Leitsatz (amtlich)
1. Eine Grunddienstbarkeit ist löschungsreif, wenn wegen wesentlicher Veränderungen auf dem herrschenden Grundstück für dieses der Vorteil aus dem Recht endgültig weggefallen ist.
2. Die Stilllegung eines Brauereibetriebs auf dem herrschenden Grundstück über einen langen Zeitraum wegen dessen Verlagerung in eine moderne Braustätte genügt dann nicht, wenn konkrete Planungen für die Errichtung einer neuen - auch wesentlich kleineren - Braustätte auf dem herrschenden Grundstück entfaltet werden und damit gerechnet werden kann, dass mit der Umsetzung der Planungen in absehbarer Zeit begonnen wird.
Normenkette
BGB §§ 1018-1019
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 30.11.2010; Aktenzeichen 10 O 9775/09) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Nürnberg-Fürth vom 30.11.2010 - 10 O 9775/09, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziff. 1 genannte Urteil des LG Nürnberg-Fürth ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss:
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 100.000 EUR festgesetzt; für den erstinstanzlichen Rechtszug wird der Streitwertbeschluss vom 30.11.2010 abgeändert und der Streitwert auf 100.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten um den Bestand einer Grunddienstbarkeit. Der Kläger ist Eigentümer des dienenden Grundstücks von ca. 240 m2, das mit der verpachteten Gaststätte "B" - unmittelbar unterhalb der N - überbaut ist. Die Beklagte ist Eigentümerin des herrschenden Grundstücks S, N, mit einer Fläche - nach mehreren Teilungen - von jetzt noch 2.742 m2, das in ca. 2 km Entfernung liegt. Die umliegenden Flächen des herrschenden Grundstücks (mehr als 45.000 m2), auf denen bis zur endgültigen Betriebsverlagerung Bier gebraut wurde, werden nach Aufstellung eines Bebauungsplans im Rahmen eines städtebaulichen Vertrags mit Wohnungen bebaut.
Zur Darstellung des Sachverhalts und des streitigen Vorbringens der Parteien in erster Instanz einschließlich der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand im Urteil des LG Nürnberg-Fürth vom 30.11.2010 (Az. 10 O 9775/10) Bezug genommen. Das LG hat die Klage abgewiesen und ausgeführt, dass die von der Rechtsvorgängerin der Beklagten als Eigentümerdienstbarkeit bestellte Dienstbarkeit einen zulässigen Inhalt habe. Der Ausschluss jeglichen Gewerbes unterliege keinen rechtlichen Bedenken. Ein Erlaubnisvorbehalt - wie vorliegend - verstoße auch nicht gegen das Bestimmtheitserfordernis. Auch ein Verstoß gegen § 1019 BGB liege nicht vor, da ein - wenn auch nur mittelbarer - wirtschaftlicher Vorteil für die Benutzung des herrschenden Grundstücks nach dessen Lage, Beschaffenheit und Zweckbestimmung genüge. Es sei für die Benutzung des herrschenden Grundstücks objektiv wirtschaftlich vorteilhaft, wenn auf dem Grundstück des Klägers kein Gewerbe ausgeübt werde, um unerwünschte Konkurrenz zu verhindern. Da auf dem herrschenden Grundstück ein Brauereibetrieb bestehe, sei das herrschende Grundstück für das Gewerbe besonders eingerichtet. Der Vorteil bestehe fort. Eine Grunddienstbarkeit erlösche dann, wenn infolge Veränderung eines der betroffenen Grundstücke ihre Ausübung dauernd ausgeschlossen ist oder der Vorteil für das herrschende Grundstück infolge grundlegender Änderung der tatsächlichen Verhältnisse oder der rechtlichen Grundlage objektiv und endgültig wegfalle. Einen Wegfall des Vorteils auf Dauer habe der Kläger nicht bewiesen. Die Teilung des Grundstücks und damit zusammenhängende Verkleinerung des Grundstücks genüge hierfür nicht. Auch sei Verpachtung an einen Brauereibetrieb erfolgt. Eine bloße Unterbrechung der Gewerbeausübung lasse den Vorteil auch nicht ohne weiteres entfallen. Es genügten daher Vorteile, mit denen nach objektiven Anhaltspunkten in einem normalen und regelmäßigen Verlauf der Dinge gerechnet werden könne. Die Beklagte habe dargelegt, dass konkret eine Gastronomiebrauerei geplant sei; die Kammer sei hiervon überzeugt. Denn die Beklagte habe die X GmbH mit einer fachtechnischen Stellungnahme beauftragt. Danach bestehe die Möglichkeit, dass in dem Gebäude eine Brauerei untergebracht werde. Die Beklagte beabsichtige eine spezielle und dauerhafte Einrichtung eines Brauereibetriebs; Art und Weise der Planungsausführung unterliege der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit der Beklagten. Der Vorteil entfalle auch dann nicht, wenn die Beklagte lediglich eine Gaststätte mit Erlebnisbrauerei errichten würde. Öffentlich-rechtliche Vorschriften stünden der Annahme des fortbestehenden Vorteils nicht entgegen. Die Genehmigung für die Nutzungsänderung sei weder bestandskräftig versagt worden noch sei die Genehmigungsfähigkeit von vornherein ausgeschlossen. Auch könne ...