Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Beiordnung eines Notanwalts

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Antrag nach § 78b Abs. 1 ZPO setzt voraus, dass der Antragsteller einen hinreichend substantiierten Sachverhalt geordnet vorträgt, der es dem Gericht erlaubt, die Erfolgsaussichten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht summarisch zu beurteilen.

2. Die konkrete Anzahl der darüber hinaus anzugebenden erfolglos kontaktierenden Rechtsanwälte richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. In einem großstädtischen Gerichtsbezirk und ohne Vorliegen besonderer Eilbedürftigkeit erscheint es unbedenklich, die Benennung von mindestens zehn Rechtsanwälten zu verlangen.

 

Normenkette

BORA §§ 1, 11; BRAO § 1; ZPO §§ 78b, 571 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 02.12.2022; Aktenzeichen 11 OH 6710/22)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 02.12.2022, Az. 11 OH 6710/22, wird zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

 

Gründe

I. Die Beschwerdeführerin begehrt die Beiordnung eines Notanwalts für eine beabsichtigte Klage.

Mit einem am 30.11.2022 per Telefax beim Landgericht Nürnberg-Fürth eingegangenen Schreiben (Bl. 1 ff. d.A. - LG) erläuterte die Antragstellerin, dass sie weitergehende Ansprüche aus zwei privaten Unfallversicherungen geltend machen wolle, die ihr am ... 12.2021 verstorbener Vater bei der Antragsgegnerin unterhielt. Hintergrund ist ein Unfallereignis vom 28.11.2018, dessen Folgen streitig sind und das die Antragsgegnerin vorgerichtlich auf der Grundlage eines Invaliditätsgrades von 14% sowie durch Zahlung des vereinbarten Krankenhaustagegeldes reguliert hat. Die Antragstellerin ist Mitglied der Erbengemeinschaft nach dem verstorbenen Versicherungsnehmer. Sie behauptet, der unfallbedingte Invaliditätsgrad habe mindestens 50% betragen, so dass insbesondere die vereinbarte monatliche Unfallrente zu zahlen gewesen sei.

Mit Beschluss vom 02.12.2022 hat das Landgericht den Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts zurückgewiesen (Bl. 26 ff. d.A. - LG). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass schon nicht hinreichend dargelegt worden sei, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht aussichtslos sei. Ferner habe die Antragstellerin nicht aufgezeigt, mindestens zehn Rechtsanwälte trotz gehöriger Information und Mitteilung der von ihrer Rechtsschutzversicherung bereits erteilten Deckungszusage erfolglos kontaktiert zu haben. Auch die konkreten Gründe für die Mandatsablehnung seien nicht vorgetragen worden.

Dieser Beschluss ist der Antragstellerin am 07.12.2022 zugestellt worden. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde ging am 08.12.2022 per Telefax beim Oberlandesgericht Nürnberg ein (Bl. 31 ff. d.A.).

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 14.12.2022 nicht abgeholfen und die Sache erneut dem Oberlandesgericht Nürnberg zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 176 ff. d.A. - LG).

II. 1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist statthaft gemäß §§ 78b Abs. 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Sie wurde auch form- und fristgerecht eingelegt (§ 569 Abs. 1 und 2 ZPO). Das im Original mit einer Unterschrift versehene Telefax vom 08.12.2022 entspricht der geforderten Schriftform (vgl. MüKo-ZPO/Hamdorf, 6. Aufl., § 569 Rn. 14 m.w.N.). Anwaltszwang besteht selbstverständlich nicht (vgl. OLG München, BeckRS 2001, 30200075).

2. In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg. Das Landgericht hat die Beiordnung eines Rechtsanwalts gemäß § 78b ZPO (sog. "Notanwalt") zu Recht abgelehnt.

a) Zutreffend hat die Vorinstanz herausgearbeitet, dass die Beiordnung zum einen davon abhängt, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung weder mutwillig noch aussichtslos erscheint (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29.06.2006 - IX ZR 163/05, BeckRS 2006, 8544 Rn. 1 und vom 14.12.2017 - I ZR 195/15, juris Rn. 11). Diese Einschränkung soll den Rechtsanwalt vor einer ihm nicht zumutbaren Vertretung in einer von vornherein keinerlei Erfolg versprechenden Sache bewahren. Aussichtslosigkeit besteht, wenn ein günstiges Ergebnis auch bei anwaltlicher Beratung ganz offenbar nicht erreicht werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 29.09.2011 - V ZA 14/11, NJW-RR 2012, 84 Rn. 4 m.w.N.). Hieran sind aus verfassungsrechtlichen Gründen strenge Anforderungen zu stellen. Es darf keiner Partei verwehrt werden, eine auch nur geringe Chance auf einen Prozesserfolg wahrzunehmen.

Auch unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist von dem Antragsteller zu verlangen, dass er einen hinreichend substantiierten Sachverhalt geordnet vorträgt, der es dem Gericht erlaubt, die Erfolgsaussichten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht summarisch zu beurteilen (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 16.06.2021 - 4 EK 7/21, juris Rn. 5 f.; OLG München, Beschluss vom 03.03.1993 - 1 W 1014/93, juris Rn. 5 ff.). Dies ist einem Laien ohne anwaltliche Vertretung auch zumutbar. Hieran fehlte es der Antragsschrift vom 28.11.2022 jedoch, wie das Land...

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