Leitsatz (amtlich)

  • 1.

    Eine Rechtsmittelbeschränkung auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung ist grundsätzlich möglich. Die dem Rechtsmittelberechtigten in § 318 Satz 1 StPO eingeräumte Verfügungsmacht über den Umfang der Anfechtung gebietet es, den in Rechtsmittelerklärungen zum Ausdruck kommenden Gestaltungswillen im Rahmen des rechtlich Möglichen zu respektieren.

  • 2.

    Dennoch ist die Beschränkung des Rechtsmittels auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung im Einzelfall dann unzulässig, wenn zwischen der Aussetzungsfrage und der Verhängung der Maßregel nach den §§ 69, 69a StGB (wegen charakterlicher Mängel) eine untrennbare Wechselbeziehung besteht und deshalb ohne die Gefahr von Widersprüchen eine selbstständige Prüfung allein des angefochtenen Teils nicht möglich ist.

  • 3.

    Eine Wechselwirkung zwischen der Frage der Strafaussetzung zur Bewährung und der (isolierten) Sperrfristanordnung nach § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB besteht dann, wenn trotz des Vorliegens einer Katalogtat nach § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB Anlass dazu besteht, die Frage der charakterlichen Ungeeignetheit des Angeklagten im Einzelnen zu prüfen. Gleiches gilt in Bezug auf die Anordnung der Nebenstrafe des § 44 Abs. 1 StGB.

  • 4.

    Ein solcher Anlass kann dann bestehen, wenn der Täter in fahruntüchtigem Zustand nur ein Leichtmofa geführt und mit diesem nur eine kurze Fahrtstrecke zurückgelegt hat und Auslöser der Fahrt eine altruistische Motivation gewesen ist.

 

Tenor

  • I.

    Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts ... vom 28. August 2006 aufgehoben.

  • II.

    Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts ... zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht ... hat den Angeklagten am 25.7.2006 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt, ihm für die Dauer von drei Monaten verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im Straßenverkehr zu führen und der Verwaltungsbehörde untersagt, dem Angeklagten vor Ablauf von 22 Monaten eine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.

Auf die auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung beschränkte Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht ... am 28.8.2006 das Urteil des Amtsgerichts im Rechtsfolgenausspruch insoweit abgeändert, als die gewährte Strafaussetzung zur Bewährung entfällt.

Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig (§§ 333, 341 Abs. 1, 344, 345 SPO) und hat (zumindest vorläufig) Erfolg; denn das Landgericht ist zu Unrecht von einer wirksamen Beschränkung der Berufung der Staatsanwaltschaft ausgegangen.

1.

Die Berufung der Staatsanwaltschaft konnte im vorliegenden Fall nicht wirksam auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung beschränkt werden:

a)

Auch ohne eine entsprechende Verfahrensrüge hat das Revisionsgericht zu prüfen, ob ein mit der Revision angefochtenes Berufungsurteil über alle Entscheidungsbestandteile des vorausgegangenen amtsgerichtlichen Urteils befunden hat. Aus diesem Grund ist vom Revisionsgericht, wenn, wie hier, das Berufungsgericht wegen der vom Berufungsführer erklärten Berufungsbeschränkung (§ 318 StPO) sich nur mit einzelnen Teilen des Ersturteils befasst hat, auch nachzuprüfen, ob und inwieweit die Berufung rechtswirksam auf diese Teile beschränkt ist (stRspr. des Senats, vgl. OLG Nürnberg Beschl. v. 15.3.2005 - 2 St OLG Ss 13/05, S. 3 m.w.N.; Ruß in: KK-StPO 5. Aufl. § 318 Rn. 1).

Grundsätzlich ist der Rechtsfolgenausspruch oder auch ein Teil von diesem allein anfechtbar. Die dem Rechtsmittelberechtigten in § 318 Satz 1 StPO eingeräumte Verfügungsmacht über den Umfang der Anfechtung gebietet es, den in Rechtsmittelerklärungen zum Ausdruck kommenden Gestaltungswillen im Rahmen des rechtlich Möglichen zu respektieren. Deshalb kann und darf das Revisionsgericht regelmäßig diejenigen Entscheidungsteile nicht nachprüfen, deren Nachprüfung von keiner Seite begehrt wird (BayObLG NStZ-RR 2004, 336 f.; OLG Frankfurt NStZ-RR 2003, 23).

b)

Allerdings konnte die Berufung vorliegend deshalb nicht wirksam auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung beschränkt werden, weil eine innere Abhängigkeit der genannten Frage von der Straf- und Maßregelfrage besteht.

aa)

Unstreitig ist zwar, dass eine Rechtsmittelbeschränkung auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung unter den gleichen Voraussetzungen wie jede wirksame Rechtsmittelbeschränkung grundsätzlich - und nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHSt 47, 32, 35) sogar regelmäßig - möglich ist.

Dennoch ist die Beschränkung des Rechtsmittels auf die Frage der Strafaussetzung im Einzelfall dann unzulässig, wenn zwischen der Aussetzungsfrage und der Verhängung der Maßregel nach den §§ 69, 69a StGB (wegen charakterlicher Mängel) eine untrennbare Wechselbeziehung besteht oder wenn beiden Entscheidungen im Wesentlichen inhaltsgleiche Erwägungen zugrunde liegen und deshalb ohne die Gefahr von Widersprüchen eine ...

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