Entscheidungsstichwort (Thema)
Ärztliche Aufklärung vor Einsetzen einer Hüftendoprothese
Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Anforderungen an die ärztliche Aufklärung vor Einsetzen einer Hüftkopfendoprothese.
2. Eine unzureichende Risikoaufklärung lässt den Vergütungsanspruch des Arztes unberührt, wenn die Operation tatsächlich zum Erfolg geführt hat.
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 25.06.2003; Aktenzeichen 3 O 917/99) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten des Beklagten wird das Endurteil des LG Nürnberg-Fürth vom 25.6.2003 aufgehoben, soweit es die Widerklage abgewiesen hat.
II. Es wird festgestellt, dass der Kläger verpflichtet ist, dem Beklagten sämtliche zukünftigen Schäden zu ersetzen, die diesem infolge der Operation vom 26.9.1996 im Krankenhaus ... noch entstehen, soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind, bzw. noch übergehen werden.
III. Der Kläger ist dem Grunde nach verpflichtet, dem Beklagten den durch diese Operation verursachten materiellen Schaden zu ersetzen und ihm ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen.
IV. Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit an das LG Nürnberg-Fürth zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, zurückverwiesen.
V. Die weiter gehende Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
VI. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
VII. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 56.404,47 Euro festgesetzt (Klage 3.707,23 Euro, Widerklage 52.019,38 Euro, davon Schmerzensgeldanspruch 7.669,38 Euro, Schadensersatzanspuch 34.802,02 Euro, Feststellungsantrag 10.225,84 Euro).
Gründe
I. Die Parteien streiten um Arzthonorar und um Ansprüche des Beklagten auf materiellen Schadensersatz und Schmerzensgeld im Zusammenhang mit der Implantation einer Hüftendoprothese.
Der Kläger, niedergelassener Facharzt für Orthopädie, setzte dem Beklagten, der an einer Hüftkopfnekrose litt, am 26.9.1996 eine solche Prothese ein. Er rechnete am 16.10.1996 für seine Tätigkeit 7.520,72 DM (entspricht: 3.707,23 Euro) ab. Der Beklagte verweigerte die Bezahlung unter Hinweis darauf, dass er vom Kläger fehlerhaft behandelt worden sei.
Der Kläger hat daher Zahlungsklage erhoben.
Der Beklagte hat sich dagegen mit der Behauptung verteidigt, bei der vom Kläger durchgeführten Operation sei es zu einer Schädigung des Nervus femoralis gekommen. Über dieses seltene, aber typische Operationsrisiko sei er vom Kläger nicht aufgeklärt worden. Aufgrund dessen leide er unter einer Lähmung des Unterschenkelstreckers rechts sowie einer Kraftminderung im Hüftstrecker rechts. Auch sei die Empfindlichkeit an der gesamten Innenseite des rechten Beins deutlich herabgesetzt. Seine Gehfähigkeit sei dauerhaft eingeschränkt; er sei zu 50 Prozent schwerbehindert. Die fehlgeschlagene Operation habe zudem Einkommensverluste und Mehrausgaben i.H.v. 66.741,06 DM (entspricht: 34.124,16 Euro) verursacht. Deswegen sei er nicht zur Zahlung des Honorars verpflichtet.
Der Beklagte hat zunächst hilfsweise mit einem Schmerzensgeldanspruch gegen die Klageforderung aufgerechnet. Bereits mit Schriftsatz vom 13.1.1999 hat er aber wegen seiner gesamten materiellen und immateriellen Ansprüche Widerklage gegen den Kläger und gegen zwei weitere an der Operation beteiligte Ärzte erhoben.
Der Kläger hat bestritten, dass es anlässlich der Operation vom 26.9.1996 zu einer Verletzung des Nervus femoralis gekommen sei. Die Beschwerden des Beklagten rührten von einer Inaktivitätsatrophie her. Der Beklagte sei im Übrigen auch ausführlich über mögliche Risiken der Operation, darunter auch über die Gefahr von Nervenverletzungen, aufgeklärt worden.
Das Erstgericht hat nach Beweisaufnahme durch Endurteil vom 25.6.2003, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, den Beklagten zur Zahlung des Arzthonorars verurteilt und seine Widerklage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Beklagte leide zwar infolge der Operation unter einer Verletzung des Nervus femoralis, es könne jedoch nicht festgestellt werden, dass dem Kläger ein Behandlungsfehler unterlaufen sei. Der Beklagte sei auch ausreichend auf das Risiko einer Nervenschädigung hingewiesen worden.
Gegen dieses ihm am 26.6.2003 zugestellte Urteil hat der Beklagte, beschränkt auf den Kläger, am 25.7.2003 Berufung eingelegt und dieses Rechtsmittel nach entsprechender Fristverlängerung am 27.10.2003 begründet.
Der Beklagte macht in der Berufungsinstanz nur noch geltend, er sei vor der streitgegenständlichen Operation nicht ausreichend aufgeklärt worden. Zwar enthalte das vom Kläger verwendete Aufklärungsformular auch einen Hinweis auf Nervenläsionen als mit dem Eingriff möglicherweise verbundene Komplikationen. Der Kläger habe jedoch den Inhalt des Formulars mit ihm nicht näher besprochen, habe ihn insb. nicht darauf hingewiesen, dass eine Nervenverletzung zu einer dauerhaften Beeinträchtigung führen könne. Der Kläger habe nicht erwähnt, dass es sich dabei ...