Leitsatz (amtlich)
Wird dem Rechtsanwalt eine Akte zur Fristenkontrolle vorgelegt, ist er zur eigenverantwortlichen Nachprüfung des Fristablaufs und des Aktenvermerks über die Fristennotierung verpflichtet.
Verfahrensgang
LG Oldenburg (Urteil vom 15.03.2012; Aktenzeichen 5 O 814/11) |
Tenor
Der Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 1.6.2012 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des LG vom 15.3.2012 wird auf seine Kosten verworfen.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 10.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Beklagte ist durch Urteil des LG Oldenburg vom 15.3.2012 zur Zahlung von 10.000 EUR an die Klägerin verurteilt worden. Das Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 23.3.2012 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 26.3.2012, eingegangen beim OLG am 29.3.2012, legte der Beklagte Berufung gegen das Urteil ein. Am 31.5.2012 setzte der Berichterstatter den Prozessbevollmächtigten telefonisch davon in Kenntnis, dass die Frist zur Begründung der Berufung verstrichen sei. Mit Schriftsatz vom 1.6.2012 beantragte der Prozessbevollmächtigte, dem Berufungskläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zugleich begründete er die Berufung. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens wird auf den Schriftsatz vom 1.6.2012 verwiesen.
II. Der gem. §§ 233f ZPO zulässige Antrag auf Wiedereinsetzung ist unbegründet. Der Beklagte war nicht ohne sein Verschulden verhindert, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten. Dem Beklagten wird das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zugerechnet (§ 85 Abs. 2 ZPO).
Zwar trifft den Rechtsanwalt kein Verschulden, wenn er eine im Umgang mit Fristsachen erfahrene und erprobte Bürokraft anweist, eine Rechtsmittelfrist in den Fristenkalender einzutragen, und diese die Frist aufgrund eines erstmaligen Versehens unrichtig oder gar nicht einträgt (BGH MDR 2001, 530). Dennoch ist nach der eidesstattlichen Versicherung seiner Mitarbeiterin von einem Verschulden des Rechtsanwalts auszugehen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die - nach eigenem Vorbringen - unterlassene Anweisung des Prozessbevollmächtigten an sein Büropersonal, eine Vorfrist zur Berufungsbegründung einzutragen, als Ursache für die Fristversäumung in Frage kommt und womöglich davon auszugehen ist, dass in seinem Büro Vorfristen nicht vermerkt werden (vgl. BGH NJW 2000, 365; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 233 Rz. 23 "Büropersonal und -organisation). Es kann auch dahingestellt bleiben, dass von einem Anwalt grundsätzlich nicht verlangt werden kann, den Fristablauf oder die Erledigung von Fristnotierungen stets auch dann selbst zu prüfen, wenn ihm eine Sache ohne Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung vorgelegt wird oder ohne dass Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, die zur Fristwahrung getroffenen Maßnahmen könnten versagt haben (BGH MDR 2008, 331; Zöller/Greger, a.a.O.; Wieczorek/Schütze/Gerken, ZPO, 4. Aufl., § 233 Rz. 60 (im Erscheinen)). Im vorliegenden Fall ist die Akte ausweislich der eidesstattlichen Versicherung der Mitarbeiterin O ..... dem Rechtsanwalt Anfang Mai wieder vorgelegt worden. Die Wiedervorlage diente "dazu, zu überprüfen, ob Fristen eingehalten worden sind." Wird dem Rechtsanwalt aber eine Akte zur Fristenkontrolle vorgelegt, ist er zur eigenverantwortlichen Nachprüfung des Fristablaufs und des Aktenvermerks über die Fristnotierung verpflichtet. Gegen diese Pflicht hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten verstoßen. Er durfte sich nach der Aktenvorlage auch nicht mehr darauf verlassen, dass ihn sein Personal rechtzeitig an den Fristablauf erinnert.
Die Kostenentscheidung des Wiedereinsetzungsverfahrens folgt aus § 238 Abs. 4 ZPO.
III. Die Berufung ist gem. § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen, da sie nicht innerhalb der Frist von zwei Monaten ab Zustellung des Urteils begründet worden ist (§ 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Die Berufung gegen das am 23.3.2012 zugestellte Urteil wurde mit Schriftsatz vom 1.6.2012, eingegangen am 4.6.2012, begründet. Ob die Berufung überhaupt Erfolg gehabt hätte, kann nach alledem dahingestellt bleiben.
Die Kostenentscheidung des Berufungsverfahrens folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen