis vorgelegt, dass nach der internen Geschäftsverteilung am AG Straubing die Entscheidung über Akteneinsichtsgesuche nach Abschluss des Verfahrens auf den referatszuständigen Richter zurückübertragen sei.
II. Der Senat kann keine Entscheidung nach § 23 EGGVG treffen, weil dies nicht der richtige Rechtsbehelf ist. Bei dem abgelehnten Gesuch des Antragstellers um Übersendung von Abschriften handelt es sich nicht um einen Justizverwaltungsakt.
Vorliegend kann dahinstehen, ob die entscheidende Richterin am AG, die die Ablehnung des Antrags in erster Linie auf § 299 Abs. 2 ZPO und hilfsweise auch auf § 299 Abs. 1 ZPO gestützt hat, als für das Verfahren zuständige gesetzliche Richterin gehandelt hat oder als betrauter Vertreter des Amtsgerichtsdirektors. Für die erstgenannte Ansicht spricht die beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung, die den ZPO-Rechtsbehelf der sofortigen Beschwerde aufzeigt, während bei Vorliegen eines Justizverwaltungsakts der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGBGB statthaft wäre. Da der statthafte Rechtsbehelf jedoch - wie in der Beschwerdebelehrung angegeben - die sofortige Beschwerde ist, hätte das LG darüber auch entscheiden müssen.
§ 299 Abs. 2 ZPO regelt das Akteneinsichtsrecht von Dritten, nicht am Verfahren beteiligten Personen. Der Antragsteller als Beteiligter des abgeschlossenen Verfahrens ist kein Dritter. Eine entsprechende Anwendung der Vorschrift auf das Akteneinsichtsrecht von Parteien in Verfahren, die abgeschlossen sind, ist nicht veranlasst. Die entsprechende Anwendung der Vorschrift vertritt zwar, im Wesentlichen gestützt auf die Entscheidung des BFH in NJW 2006, 399, Greger in Zöller, 30. Aufl., Rz. 6c zu § 299 ZPO. Dem steht allerdings die überwiegend andere Auffassung in der zivilprozessualen Rechtsprechung und Kommentarliteratur in den Anmerkungen zu § 299 ZPO entgegen (OLG Köln ZIP 1990, 876, 877; MünchKomm/Prütting, 4. Aufl., Rz. 9; BeckOK ZPO § 299 Rz. 21; Schleswig Holsteinisches OLG, FamRZ 2013, 233).
Letztere Auffassung ist zutreffend. § 299 Abs. 1 ZPO sieht eine zeitliche Beschränkung nicht vor, was dafür spricht Akteneinsicht auch nach Abschluss des Verfahrens nach dieser Vorschrift zu gewähren.
Die Partei eines Verfahrens bleibt auch dann Partei mit dem Einsichtsrecht in "ihre" Verfahrensakten gem. § 299 Abs. 1 ZPO, wenn das Verfahren abgeschlossen ist. Anknüpfungspunkt für eine Anwendung des Abs. 2 kann insbesondere nicht der Umstand sein, dass für die Aufbewahrung der Akten nach Abschluss des Verfahrens die Gerichtsverwaltung zuständig ist (so das wesentliche Argument des BFH, a.a.O.)....