Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwert im Ehescheidungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
Der Streitwert des Ehescheidungsverfahrens bemisst sich auch dann nach dem (zusammengerechneten) dreifachen Monatseinkommen der Ehegatten, wenn beiden Parteien ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist.
Normenkette
GKG n.F. § 48 Abs. 3 S. 1; ZPO §§ 114-115
Verfahrensgang
AG Nürnberg (Beschluss vom 04.07.2005; Aktenzeichen 101 F 2029/04) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Rechtsanwaltes Dr. ... vom 7.7.2005 wird der Beschluss des AG - FamG - Nürnberg vom 4.7.2005 (Az. 101 F 2029/04) dahin gehend abgeändert, dass der Einzelstreitwert für die Ehescheidung auf 4.596 EUR festgesetzt wird.
Die weiter gehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Zwischen den Parteien war unter dem Aktenzeichen 101 F 2029/04 vor dem AG - FamG - Nürnberg ein Scheidungsverfahren anhängig. Mit Endurteil vom 4.7.2005 wurde die Ehe der Parteien geschieden. Mit Beschluss vom gleichen Tage hat das AG - FamG - Nürnberg den Streitwert für die Ehescheidung auf 2.000 EUR und für den Versorgungsausgleich auf 500 EUR festgesetzt.
Mit Schriftsatz vom 7.7.2005 hat der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners, Herr Rechtsanwalt Dr. ..., gegen diesen Beschluss im eigenen Namen Beschwerde eingelegt, mit dem Antrag, den Streitwert für die Ehescheidung auf 5.347 EUR festzusetzen. Zur Begründung beruft er sich im Wesentlichen darauf, dass als Streitwert einer Ehesache nach § 12 Abs. 3 S. 1 GKG grundsätzlich das dreifache Nettoeinkommen der Eheleute zum Zeitpunkt der Anhängigkeit des Scheidungsverfahrens anzusetzen sei. Auch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ohne Raten für beide Parteien rechtfertige für sich allein nicht die Festsetzung des Mindeststreitwertes von 2.000 EUR. Bei einem Nettoeinkommen des Antragsgegners von 1.211,60 EUR und einem Nettoeinkommen der Antragstellerin von mindestens 571 EUR rechtfertige sich ein Streitwert von 5.347,80 EUR.
Mit Beschluss vom 21.7.20,05 hat das AG - FamG - Nürnberg der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Familiensenat des OLG Nürnberg zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dass nach h.M. bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe ohne Raten für beide Parteien der Mindeststreitwert von 2.000 EUR anzusetzen sei (Schneider/Herget, Streitwertkommentar für den Zivilprozess, 11. Aufl., Rz. 1169). Der erkennende Senat habe dies in der Vergangenheit mehrfach bestätigt.
II. Die Beschwerde des Rechtsanwaltes Dr. ... ist zulässig und auch im Wesentlichen begründet.
Zwar trifft es zu, dass in der Literatur die Auffassung vertreten wird, dass bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe ohne Raten für beide Parteien grundsätzlich vom Mindeststreitwert von 2.000 EUR nach § 12 Abs. 3 S. 2 GKG auszugehen sei. Während diese Auffassung in der Vergangenheit auch mehrheitlich von der Rechtsprechung geteilt worden ist, haben sich in den letzten Jahren mehrere OLG - teilweise unter Aufgabe der eigenen bisherigen Rechtsprechung - mit guten Gründen gegen diese Auffassung ausgesprochen (OLG München v. 27.6.2001 - 16 WF 662/01, FamRZ 2002, 683 f.; KG v. 2.10.2003 - 3 WF 335/03, KGReport Berlin 2003, 384 f.; OLG Koblenz OLGReport Koblenz 2000, 127; OLG Zweibrücken OLGReport Zweibrücken 2004, 195 ff.; OLG Hamburg v. 3.3.2003 - 12 WF 23/03, OLGReport Hamburg 2003, 252 = MDR 2003, 830; OLG Celle v. 21.3.2002 - 10 WF 44/02, OLGReport Celle 2002, 153 f.; OLG Karlsruhe v. 14.12.2001 - 5 WF 190/01, OLGReport Karlsruhe 2002, 223 = FamRZ 2002, 1135 f.). Der Senat hat in den letzten Jahren in mehreren Einzelfällen amtsgerichtliche Entscheidungen bestätigt, mit denen in derartigen Fällen unter Berufung auf Zöller/Herget lediglich der Mindeststreitwert von 2.000 EUR (bzw. 4.000 DM) festgesetzt worden war.
Das BVerfG hat nunmehr entschieden, dass eine derartige Auslegung der einschlägigen Bestimmungen angesichts des Fehlens einer gesetzlichen Grundlage mit Art. 12 GG nicht vereinbar und daher verfassungswidrig ist (BVerfG v. 23.8.2005 - 1 BvR 46/05, MDR 2005, 1373 m. Anm. Hartung = NJW 2005, 2980 f.). Unter diesen Umständen kann an der bisherigen Rechtsprechung nicht mehr festgehalten werden.
Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers und den vorliegenden Unterlagen ergibt sich, dass die Antragstellerin ein monatliches Nettoeinkommen von ca. 571 EUR und der Antragsgegner ein solches i.H.v. ca. 1.211 EUR erzielt. Dies ergibt zusammen 1.782 EUR. Soweit minderjährige Kinder vorhanden sind, ist von diesem Gesamteinkommen in der Regel ein Betrag von 250 EUR pro Kind in Abzug zu bringen. Zwar sind aus der Ehe der Parteien keine Kinder hervorgegangen. Aus den vorliegenden Unterlagen ergibt sich jedoch, dass die Antragstellerin Mutter eines 10 Jahre alten Kindes ist, das auch in ihrem Haushalt lebt. Unter diesen Umständen war der Streitwert für die Ehescheidung auf (3 × [1.782 EUR ./. 250 EUR] =) 4.596 EUR festzusetzen. Die weiter gehende Beschwerde war zurückzuweisen.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da das Verfahren ...