Leitsatz (amtlich)

Einem Steuerberater ist es erlaubt, ohne räumliche Beschränkung auf den Nahbereich freie Mitarbeiter anzuwerben.

 

Normenkette

UWG § 4 Nr. 11; StBerG § 34 Abs. 2 S. 2; BOStB § 7

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 14.01.2009; Aktenzeichen 4 HKO 6496/08)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 14.10.2010; Aktenzeichen I ZR 95/09)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des LG Nürnberg-Fürth vom 14.1.2009 - 4 HKO 6496/08 abgeändert.

II. Die Klage wird abgewiesen.

III. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreite.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die gegen sie gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Die Revision zum BGH wird zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 25.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die Beklagte, eine Steuerberatergesellschaft, versuchte durch Stellenanzeigen im internet und in einer Fachzeitschrift sowie mit Hilfe von persönlichen Anschreiben im gesamten Bundesgebiet Buchführungshelfer als freie Mitarbeiter zu gewinnen.

Die Klägerin, die ... sieht darin eine unlautere geschäftliche Handlung nach § 4 Nr. 11 UWG. Die Unlauterkeit folge daraus, dass nach § 7 BOStB die Beschäftigung von freien Mitarbeitern nur dann zulässig sei, wenn diese weisungsgebunden unter der fachlichen Aufsicht und beruflichen Verantwortung des Steuerberaters tätig seien. Nur wenn sich die freien Mitarbeiter im Nahbereich des eigentlichen Berufsträgers befänden, seien diese Anforderungen des § 7 BOStB gewahrt. Was als Nahbereich anzusehen sei, sei durch die Rechtsprechung zu den §§ 50 Abs. 1 und 34 Abs. 2 Satz 2 StBerG vorgeklärt. Darunter falle ein Umkreis von 50 Kilometern zum Sitz der Steuerberatergesellschaft oder die Erreichbarkeit binnen einer Stunde. Wenn der freie Mitarbeiter außerhalb eines solchen Nahbereichs tätig werde, dann sei die von § 7 BOStB geforderte Kontrolle und Aufsicht nicht mehr sichergestellt.

Da sich die bundesweite Werbung auch nicht mehr an einen überschaubaren Kreis von potentiellen freien Mitarbeitern im Nahbereich richte, sei die Beklagte auch gar nicht mehr in der Lage, solche Mitarbeiter entsprechend § 7 BOStB zu überwachen.

Die Beklagte sei folglich verpflichtet, die Anwerbung von freien Mitarbeitern räumlich einzuschränken.

Die Klägerin hat in erster Instanz einen entsprechenden Antrag, bzw. Hilfsantrag gestellt, mit dem die freie Mitarbeiteranwerbung durch die Beklagte auf den jeweiligen Nahbereich beschränkt werden sollte.

Die Beklagte hat Abweisung der Klage beantragt.

Sie ist der Ansicht, dass die Nahbereichsregelung des § 34 Abs. 2 Satz 2 StBerG nicht auf die Beschäftigung von freien Mitarbeitern nach § 7 BOStB übertragen werden könne.

Aus den beanstandeten Anzeigen und Schreiben ergebe sich auch in keiner Weise, dass die Beklagte mehr Mitarbeiter einstellen möchte, als sie zu überwachen in der Lage sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des Ersturteils Bezug genommen.

Das Erstgericht hat dem Hilfsantrag, den es lediglich als Klarstellung des Hauptantrages verstanden hat, in vollem Umfang stattgegeben und so die Mitarbeiteranwerbung durch die Beklagte auf den jeweiligen Nahbereich beschränkt; es wird insoweit auf den Tenor des Ersturteils Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt.

Beide Parteien wiederholen und vertiefen in der Berufungsinstanz ihre im Wesentlichen rechtlichen Argumente.

Die Beklagte beantragt, die Klage unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Zurückweisung der Berufung.

Wegen der Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens wird auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

B. Die Berufung ist in vollem Umfang begründet, da die Beklagte mit ihren Beschäftigungsangeboten für freie Mitarbeiter keine unlautere geschäftliche Handlung nach § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 11 UWG vorgenommen hat.

I. Stellenangebote, die dem Bezug von Dienstleistungen des Unternehmers dienen, sind als geschäftliche Handlungen nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG n.F., bzw. als Wettbewerbs handlung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG a.F. zu qualifizieren (s. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Aufl. 2009, Rz. 39 zu § 2 sowie, a.a.O., 26. Aufl. 2008, Rz. 18 zu § 2 UWG).

II. Eine Unlauterkeit nach § 4 Nr. 11 UWG kann entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichts weder aus § 34 Abs. 2 Satz 2 StBerG noch aus § 7 BOStB abgeleitet werden;

1. § 34 Abs. 2 Satz 2 StBerG:

Die in dieser Vorschrift normierte Residenzpflicht im sog. Nahbereich betrifft unmissverständlich nur den Steuerberater selbst, aber nicht seinen freien Mitarbeiter. Eine analoge Anwendung auf den freien Mitarbeiter scheidet aus:

Denn eine planwidrige Regelungslücke als Voraussetzung für eine Analogie fehlt (Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl., Einleitung 48 vor § 1 BGB). Die Beschäftigung freier Mitarbeiter ist entsprechend der Ermächtigung in § 86 Ab...

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