Leitsatz (amtlich)

1. Ein Freigabeverfahren ist nach § 246a Abs. 1 Satz 1 AktG statthaft, wenn gegen einen Hauptversammlungsbeschluss über eine Maßnahme der Kapitalbeschaffung Klage erhoben wird. Dies ist auch dann der Fall, wenn sich die Anfechtungsklage lediglich gegen die Ermächtigung des Vorstandes richtet, im Rahmen der Ausnutzung genehmigten Kapitals (§ 202 Abs. 1 AktG) über den Ausschluss des Bezugsrechts von Aktionären zu entscheiden (§ 203 Abs. 2 Satz 1 AktG).

2. Die Berichtspflicht des Vorstandes anlässlich des von der Hauptversammlung zu treffenden Ermächtigungsbeschlusses gemäß § 203 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG erfordert nicht, dass sämtliche denkbaren Gründe für einen Ausschluss des Bezugsrechts abschließend benannt werden.

3. Ein Hauptversammlungsbeschluss betreffend die Ermächtigung des Vorstandes, im Rahmen der Ausnutzung genehmigten Kapitals über den Ausschluss des Bezugsrechts von Aktionären zu entscheiden, bedarf lediglich insoweit der sachlichen Rechtfertigung, als diese Ermächtigung im wohlverstandenen Interesse der Gesellschaft liegen und der Hauptversammlung allgemein und in abstrakter Form bekannt gegeben werden muss (im Anschluss an BGH, Urteil vom 23.06.1997 - II ZR 132/93, BGHZ 136, 133 - Siemens/Nold). Eine konkrete Rechtfertigung des Bezugsrechtsausschlusses ist vom Vorstand erst im Zeitpunkt seiner Entscheidung über einen solchen Ausschluss aufgrund der ihm erteilten Ermächtigung zu prüfen.

4. Die Regelung des erleichterten Bezugsrechtsausschlusses gemäß § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG steht einem Hauptversammlungsbeschluss über die Ermächtigung, im Rahmen der Ausnutzung genehmigten Kapitals (§ 202 Abs. 1 AktG) über den Ausschluss des Bezugsrechts von Aktionären zu entscheiden (§ 203 Abs. 2 Satz 1 AktG), selbst dann nicht entgegen, wenn dieser Beschluss einen Bezugsrechtsausschluss in weitergehendem Umfang, als in § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG geregelt, ermöglicht.

 

Normenkette

AktG §§ 186, 202-203, 243 Abs. 2, § 246a

 

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die von der Antragsgegnerin mit Klageschrift vom 27.07.2017 erhobene und beim Landgericht Nürnberg-Fürth unter dem Aktenzeichen 5 HK O 4728/17 anhängige Anfechtungsklage gegen den Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Antragstellerin vom 28.06.2017 zu Tagesordnungspunkt 6 der Eintragung der Schaffung eines neuen genehmigten Kapitals gegen Bar- und/oder Sacheinlagen mit der Möglichkeit zum Ausschluss des Bezugsrechts (Genehmigtes Kapital 2017) und der entsprechenden Anpassung von § 5 Abs. 2 der Satzung in das Handelsregister nicht entgegensteht und mögliche Mängel des angefochtenen Hauptversammlungsbeschlusses die Wirkungen der Eintragung unberührt lassen.

2. Die Antragsgegnerin und die Nebenintervenientin tragen ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst sowie die übrigen Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte.

3. Der Streitwert wird auf 50.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin ist eine im Handelsregister des Amtsgerichts Coburg unter HRB xy eingetragene Aktiengesellschaft, deren Aktien im Freiverkehr an der Baden-Württembergischen Wertpapierbörse notiert sind. Geschäftsgegenstand ist die Entwicklung, die Herstellung und der Vertrieb von Puppen, Spielwaren, Baby- und/oder Kinderbekleidung und Freizeitartikeln aller Art sowie die Vermarktung dieser Produkte durch Lizenzvergabe.

Das Grundkapital der Gesellschaft beträgt nach mehreren vorausgegangenen Kapitalerhöhungen sowie einer Kapitalherabsetzung 6.431.951,00 EUR und ist in ebenso viele auf den Inhaber lautende Stückaktien ohne Nennbetrag eingeteilt (§ 5 Abs. 1 der Satzung). Der Vorstand war ermächtigt, das Grundkapital der Gesellschaft mit Zustimmung des Aufsichtsrats bis zum 19.06.2017 einmalig oder mehrmalig bis zu insgesamt 9.647.926,00 EUR gegen Bar- und/oder Sacheinlagen durch Ausgabe neuer, auf den Inhaber lautender nennwertloser Stückaktien zu erhöhen (Genehmigtes Kapital 2012) (§ 5 Abs. 2 Satz 1 der Satzung). Der Vorstand war weiter ermächtigt, mit Zustimmung des Aufsichtsrats das gesetzliche Bezugsrecht der Aktionäre in im Einzelnen dargelegten Fällen auszuschließen (§ 5 Abs. 2 Satz 2 der Satzung). Von dieser Ermächtigung war seitens des Vorstandes kein Gebrauch gemacht worden.

Die Antragsgegnerin sowie die Nebenintervenientin sind jeweils Aktionärinnen der Antragstellerin.

Mit am 10.05.2017 im Bundesanzeiger veröffentlichten Schreiben (Anlage ASt 1) wurden die Aktionäre zu einer ordentlichen Hauptversammlung der Antragstellerin am 28.06.2017 eingeladen. Als TOP 6 dieser Hauptversammlung war die Beschlussfassung über die Schaffung eines neuen genehmigten Kapitals gegen Bar- und/oder Sacheinlagen mit der Möglichkeit zum Ausschluss des Bezugsrechts (Genehmigtes Kapital 2017) durch Änderung von § 5 Abs. 2 der Satzung angegeben.

Bei der am 28.06.2017 stattgefundenen ordentlichen Hauptversammlung der Antragstellerin - bei der mit 4.922.069 Stückaktien insgesamt 76,53 % des Grundkapitals vertreten war - wurde mehrheitlich mit über 97 % des vertretene...

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